1. Startseite
  2. Kultur
  3. Gesellschaft

US-Wahlen: Als Lyndon B. Johnson das Handtuch warf

Kommentare

Lyndon Johnson und Richard Nixon (v.l.) im Jahr 1968.
Lyndon Johnson und Richard Nixon (v.l.) im Jahr 1968. © IMAGO/Pond5 Images

Die Demokratische Partei hat mitten im US-Wahlkampf schon einmal den Kandidaten ausgetauscht, schon damals hatte man kein Glück.

Nicht wenige sagten, dass der amerikanische Präsident im Krieg sich selbst verloren habe. Noch im Jahr 1963 hatte Robert Kennedy, Bruder des ermordeten Präsidenten John F. Kennedy, Lyndon B. Johnson gedrängt, den Krieg in Vietnam nicht zu beenden. Zwei Jahre später war Johnson klar, dass ein Rückzug aus Vietnam unmöglich war, ohne als Verlierer dazustehen. Und das wollte er unbedingt vermeiden. Die Außenpolitik war noch nie seine Stärke gewesen. Die Kosten des Krieges hatte er vertuscht. Doch nun, im Jahr 1968, flog der ganze Schwindel auf, den Johnson der Öffentlichkeit erzählt hatte: Der Krieg sei unter Kontrolle, alles in bester Ordnung, der Sieg zum Greifen nah. Das Gegenteil war der Fall.

Denn tatsächlich eskalierte der Krieg in Vietnam gerade, die militärische Offensive der Vietcong, die am Tag ihres wichtigsten Feiertags Tet losbrach, war viel schlagkräftiger, als alle es befürchtet hatten. Rund 15 000 US-Soldaten sollen ums Leben gekommen sein. Der Aufschrei in den USA war groß. Die Folge: Es entstand eine Bewegung, die größtenteils unorganisiert war und doch die kommenden Jahre dominieren sollte in ihrer Ablehnung des Vietnamkrieges. Der Widerstand gegen den Krieg wurde größer und größer. Auch der Star-Boxer Muhammad Ali weigerte sich wie viele andere auch, in Vietnam zu kämpfen. Viele verbrannten einfach ihre Einberufungsbescheide. Und Martin Luther King erklärte im Jahr 1967 öffentlich: „Wir führen einen unmoralischen Krieg.“

Lyndon B. Johnson wuchs die ganze Sache über den Kopf. Er wollte seine innenpolitischen Ziele nicht gefährden und log daher über die Unsummen, die der Krieg verschlang. Zudem starben tausende amerikanische Soldaten in den Kampfhandlungen jährlich, mittlerweile waren fast eine halbe Million US-Soldaten in Vietnam stationiert. Johnson musste zusätzliches Geld aufbringen, das ging nur durch Mittelkürzungen bei Armutsprogrammen. Er wollte aus Steuergeldempfängern nun Steuergeldzahler machen, behauptete er. Am Anfang war dies sogar noch ein Erfolg, da die Menschen mehr Geld ausgaben. Doch die Wirkung verpuffte.

Zudem stand er ja nun als Lügner und als Schwindler da. Und das in einer Zeit, in der die US-Vorwahlen für die Präsidentschaftskandidaturen fielen. Die Folgen blieben nicht aus: Ein Gegner des Krieges schnitt bei den Vorwahlen viel besser ab als erwartet: Während Lyndon B. Johnson 49 Prozent der Stimmen in New Hampshire auf sich vereinigte, kam Senator Eugene McCarthy auf stolze 42 Prozent.

Das war ein Schlag, der sogleich weitere Konkurrenten ermutigte, gegen Johnson in den Ring zu steigen. So Robert Kennedy. Eben jener Kennedy, der ihn ja im Fall von Vietnam gedrängt hatte, nicht vorschnell die Flinte ins Korn zu werfen und den Krieg in Fernost fortzuführen. Ein weiterer Kandidat war George Wallace. Der Präsident sah sich nun von links und von rechts bedrängt. Und diese politischen Themen, um die es ging, schien er nicht weiter dominieren zu können: Die Lage in Vietnam verzwickt bis katastrophal, nicht anders die Situation in den Städten, in denen Gewalt herrschte. Kennedys Kandidatur traf Johnson hart, für ihn war das zu viel. Er sah sich nicht in der Lage, das politische Rennen für sich zu entscheiden. Seine Umfragewerte waren ja auch ein Desaster.

Am 31. März 1968 gab er bekannt, dass er für eine Wiederwahl nicht kandidieren werde. „Ich werde mich nicht um die Nominierung meiner Partei für eine weitere Amtszeit als Ihr Präsident bemühen und werde diese auch nicht annehmen“, sagte er in einer Fernsehansprache. Der Mann war amtsmüde. Durch Johnsons Ausstieg sollten die Demokraten das Amt des Präsidenten verlieren. Die Democratic National Convention 1968 fand vom 26. bis 29. August statt. Auf den Straßen Chicagos fanden sich zahlreiche Demonstrierende und Kriegsgegner ein. Anarchisten, Hippies und Studierende versammelten sich, um gegen die amerikanische Vietnam-Politik zu protestieren. Ein riesiges Polizeiaufgebot stellte sich ihnen entgegen, zudem wurden rund 6000 Soldaten stationiert, sogar viele Geheimagenten sollen sich unter die jungen Menschen gemischt haben.

Draußen tobte das junge Volk, drinnen suchte eine Partei ohne Führung nach dem richtigen Kurs. Im Saal selbst entbrannte der Kampf um die Nachfolge Johnsons. Die Partei schien von den Ereignissen getrieben zu sein. Am Ende setzte sich ein Kandidat durch, der bisher überhaupt nicht kandidiert hatte. Die Rede ist von dem eher nichtssagenden bisherigen Vizepräsidenten Hubert H. Humphrey. Er wurde als Präsidentschaftskandidat nominiert. Es zeigte sich, wie gefährlich es sein kann, mitten auf dem Weg den Kandidaten auszutauschen. Eine Lektion, die auch heute die demokratische Partei bedenken wird, wenn es darum geht, ob man den altersschwachen Präsidenten Joe Biden nicht gegen einen jüngeren Kandidaten oder eine jüngere Kandidatin austauschen sollte.

Das Jahr 1968 war ein Jahr voller Unruhen und Tragödien. In 130 Städten kam es zu Unruhen. Martin Luther King wurde auf dem Balkon eines Hotels in Memphis erschossen. Auf Robert F. Kennedy wurde ein tödliches Attentat verübt. Zwei Monate war es erst her, dass er einen wichtigen Sieg bei den Vorwahlen in Kalifornien gefeiert hatte. Als er eine Veranstaltung in Los Angeles verließ, wurde er erschossen. Und der Krieg in Vietnam tobte weiter. Auf den Straßen herrschte Gewalt.

Das alles war der Moment für Richard Nixon, den republikanischen Präsidentschaftskandidaten. Er hatte gegen John F. Kennedy sang- und klanglos verloren. Nun schlug durch Johnsons Rücktritt seine Stunde. Er wurde der nächste Präsident. Nixon wusste, je stärker der Hass auf den Straßen ist, je größer die Gewalt, umso größer sind seine Chancen, ins Weiße Haus gewählt zu werden. Dafür würde seine Law-and-Order-Politik schon sorgen. Und mit den Südvietnamesen soll er ein Abkommen geschlossen haben, dass sie bessere Friedensbedingungen erhielten, wenn sie die Wahl Nixons abwarten würden. Als Johnson davon hörte, griff er zum Telefonhörer und führte ein wütendes Gespräch mit Nixon. Der stritt jedoch alles ab.

Die amerikanische Gesellschaft war nach dem Epochenjahr 1968 durch Spaltung, Ressentiments und Bösartigkeit geprägt. Diese Zeit steht für Historiker für das Ende einer Ära des Konsenses. Nixon wurde ein zweites Mal zum Präsidenten im Jahr 1972 gewählt, er hatte sich gegen Humphrey mit seinem Programm der Verbrechensbekämpfung mühelos durchgesetzt. Inhaltlich hatte er nicht mehr zu bieten als die Demokraten, die Republikaner hatten nur viel mehr Lärm gemacht. Besonders große Teile der Arbeiterschaft hatten für ihn gestimmt, die noch acht Jahre zuvor fest für die Demokratische Partei votiert hatten. Anders als sein Vorgänger war er ein starker Außenpolitiker – und schwach in der Innenpolitik. Die Öffnung nach China war sein und Henry Kissingers Verdienst.

Johnsons Ende war bizarr. Am Tag, als Nixon das Präsidentenamt ein zweites Mal übernahm, steckte sich Lyndon B. Johnson nach langer Zeit wieder eine Zigarette an. Er hatte vor vielen Jahren aufgehört, zuvor war er ein starker Raucher gewesen. Als er an der Zigarette einige Male gezogen hatte, erlitt er einen Herzinfarkt. Nixon sollte nur wenige Zeit später wegen des Watergate-Skandals seinen Rücktritt einreichen und galt fortan als der verrufenste US-Präsident aller Zeiten, zumindest bis Donald Trump auftrat.

Auch interessant

Kommentare

Teilen