Ein Reaktor und ein Schild für einen Notfallsammelpunkt sind zu sehen.
picture alliance/dpa | Peter Kneffel

Sicherheitsanforderungen
Forschungsreaktor darf weiterlaufen

Der Garchinger Forschungsreaktor soll 2025 wieder mit hochangereichertem Uran betrieben werden. Die Klage des "Bundes Naturschutz" wurde abgewiesen.

19.06.2024

Der Forschungsreaktor FRM II der Technischen Universität München darf auch in Zukunft mit hochangereichertem Uran betrieben werden. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (VGH) in München wies mit einem am Mittwoch bekanntgegebenen Urteil eine Klage des "Bundes Naturschutz" in Bayern (BN) gegen den Weiterbetrieb ab. Die detaillierten Urteilsgründe liegen nicht vor. Diese würden erst später in den kommenden Monaten bekanntgegeben, sagte ein VGH-Sprecher. Das Abfassen des schriftlichen Urteils dauere angesichts der Komplexität des Klageverfahrens länger. 

Kernpunkt des Rechtsstreits war eine Auflage in der Betriebsgenehmigung der Forschungs-Neutronenquelle von 2003. Diese sah vor, dass der FRM II auf einen Brennstoff mit einer Anreicherung von höchstens 50 Prozent des spaltbaren Uran-235 umrüstet, "sobald der neue Brennstoff entwickelt, qualifiziert und industriell verfügbar ist". Dies war aber bislang technisch und wissenschaftlich nicht der Fall. FRM II-Direktor Pfleiderer sagte: "Wir werden weiterhin mit vollem Einsatz und gemäß Fahrplan die Umrüstung auf niedrig angereichertes Uran verfolgen. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, Krebspatientinnen und Krebspatienten sowie Industrieunternehmen benötigen die Neutronen der Forschungs-Neutronenquelle dringend."

Bayerns Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) begrüßte die Entscheidung des Gerichts. "Das ist eine Entscheidung für die Wissenschaft und gegen Ideologie", sagte er. Der Forschungsreaktor in Garching bei München ist derzeit nicht in Betrieb, seit mehreren Jahren steht er wegen fehlender Brennelemente, der Corona-Pandemie sowie Reparaturarbeiten still. Im Jahr 2025 soll der Reaktor wieder hochgefahren werden. 

Atom- und umweltrechtliche Sicherheitsanforderungen erfüllt

Der Streit dreht sich darum, dass der BN den Betrieb mit auf 93 Prozent angereichertem Uran seit dem Jahr 2011 für illegal hält. Die TU München betonte angesichts des Urteils erneut, dass man den Weg, komplett auf niedrig angereichertes Uran 235 mit Werten unter 20 Prozent umzusteigen, intensiv weiterverfolge. Die Umweltschützerinnen und Umweltschützer kritisieren, dass der Reaktor aktuell mit waffenfähigem Material betrieben werde. 

Der FRM II erfülle weiter die atom- und umweltrechtlichen Sicherheitsanforderungen, betont hingegen das Umweltministerium. "Es geht hier um extrem wichtige Forschungsinfrastruktur für Bayern, Deutschland und Europa", betonte Minister Blume. Die in Garching gewonnene kerntechnische Expertise sei beispielsweise entscheidend für medizinischen Fortschritt. Der Wissenschaftliche Direktor des FRM II, Professor Christian Pfleiderer, sagte, dass es sich um eine "für Wissenschaft und Medizin weltweit einzigartige Anlage" handele.

Garchinger Forschungsreaktor FRM II

Der Forschungsreaktor München (FRM) war im Jahr 2004 als eine der wichtigsten Neutronenquellen Europas in Betrieb gegangen. Er steht auf dem Gelände der Technischen Universität München (TUM) im Norden der bayerischen Landeshauptstadt und liefert Neutronen für Wissenschaft, Medizin und Industrie. So haben Angaben der TUM zufolge Forschende des späteren Corona-Impfstoffherstellers BionTech mRNA-Partikel mit Neutronen am FRM II untersucht. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt nutzten die Neutronenstrahlen für ihre Arbeit, etwa um Batterien ohne Cobalt zu ermöglichen und Akkus mit längerer Lebensdauer zu entwickeln. Aber auch Antibiotika gegen resistente Bakterien, neue Legierungen für effizientere Gasturbinen und bessere Materialien für die Quantentechnologien würden am FRM II erforscht. 

Der Betrieb mit bis zu 93 Prozent angereichertem Uran war bis Ende 2010 genehmigt, dann sollte auf maximal 50 Prozent umgestellt werden. Mangels dieses Brennstoffs wurde der Betrieb bis jetzt aber von den Behörden weiter genehmigt. Inzwischen sei an der Technischen Universität München (TUM) ein Verfahren entwickelt worden, um komplett auf niedrig angereichertes Uran 235 mit Werten unter 20 Prozent umsteigen zu können. Dieser Weg werde derzeit vom FRM II mit Nachdruck vorangetrieben. Kürzlich sei mit der französischen Firma Framatome bereits ein Vertrag zur Industrialisierung der Herstellung des neuen Brennstoffs unterzeichnet worden. Im Jahr 2025 werde der FRM II einen Genehmigungsantrag für die Umrüstung vorlegen.

Derzeit würde sich der FRM II in einer Wartungspause befinden. Der Zentralkanal, eine wesentliche Komponente im Reaktorbecken, müsse ersetzt werden. 

dpa/cva