Eine Frau mit Baustellenhelm steht vor einem Forschungsschiff.
Alfred-Wegener-Institut/Esther Horvath

Europawahl
Die Rolle Europas für die Zukunfts-Gestaltung wertschätzen

Die Meeresforscherin Antje Boetius hat viele internationale Projekte geleitet. Für sie ist das EU-Parlament ein wichtiger Fürsprecher der Forschung.

Von Christine Vallbracht 27.05.2024

Forschung & Lehre: Frau Professorin Boetius, welche positiven Auswirkungen der Europawahl auf die wissenschaftliche Arbeit und internationale Zusammenarbeit erhoffen Sie sich? 

Antje Boetius: Die Mehrheit der Europäerinnen und Europäer wird sich hoffentlich für Parteien entscheiden, die die Rolle von Wissenschaft und internationaler Zusammenarbeit für die Zukunfts-Gestaltung wertschätzen und stärken wollen. Zuletzt sind viele neue Partnerländer des Horizon-Europe-Programms hinzugekommen. Einen gemeinsamen Werte- und Wirkungsraum zu schaffen, ist besonders wichtig in diesen krisen- und kriegsgeschüttelten Zeiten. 

F&L: Welche negativen Auswirkungen der Europawahl auf die wissenschaftliche Arbeit und internationale Zusammenarbeit befürchten Sie? 

Antje Boetius: Ich sehe vor allem Chancen, mit der Europawahl Grundwerte wie Wissenschaftsfreiheit, Austausch und die Förderung von Forschung und Kultur zu stützen und zu schützen. Eine Priorisierung nationaler Interessen gegen das gemeinsame Voranbringen europäischer Ziele schadet allen, da sich die Möglichkeiten internationalen Wissenstransfers verschlechtern und so unsere Wettbewerbsfähigkeit sinkt. 

F&L: Warum ist es für Forschende aus Ihrer Sicht wichtig, im Juni zur Europawahl zu gehen? 

Antje Boetius: Wahlen sind gelebte Demokratie. Eine gelebte Demokratie ist wiederum ein entscheidender Grundpfeiler für die Freiheit der Wissenschaft, Kunst und alle Bereiche der Kultur. Das Europäische Parlament war in den letzten Jahren immer wieder ein wichtiger Fürsprecher der Forschung. Mehr als einmal hat es das Budget von "Horizon Europe", dem großen Programm der EU für Forschung und Innovation, vor Kürzungen bewahrt. Mit ihrer Stimme können Forschende dazu beitragen, dass dies auch in Zukunft so bleibt. 

Themen-Schwerpunkt "Europa"

Die Europäische Union spielt im Alltag vieler Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine große Rolle. Der Themen-Schwerpunkt "Europa" informiert Sie über Entwicklungen in der europäischen Politik – von Entscheidungen über Preise und Förderprogramme bis zu Diskussionen über die Wissenschaftsfreiheit und den künftigen Zusammenhalt der Union.

Gezeichnetes Portrait von Prof. Dr. Antje Boetius
Antje Boetius ist Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts (AWI) in Bremerhaven und Professorin an der Universität Bremen. Foto: Alfred-Wegener-Institut / Esther Horvath // Zeichnung: Studio Nippoldt

F&L: Welche Potentiale sehen Sie generell im Europäischen Forschungsraum um globale Herausforderungen wie beispielsweise den Klimawandel zu bewältigen? 

Antje Boetius: Gerade der europäische gesetzte Rahmen des "Green Deal" hat viele Bestandteile, die auf wissenschaftlichem Wissen beruhen: in Bezug auf fairen Klima-, Natur- und Umweltschutz und für nachhaltige sozioökonomischer Entwicklung.

Ich mache mir Sorgen, dass an diesem Rahmen gerüttelt wird und politische Ziele aufgeweicht werden, so wie beispielsweise derzeit die Umsetzung des EU-Renaturierungs-Gesetz stillsteht. Oder wenn gar die Pläne zu ambitioniertem und fairem Klima- und Naturschutz insgesamt zurückgedreht würden. 

F&L: Was verbinden Sie persönlich mit Europa? 

Antje Boetius: Als Jugendliche war es für mich ein buntes vielfältiges Miteinander, das zum Reisen und Entdecken per Interrail einlud. Als Wissenschaftlerin verdanke ich der europäischen Forschungsförderung frühe Selbstständigkeit, spannende, innovative Projekte der Meeresforschung, ein großes Netzwerk an Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, eine sehr gute Forschungs-Infrastruktur sowie viele Beteiligungsformate für den gesellschaftlichen Dialog und die Gestaltung des Forschungsraumes. Und der "ERC Advanced Grant" hat mir 2011 für mein Tiefsee-Forschungsprojekt über Mikroorganismen am Meeresboden zur rechten Zeit einen erheblichen Boost gegeben.

Was bedeutet Europa für Sie und Ihre Arbeit? 

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