Fahrlehrer steht mit Fahrschüler vor einem Kleinlaster.
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Fahrlehrer Bernd Müller unterstützt Fahrschüler Nico Höfner auf dem Weg zum Lkw-Führerschein C1.

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Führerschein-Projekt für Menschen mit Behinderung

Die Diakoneo-Werkstatt Rothenburg unterstützt ihre Beschäftigten dabei, einen Führerschein zu machen. Damit sind sie selbstständiger und haben höhere Chancen, eine Arbeitsstelle außerhalb der Werkstatt zu finden. Für Nico Höfner wird ein Traum wahr.

Über dieses Thema berichtet: Frankenschau aktuell am .

Den Autoführerschein hat Nico Höfner schon in der Tasche. Jetzt wagt er sich als einer der Ersten an die Lkw-Führerscheinklasse C1. Damit darf er dann Lastwagen bis 7,5 Tonnen fahren.

"Ich hatte schon immer den Traum, den Autoführerschein zu machen. Aber im Enddefekt hat mich die Werkstatt dazu gebracht." Nico Höfner

Seit Geburt hat der 28-Jährige eine Lernentwicklungsstörung und arbeitet derzeit im Garten- und Landschaftsteam der Diakoneo-Werkstatt in Rothenburg ob der Tauber. Begleitet wird er auf seinem Weg zum Führerschein von Fahrlehrer Bernd Müller. Er ist seit 1986 Fahrlehrer und war von Anfang an beim Führerschein-Projekt dabei.

Selbstständigkeit durch Führerschein

Die Theorieprüfung hat Nico Höfner schon erfolgreich bestanden. Die praktische Fahrprüfung steht noch aus. Sein Ziel steht aber fest: "Ich hab vor, wenn ich den Führerschein bestehe, auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und da als Lkw-Fahrer mein Geld zu verdienen."

Verantwortlich für das Führerscheinprojekt ist Sonderpädagogin Stefanie Zeller. Seit dem Start haben mittlerweile schon zwölf Werkstatt-Beschäftigte einen Führerschein gemacht – egal ob Roller, Mofa oder Auto. Mit dem Erwerb eines Führerscheins bekomme jeder Mensch viel mehr Selbstständigkeit, sagt Zeller. Außerdem hätten die Beschäftigten höhere Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt, beispielsweise als Fahrer in einem Unternehmen, angestellt zu werden. Gerade im ländlichen Raum, wo die öffentlichen Verkehrsmittel nur bedingt ausgebaut sind, helfe vielen der Führerschein, um überhaupt pünktlich zur Arbeitsstätte zu kommen.

Fahreignung wird überprüft

Wer von den Menschen mit Einschränkungen für einen Führerschein geeignet ist, wird von mehreren Stellen beurteilt. Äußert ein Beschäftigter den Wunsch, eine Fahrlizenz zu machen, besprechen sich die Mitarbeiter und gehen eine Checkliste durch. Dabei werden die wichtigsten Fähigkeiten, die ein Fahrschüler besitzen muss, geprüft. Danach darf er am internen Theorieunterricht teilnehmen.

Zwei bis drei Mal pro Woche üben die Fahrschüler gemeinsam mit Tablets die zahlreichen Fragen. Dabei bekommen sie Unterstützung von einer Werkstatt-Mitarbeiterin. Denn gerade die teils komplexen Theoriefragen machen den Beschäftigten am meisten Schwierigkeiten. "Unsere Beschäftigten sind einfach mehr die Praktiker", weiß Sonderpädagogin Stefanie Zeller. Neben Fahrlehrer und Prüfer überwacht auch die Zulassungsstelle des Landratsamts die Fahrschüler mit Einschränkungen. In bestimmten Fällen kann sie sogar ein medizinisches Gutachten anfordern.

Leistungspsychologische Untersuchung am PC

Neben einer eingehenden ärztlichen Untersuchung könne zusätzlich eine sogenannte leistungspsychologische Untersuchung durchgeführt werden, sagt Franziska Fischer. Sie ist Psychologin und arbeitet in einer Begutachtungsstelle für Fahreignung. Dabei sitzt der angehende Fahrschüler an einem PC und muss verschiedene Aufgaben erfüllen. Es werden verschiedene Bereiche getestet, wie etwa die Bereiche Aufmerksamkeit, Konzentration, Reaktionsfähigkeit, Belastbarkeit, und Orientierung, so Fischer weiter. Liegen die Ergebnisse über einem bestimmten Grenzwert, ist der Mensch fahrgeeignet – egal ob mit oder ohne Einschränkung. Bei den Untersuchungen stützen sich die Psychologen und Ärzte stets auf Gesetze und Leitlinien, betont Fischer.

Anforderungen im Straßenverkehr nehmen zu

Den Verkehr richtig einschätzen, den Laster sicher manövrieren, viele Aufgaben muss der 28-Jährige gleichzeitig im Blick behalten. Die Ausmaße des Lkw seien einfach viel größer als bei einem Auto, sagt Nico Höfner. Deswegen gelte es noch intensiver überall zu schauen, Schulterblick einhalten, alle Spiegel kontrollieren. Hinzu kommt das höhere Gewicht und der große Radius, wenn man Kurven fährt, so Höfner weiter.

Allgemein nehmen die Anforderungen im Straßenverkehr zu – umso wichtiger: die Ruhe, der Zuspruch und das Vertrauen des Fahrlehrers in seine Fahrschüler. Man müsse einfach etwas mehr Fingerspitzengefühl zeigen, sagt Bernd Müller. Der ein oder andere braucht einfach etwas länger, um frisch Gelerntes umzusetzen und muss Grundfahraufgaben zum Beispiel mehrmals üben. Viele seiner Fahrschüler seien auch besonders aufgeregt. Daher sei insgesamt das Zwischenmenschliche etwas mehr gefordert, so Müller, der seit Anfang an das Projekt unterstützt.

Fahrprüfungen sind für alle gleich

Vor- oder Nachteile bei der Fahrprüfung hat Nico Höfner durch seine Lernentwicklungsstörung aber nicht, betont Müller. Für jeden gelten die gleichen Regeln und Gesetze. Da viele der Werkstatt-Beschäftigten aber mit Lese- und Rechtschreibschwächen zu tun haben, haben sie die Möglichkeit, die Theorieprüfung mündlich abzulegen. Das sei aber ebenfalls für jeden anderen auch möglich, der Bedarf hat.

Finanziell unterstützt wird Nico Höfner und die anderen Fahrschüler durch die Werkstatt und Spenden. Anders wären die Kosten für viele Beschäftigte sonst nicht zu stemmen.

Ein Mann sitz am Steuer eines Autos.
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Die Diakoneo-Werkstatt in Rothenburg unterstützt Nico Höfner beim Lkw-Führerschein. Auch andere Beschäftigte sind nun trotz Handicap mobil.

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