Nachgehakt von Alfred Draxler: Erdogan und Özil in Berlin – wann fängt Zensur an?

Ex-DFB-Star Mesut Özil (m.) mit Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (r.) und dessen Frau Emine Erdogan (l.) beim EM-Viertelfinale zwischen der Türkei und Holland (1:2) auf der Ehrentribüne des Berliner Olympiastadions

Ex-DFB-Star Mesut Özil (m.) mit Türkei-Präsident Recep Tayyip Erdogan (r.) und dessen Frau Emine Erdogan (l.) beim EM-Viertelfinale zwischen der Türkei und Holland (1:2) auf der Ehrentribüne des Berliner Olympiastadions

Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Kein anderes Spiel bei der EM hatte eine solch politische Brisanz wie Türkei gegen Holland am Samstag in Berlin.

Nachdem der türkische Nationalspieler Merih Demiral für zwei Spiele gesperrt worden war, weil er nach dem Sieg gegen Österreich den Gruß der rechtsextremen türkischen Bewegung „Graue Wölfe“ gezeigt hatte, wurden in der Türkei und in Deutschland sogar gegenseitig die Botschafter einbestellt.

Ich war also nicht nur in sportlicher Hinsicht gespannt darauf, was im Olympiastadion wohl passieren wird. Ich schaltete meinen Fernseher ein. Und was bekam ich zu sehen? Praktisch nichts!

Der türkische Autokrat Recep Tayyip Erdogan wurde bei der Nationalhymne nicht gezeigt. Beim Spiel davor zwischen England und der Schweiz wurde der britische Thronfolger Prinz William dagegen in allen Posen und mit jeder Mimik präsentiert.

Dass Erdogan den deutschen Weltmeister Mesut Özil „im Gepäck“ hatte – auch davon keine Live-Bilder. Dass Özil bei einem deutschen Spiel war, davon ist mir nichts bekannt. Der Vorgang hatte also durchaus hohe Brisanz.

Und ob die türkischen Fans bei der Hymne erst recht den „Wolfsgruß“ zeigten, blieb auch im Dunkeln. Sie taten es zu Tausenden.

Interessanter NameWird ER nach der WM Nagelsmann-Nachfolger?

Quelle: BILD

Der Sender RTL erklärte auf BILD-Anfrage, das Weltbild, das alle Sender angeliefert bekommen, erfolgt durch die Uefa. Die behauptet, die Ehrentribüne mit Erdogan sei kurz nach der Hymne gezeigt worden. Dann aber so, dass die handelnden Personen allenfalls nur kleine Punkte waren.

Die Uefa muss sich spätestens seit dieser EM die Frage gefallen lassen, wann Zensur beginnt. Als wären wir Zuschauer kleine Kinder, denen man nicht alles zumuten kann.

Im Sport ist dies kein Einzelfall. Die Bundesliga-Spiele zum Beispiel werden von der Firma Sportcast, einer hundertprozentigen Tochter der Deutschen Fußball Liga (DFL) produziert. Eigentümer sind also die 36 Profi-Klubs selbst.

Unliebsame Dinge wie zum Beispiel Spruchbänder in den Fan-Kurven werden auch hier gern mal unterschlagen. Man kann auch sagen, unter den Teppich gekehrt.

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