Mietpreise vertreiben Einheimische und Personal: Wohnungs-SOS an der Ostsee

An der idyllischen Ostsee gibt es große Probleme

An der idyllischen Ostsee gibt es große Probleme

Foto: AdobeStock

Rostock – Wenn das Wohnen in der Heimat unbezahlbar wird …

Paul Schacht musste weit wegziehen, obwohl er Feuerwehrmann in Dierhagen ist: „Es gibt keine Wohnungen“

Paul Schacht musste weit wegziehen, obwohl er Feuerwehrmann in Dierhagen ist: „Es gibt keine Wohnungen“

Foto: RONALD SAWATZKI

Die mecklenburgische Ostseeküste und die Halbinsel Fischland-Darß-Zingst gehören zu den schönsten und begehrtesten Urlaubsregionen in Deutschland. Rund drei Millionen Urlauber zählte allein Fischland-Darß-Zingst 2023.

In Graal-Müritz, wo Franz Kafka seine letzte große Liebe fand, waren es 2023 knapp eine Million Übernachtungen. Das rund 4000 Einwohner zählende Ostseebad verzeichnet etwa 300 000 Übernachtungen jährlich durch private Vermieter.

Die Folgen des Booms bekommen Einheimische wie Paul Schacht immer mehr zu spüren. Der 18-Jährige musste seinen Heimatort, das Ostseebad Dierhagen, verlassen, weil er keine bezahlbare Wohnung fand. „Der Markt ist völlig leer gefegt“, sagt er. „Selbst für mich, obwohl ich eine für die Gemeinde wichtige Tätigkeit bei der Freiwilligen Feuerwehr habe.“

Für Bianca Greulich (54) und Enrico Marx (47) von „Malchens Café“ in Ahrenshoop ist die Krise längst Alltag

Für Bianca Greulich (54) und Enrico Marx (47) von „Malchens Café“ in Ahrenshoop ist die Krise längst Alltag

Foto: RONALD SAWATZKI

Mietangebote in Graal-Müritz auf Immowelt (gehört zu Axel Springer) finden.

Der Wohnungsmarkt an der Küste ist völlig leer gefegt

Ein paar Kilometer weiter im romantischen Ostseebad Ahrenshoop ist die Wohnungskrise längst Alltag. Bianca Greulich (54) und Enrico Marx (47) von „Malchens Café“: „Mitarbeiter finden in der Regel nur noch die, die über eigenen Wohnraum verfügen.“

Janet Joachim (43) und Anke Wehrmann (41) vom ASB in Graal-Müritz

Janet Joachim (43) und Anke Wehrmann (41) vom ASB in Graal-Müritz

Foto: RONALD SAWATZKI

Personalnot zeigt sich inzwischen in allen Küstenorten. Für Urlauber bedeutet dies weniger Komfort und reduzierte Dienstleistungen. „Sonntags in Prerow ein Stück Kuchen im Café zu bekommen, dürfte schwierig werden. Die Lokale haben dicht, kein Personal“, weiß Anke Wehrmann vom ASB-Zentrum für Mutter-Kind-Kuren in Graal-Müritz. Hier ist die Lage sogar für das Pflegeheim mittlerweile dramatisch.

Wehrmann: „Job-Interessenten bekommen wir praktisch aus ganz Deutschland, aber es gibt keine bezahlbaren Wohnungen. Die Eigentümer vermieten lieber befristet im Sommer als ganzjährig.“

„Wir sind dabei, zu versylten“

Tatsächlich ist der Anteil an Zweitwohnsitzen exorbitant hoch. Die Situation nehme Ausmaße an wie auf Sylt. „Wir sind voll dabei zu versylten“, sagt Handwerker Nicolai (42), ehemals Graal-Müritz, jetzt Rostock. „Wenn es im Winter dunkel wird und doch noch irgendwo Licht brennt, ruft man besser die Polizei.“

Heiß begehrt bei Urlaubern und Investoren, die Ostseebäder in MeckPomm, hier der Strand von Zingst

Heiß begehrt bei Urlaubern und Investoren, die Ostseebäder in MeckPomm, hier der Strand von Zingst

Foto: Jens Wolf/ZB/dpa/picture allianc

2000 Euro Kaltmiete für 90 Quadratmeter

An das Problem mit den vielen Ferienwohnungen traue man sich nicht heran. 2000 Euro kalt für 90 Quadratmeter sind nichts Besonderes in Graal-Müritz. Rettungssanitäter Torsten Martmer: „Der Markt gibt es her, das Geld ist da. Sie sehen ja die Autokennzeichen. Einheimische Normalverdiener haben nur eine Chance, wenn sie einen alten Mietvertrag haben. Oder die Eltern haben etwas vererbt.“

Dr. Benita Chelvier (CDU), Bürgermeisterin von Graal-Müritz in Mecklenburg-Vorpommern, bestätigt die Probleme, sieht sich aber auf einem guten Weg: „Eine Ausdehnung über die Grenzen der gegenwärtigen Bebauung ist kaum möglich.“

Die Gemeinde verfüge über 200 Wohnungen, die im Bestand bleiben sollten. Im Ort gebe es darüber hinaus punktuell Flächen, die sich für eine Entwicklung zur Wohnbebauung eignen würden. „Allerdings müssen dazu noch einige Rahmenbedingungen geschaffen werden.“

BILD Kaufberater: Hier gibt es die besten Produkte im Test!