Das ungewöhnlichste Politiker-Foto des Jahres: Hier umarmt Berlins Bürgermeister Junkie Nadja

Bürgermeister Wegner umarmt Nadja – sie ist 28 und drogensüchtig

Bürgermeister Wegner umarmt Nadja – sie ist 28 und drogensüchtig

Foto: Ralf Günther / BILD

Berlin – Es ist das wohl ungewöhnlichste Politiker-Foto des Jahres. Ein ehrliches Foto, auf dem Politik tatsächlich mal auf knallharte Wirklichkeit trifft. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (51, CDU) - unterwegs an einem der Drogen-Hotspots der Hauptstadt - umarmt einen Junkie : die erst 28 Jahre alte Nadja. Sie ist nur eine von vielen schwer Drogensüchtigen tagsüber auf dem Berliner Leopoldplatz im Bezirk Wedding.

Nadja ist klein, trägt ein schwarzes Basecap und ein rotes T-Shirt. Sie kommt aus Frankfurt/Main, ist seit drei Jahren abhängig. Sie hat die Schule abgebrochen, hat keine Ausbildung. In der einen Hand hält sie eine Zigarette. In der anderen einen Salatkopf. Sie zupft sich immer wieder ein Blatt davon ab und stopft es in ihren Mund. Wegner nimmt sie unvermittelt in den Arm. Sie sagt: „Danke, lieber Bürgermeister, dass Sie mich akzeptieren, wie ich bin. Heutzutage sind wir für alle nur Dreck und Kriminelle.“

Der Regierende Kai Wegner (51, CDU) geht zu den Crack-Süchtigen, die auf dem Leopoldplatz leben

Der Regierende Kai Wegner (51, CDU) geht zu den Crack-Süchtigen, die auf dem Leopoldplatz leben

Foto: Ralf Günther / BILD

Ein paar Meter weiter, hinter einer Kirche am Leopoldplatz stehen, sitzen, hocken insgesamt 28 Junkies neben einer Ausgabestelle von sauberen Spritzen. Daneben steht neuerdings ein weißes Drogenmobil zum ungestörten Konsum.

Niko (33) ist barfuß, lehnt auf dem Boden an einem Ahorn-Baum. Gelernter Koch, seit 13 Jahren abhängig. „Früher hab ich nur gespritzt, jetzt ist es ganz, ganz schlimm“, sagt er zu Wegner. Dabei hat er seine Crackpfeife offen in der Hand.

Berlins Regierender Bürgermeister im Gespräch mit Junkies, die sich längst aufgegeben haben. Es sind erschütternde Dialoge.

Junkies auf den Stufen zur Kirche. Der Bezirk Mitte erhofft sich für das von einer umstrittenen brasilianischen Freikirche gemietete Gotteshaus eher eine kulturelle Nutzung

Junkies auf den Stufen zur Kirche. Der Bezirk Mitte erhofft sich für das von einer umstrittenen brasilianischen Freikirche gemietete Gotteshaus eher eine kulturelle Nutzung

Foto: Ralf Günther / BILD

„Das ist kein Vorwurf, aber schon mal versucht, davon wegzukommen?“, fragt Wegner.

Der Süchtige: „Wofür das Ganze?“

Wegner: „Um länger zu leben.“

Nico: „Die Wirkung ist sehr angenehm! Welcher Mensch will nicht glücklich sein?“

Wegner: „Aber dann ist es die Hölle!“

Der Süchtige: „Ich sehe in Ihren Augen Traurigkeit, dass ich mein Leben hinschmeiße. Aber ich will Sie nicht anlügen. Hier in Berlin lauert der Rückfall an jeder Ecke.“

Wegner: „Sie sind so stark. Ich mein‘ das ganz ernst. Ich wünsche Ihnen die Kraft, es zu schaffen.“

Bürgermeister will auch stärker auf Repression setzen

Der Berliner Bezirk Mitte will jetzt eine Studie über Crack-Süchtige in Auftrag geben. „Wir wissen viel zu wenig über sie. Sie müssen ganz schnell hintereinander konsumieren, alle 15 Minuten. Das Zeitfenster, mit ihnen etwas machen zu können, ist deshalb sehr klein“, sagt Gesundheitsstadtrat Christoph Keller (38, Linke).

Ex-Koch Niko (33) führte mit Wegner einen bewegenden Dialog

Ex-Koch Niko (33) führte mit Wegner einen bewegenden Dialog

Foto: Ralf Günther / BILD

Für die Anwohner und Spielplatzbesucher ist die Situation schwierig. Wegner zu BILD: „Die Situation ist nicht akzeptabel. Wir müssen handeln und auch stärker auf Repression setzen – wenn der Bezirk dafür ist, gegebenenfalls auch Videoüberwachung einsetzen.“

Ein Oberkommissar (58), seit 2004 hier Kontaktbereichsbeamter, erzählt BILD: „Es ist purer Stress, jeden Tag was anderes. Nach der Fußball-EM soll es eine neue Strategie geben. Früher hat man sich nur um die Händler gekümmert, jetzt will man auch an die Konsumenten.“ Ein Teil hat sich ohnehin schon verzogen – auf die Grünfläche vor dem Finanzamt.

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