Schräge Kampagne: Sachsen-SPD klaut CDU-Kretschmer für den Wahlkampf

Kampagnen-Erfinder machte PR für Merkel und Scholz

Sachsens SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping wirbt mit CDU-Kontrahent Michael Kretschmer

Sachsens SPD-Spitzenkandidatin Petra Köpping wirbt mit CDU-Kontrahent Michael Kretschmer

Foto: Dirk Sukow

Politisches Harakiri oder genialer PR-Coup – das ist hier die Frage! Die SPD in Sachsen wirbt mit der Konkurrenz und lobt sie sogar.

Prognosen sehen die SPD im Freistaat aktuell zwischen 5 und 7 Prozent. Ein Wert nahe der politischen Todeszone. Die stolze Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt droht aus dem Parlament zu fliegen. Für die sächsischen Sozialdemokraten geht es bei der Landtagswahl am 1. September um viel.

Und offenbar setzen die Sachsen-Sozis nun auch alles auf eine Karte und überraschen mit einem skurrilen Wahlkampfplakat.

Darauf zu sehen: Sachsens CDU (!)-Chef und Ministerpräsident Michael Kretschmer (49) und SPD-Spitzenkandidatin und Gesundheitsministerin Petra Köpping (65). Dazu der etwas holprige Schüttelreim (falsches Versmaß!): „Hinter dem Erfolg von diesem Mann steckt eine starke Frau, die es kann.“

Hä, wie bitte? Die Sachsen-SPD plakatiert ein Foto vom direkten Rivalen im Wahlkampf?

Kein Witz! „Wahlkampf mit Augenzwinkern“ nennt es Parteichef und Wahlkampfmanager Henning Homann (44) und versucht es so zu erklären: „Eine gute Führung für den Freistaat Sachsen kann nie eine One-Man-Show sein. Sondern das, was es braucht, ist eine starke Frau, die auch, wenn es schwierig wird, den Job macht.“ Aha.

Wahlkampf mit Augenzwinkern: SPD-Chef Henning Homann, Spitzenkandidatin Petra Köpping

Wahlkampf mit Augenzwinkern: SPD-Chef Henning Homann, Spitzenkandidatin Petra Köpping

Foto: Dirk Sukow

Die Plakatidee – mindestens mutig. Ist doch auf dem Poster nicht nur Konkurrent Kretschmer zu sehen, sondern direkt darunter steht auch das Wort „Erfolg“. Dass die Idee beim Wähler zündet, Kretschmers vermeintlicher Erfolg sei ja eigentlich Köppings Verdienst, dürfte wenigstens optimistisch sein. Oder?

Denn für Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Lutz Hagen von der TU Dresden ist das Plakat der SPD ein cleverer Move.

„Auf alle Fälle wird das Plakat seinen Zweck erfüllen und für Aufmerksamkeit und Gespräche sorgen“, so der Experte. Es sei ungewöhnlich, denn es werde nicht nur der politische Konkurrent im Werbemittel huckepack genommen.

Für den Professor aus Dresden also eine runde Sache. Agenturchef Ralf Sippel (56, Zebra Public Chemnitz) dagegen sieht die Kampagne kritisch.

„Frau Köpping vereinnahmt öffentlich die Erfolge ihres Chefs – das ist im echten Leben ein klarer Karrierekiller, das würde sich wohl kein Wähler trauen“, so Sippels Urteil. Gegenüber der CDU findet der PR-Profi und Agenturchef die Kampagne sogar „übergriffig“.

Pro und Contra also. Verantwortlich für den SPD-Werbecoup in Sachsen ist ein echter PR-Guru!

Raphael Brinkert von der Agentur BrinkertLück Creatives. Der 46-Jährige gilt als einer von Deutschlands Top-Werbern, war früher CDU-Mitglied und verantwortete u.a. 2019 den Europawahlkampf für Angela Merkel und die CDU. 2021 wechselte er dann die Seiten, leitete den Bundestagswahlkampf von Olaf Scholz.

Entwickelte die SPD-Kampagne: PR-Guru Raphael Brinkert

Entwickelte die SPD-Kampagne: PR-Guru Raphael Brinkert

Foto: picture alliance/dpa

Die Köpping-Kampagne jetzt ist total auf Spitzenkandidatin Köpping zugeschnitten. Sie sei „Die Richtige für Sachsen“, so der Slogan. Gesundheitspolitik, Wirtschaft (Handwerk und Mittelstand), 15 Euro Mindestlohn, Bildung (mehr Lehrer), Familie (bezahlbare Wohnungen) und „eine stabile Regierung ohne die AfD“ die Kernthemen.

Unterstützung aus Berlin soll es auch geben. So plant die SPD ihren Wahlkampfauftakt am 19. Juli in Dresden und den Abschluss am 30. August mit Bundeskanzler Olaf Scholz.

Das Kretschmer-Köpping-Poster dagegen werde nur an ausgewählten Stellen, „dafür aber besonders groß“ u.a. in Leipzig und Dresden zu sehen sein, verspricht Parteichef Henning Homann.

Die Sachsen-CDU ihrerseits hat übrigens schon reagiert – zeitgemäß via Social Media und ziemlich souverän ...

An dieser Stelle findest du Inhalte aus Twitter
Um mit Inhalten aus Twitter und anderen sozialen Netzwerken zu interagieren oder diese darzustellen, brauchen wir deine Zustimmung.
Hat der Artikel nicht gehalten, was er versprochen hat? Haben Sie Fehler gefunden? Jetzt melden.