Trotz EU-Sanktionen: Was macht der Jet von „Putins Koch“ in Berlin?

Sanktionierter Putin-Scherge lässt Zwei-Millionen-Jet in Berlin überholen

Die Maschine von Jewgeni Prigoschin vor dem Hangar der Beechcraft Berlin Aviation am Flughafen BER

Die Maschine von Jewgeni Prigoschin vor dem Hangar der Beechcraft Berlin Aviation am Flughafen BER

Foto: Ufuk Ucta, picture alliance/AP Photo
Von: Julian Röpcke

Einst nannten sie ihn „Putins Koch“. Heute ist Jewgeni Prigoschin (60) nicht nur einer der engsten Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin (68). Er ist auch verantwortlich für die schmutzigsten Jobs des Kreml – im In- und Ausland.

Der Mann steht auf der Sanktionsliste der Vereinigten Staaten. Und auch auf der der Europäischen Union. Bedeutet: Er darf die EU nicht mehr betreten. Seine „Vermögenswerte“ innerhalb der Union werden blockiert.

Doch BILD-Recherchen belegen nun: Sein zwei Millionen Euro teurer Business-Jet wird ausgerechnet in Berlin gewartet und überholt – ungeachtet aller Sanktionen.

Der Mann hinter Putins Privatarmee

Jewgeni Prigoschin, der Schwerverbrecher aus Sankt Petersburg (neun Jahre hinter Gittern, u.a. wegen Raubüberfall und Prostitution Minderjähriger), ist einer der wichtigsten Hintermänner von Putins Privatarmee, der „Wagner Gruppe“. In dieser Funktion ist der Mann in zahlreiche schwere Verstöße gegen UN-Resolutionen verwickelt.

Zudem wird ihm der Mordauftrag an drei russischen Journalisten in der Zentralafrikanischen Republik zur Last gelegt. Und er gilt als Betreiber der „Internet Research Agency“, einer „Troll-Fabrik“ für Propaganda- und Einfluss-Operationen gegen den Westen.

So war er einer der Schlüsselmänner der russischen Wahlbeeinflussung der US-Präsidentschaftswahl im Jahr 2016 und wird vom FBI gesucht (Belohnung: 250 000 US-Dollar).

Jewgeni Prigoschin im August 2016 in Sankt Petersburg, während er ein Treffen zwischen den Autokraten Putin und Erdogan organisiert

Jewgeni Prigoschin im August 2016 in Sankt Petersburg, während er ein Treffen zwischen den Autokraten Putin und Erdogan organisiert

Foto: picture alliance/AP Photo

Bekannt geworden ist Prigoschin als „Putins Koch“, weil ihm vor einigen Jahren ein Luxus-Restaurant in Sankt Petersburg gehörte, in dem Putin gern aß und er später auch den Kreml mit Speisen versorgte.

Nachdem Hunderte Kinder 2011 von Prigoschins (links) Schulspeisungen Durchfall bekamen, bewirtet der Chef des Catering-Unternehmens seinen staatlichen Auftraggeber außerhalb Moskaus persönlich ...

Nachdem Hunderte Kinder 2011 von Prigoschins (links) Schulspeisungen Durchfall bekamen, bewirtet der Chef des Catering-Unternehmens seinen staatlichen Auftraggeber außerhalb Moskaus persönlich ...

Foto: picture alliance/AP Photo

Sein Flugzeug steht in Berlin

Seit dem 15. Oktober 2020 steht Jewgeni Prigoschin neben der US-Sanktionsliste auch auf der der Europäischen Union. Dies bedeutet, dass er die EU nicht mehr betreten darf und seine „Vermögenswerte“ innerhalb der Union blockiert werden.

Doch nach BILD-Recherchen bewegte sich einer seiner Vermögenswerte – ein zwei Millionen Euro teurer Business-Jet – zwei Wochen nach Inkrafttreten der Sanktionen von Sankt Petersburg ausgerechnet in die Bundeshauptstadt Berlin, um hier wie bereits andere Flugzeuge von Prigoschin zuvor, gewartet und überholt zu werden.

Bis heute(!) befindet sich die Maschine vom Typ Hawker 800XP vor dem Hangar der beauftragten Firma „Beechcraft Berlin Aviation“ am Flughafen BER, wie BILD-Recherchen zeigen.

Am 16. Juni 2021 machte ein BILD-Reporter dieses Foto der betreffenden Maschine vor dem Hangar der Beechcraft Berlin Aviation am Flughafen BER

Am 16. Juni 2021 machte ein BILD-Reporter dieses Foto der betreffenden Maschine vor dem Hangar der „Beechcraft Berlin Aviation“ am Flughafen BER

Foto: Ufuk Ucta

Gefährlicher Passagier

Dabei kam das Flugzeug am 30. Oktober 2020 nicht allein nach Deutschland, sondern hatte sowohl eine Besatzung, die schon seit Jahren für den russischen Milliardär flog, als auch einen extrem zwielichtigen Passagier an Bord.

VIP-Passagier Artem Stepanov leitet mehrere Scheinfirmen von Putin-Freund Prigoschin, die allein dazu geschaffen wurden, die Sanktionen gegen Prigoschin zu umgehen. Darum steht Stepanov seit April 2021 selbst auf der Sanktionsliste des US-Finanzministeriums.

Und auch das Flugzeug selbst ist eine einzige Tarn-Institution, um Prigoschins wahre Absichten zu verschleiern.

Nach BILD-Recherchen kaufte Prigoschin die Maschine im Dezember 2019 über eine Tarnfirma in Litauen. Registrieren ließ er das Flugzeug in San Marino, einem Zwergstaat in Italien, der nicht einmal einen eigenen Flughafen hat. Laut Experten ist das Flugzeug in Sankt Petersburg beheimatet und gehört einer Firma namens „Clubgroup Ltd.“. Doch hier endet die Spur, da eine solche Firma laut russischem Handelsregister nicht existiert.

Und Prigoschin hat guten Grund dazu, den Besitzstatus seines Flugzeugs zu verheimlichen. Bis Februar 2019 besaß eine weitere Tarnfirma von Putins hybridem Krieger eine baugleiche Hawker 800XP mit der Registrierung M-VITO. Auch dieses Flugzeug wurde in Berlin gewartet.

Die Maschine war für Prigoschin vor allem in Syrien, Libyen und acht weiteren afrikanischen Ländern unterwegs. Alles Orte, an denen die Privatarmee „Wagner“ im Auftrag der russischen Führung Destabilisierungsoperationen gegen die lokalen Regierungen ausführt oder den Russland freundlichen Regimen bei der Ausbeutung von Rohstoffen und der lokalen Bevölkerung hilft.

Mittlerweile wurde die Maschine von den USA als „geblocktes Eigentum“ gelistet, dem weder Ersatzteile noch Landerechte gewährt werden dürfen. Wohl ein Grund, warum Prigoschin sich Ende 2019 über eine andere Tarnfirma eine neue Maschine baugleichen Typs besorgte. Nur Handlanger Stepanov betraute er auch mit der Instandhaltung des neuen Flugzeugs. Ein Fehler, der internationalen Ermittlern sofort auffiel.

BILD fragte das für die nationale Umsetzung der EU-Sanktionen zuständige Bundeswirtschaftsministerium an, wie es sein könne, das Prigoschins Maschine unbehelligt in Deutschland stehen kann und ob man vorhabe, sie im Rahmen der Umsetzung der EU-Sanktionen zu beschlagnahmen.

Seit dem 30. Oktober 2020 steht die Maschine von „Putins Koch“ bereits in Berlin

Seit dem 30. Oktober 2020 steht die Maschine von „Putins Koch“ bereits in Berlin

Foto: Ufuk Ucta

Ein Sprecher wollte gegenüber BILD nicht auf den konkreten Fall eingehen. Generell gelte aber, dass „Vermögensgegenstände, die im Eigentum oder unter der Kontrolle sanktionierter Personen stehen“, eingefroren seien. Der Sprecher weiter: „Das Verfügungsverbot bezieht sich auf sämtliche Gegenstände, d.h. sowohl bewegliche als auch unbewegliche.“

Demnach müsste Prigoschins „Hawker“-Jet von den Sanktionen betroffen sein. Ob er das auch ist, ließ der Sprecher gegenüber BILD offen.

Die für Prigoschins Tarnfirma arbeitende „Beechcraft Berlin Aviation“ wollte sich auf BILD-Anfrage nicht zu dem heiklen Kunden und dem seit acht Monaten vor ihrem Hangar stehenden Business-Jet äußern. Eine schriftliche Anfrage ließ das Unternehmen unbeantwortet.

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