Alles oder Nichts-Abstimmung: Von der Leyen droht nächste Woche Karriere-Aus

Nato-Gipfel geschwänzt +++ Am 18. Juli, 13 Uhr, geht es für sie um alles

Bekommt sie die Mehrheit für eine zweite Amtszeit zusammen? Wahlsiegerin Ursula von der Leyen (65, CDU) mit EVP-Chef Manfred Weber (51, CSU) in der Wahlnacht in Brüssel

Bekommt sie die Mehrheit für eine zweite Amtszeit zusammen? Wahlsiegerin Ursula von der Leyen (65, CDU) mit EVP-Chef Manfred Weber (51, CSU) in der Wahlnacht in Brüssel

Foto: JOHN THYS/AFP

Alles oder nichts!

Am Donnerstag, 13 Uhr, schlägt in Straßburg die Stunde von Ursula von der Leyen (65, CDU). Dann liegt das politische Schicksal der EU-Kommissionschefin in den Händen der 720 Europa-Abgeordneten. Sie stimmen darüber ab, ob die Deutsche – wie nach der gewonnenen Europawahl von den 27 EU-Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen – weitere fünf Jahre im Amt bleibt.

Das Vertrackte: Die Wahl ist geheim und es gibt nur einen einzigen Wahlgang. Steht die Mehrheit von 361 Stimmen NICHT, ist von der Leyens Brüssel-Karriere, die sie der Unterstützung von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verdankt, zu Ende.

Dann kann sie die Umzugskartons bestellen.

Mehrheit steht bislang nur auf dem Papier

Es wird spannend wie ein Tatort-Krimi: Zwar verfügt von der Leyen durch die Koalition der Konservativen mit Liberalen und Sozialdemokraten über exakt 400 Unterstützer. Aber nur auf dem Papier. Es gibt keinen Fraktionszwang, zehn Prozent Abweichler sind auf EU-Ebene normal – und 20 können es auch werden.

Bedeutet: Von der Leyen muss auch außerhalb ihrer Komfortzone um Stimmen werben. Dafür hat die Niedersächsin, die eine Zeit lang sogar als Nato-Chefin im Gespräch war, den wichtigen Gipfel in Washington sausen lassen. Stattdessen spricht sie mit den Fraktionen, mit einzelnen Abgeordneten. Verspricht das eine oder andere.

Zuletzt waren die Grünen dran. Die freuten sich zwar, dass von der Leyen sich zum „Green Deal“ bekannte, zur Fortführung des Kampfs gegen den Klimawandel. Beklagten aber gleichzeitig zu viele „Hintertüren“, die sich die EU-Chefin offenhalte. Etwa beim Verbrenner-Aus.

Umstrittene Kooperation: Ursula von der Leyen mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni von den rechten „Fratelli d‘Italia“

Umstrittene Kooperation: Ursula von der Leyen mit Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni von den rechten „Fratelli d‘Italia“

Foto: Polaris/laif

Nur: Was sollte sie sonst tun? Von der Leyen weiß, dass die Grünen niemals geeint für sie stimmen werden. Sie flirtet deshalb auch mit Parteien rechts ihrer Europäischen Volkspartei – mit Teilen der EKR-Fraktion unter Führung von Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni. Das nehmen ihr Grüne und Sozialdemokraten wiederum übel. Ein wenig ist es wie mit einer zu kurzen Bettdecke: Egal, wohin man sie zieht - auf der anderen Seite wird es kalt.

Dennoch spricht viel für die Wahl von der Leyens:

▶ ︎EVP-Chef Manfred Weber (51, CSU) ist es offenbar gelungen, von der Leyens Kritiker im eigenen Lager auf Linie zu bringen. Von 90 bis 95 Prozent Zustimmung ist die Rede. Bei CDU-Parteitagen hatte die polarisierende von der Leyen meist schwache Ergebnisse um 70 Prozent.

Die Liberalen wissen genau, dass sie bei einer Schlappe von der Leyens auch ihre eigene Top-Frau, die Estin Kaja Kallas (47) abschießen würden, die EU-Außenbeauftragte werden soll. Außerdem winken weitere Posten. Die stramme von-der-Leyen-Kritikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (66) greift z.B. nach dem den Vorsitz eines möglichen EU-Verteidigungsausschusses.

▶ Die Sozialdemokraten haben bereits ihren Wunschkandidaten, Portugals Ex-Premier António Costa (62) durchgesetzt. Aus Deutschland und Spanien gibt es jetzt die Erwartung, von der Leyen im nationalen Interesse mitzuwählen. Der neue Star der Sozialisten, Italiens Elly Schlein (39, PD), riskiert ihre Glaubwürdigkeit, wenn sie ihre Abgeordneten ausgerechnet mit dem notorischen Putin-Schleimer Matteo Salvini von der rechten „Lega“ stimmen lässt.

Und wirklich alle im demokratischen Lager wissen: Wenn dieser eine Wahlgang schiefgeht, schlittert die EU führungslos in die Krise.

Daniel Caspary (48), Chef der CDU/CSU-Gruppe im EU-Parlament, sieht dies mit Blick auf die Weltlage als großes Risiko, sagt zu BILD: „Am 18. Juli müssen sich die Demokraten freuen können und nicht Putin, Orban, die AfD und ihre Freunde.“

Auch diejenigen, die „sich im Europawahlkampf gegen Ursula von der Leyen profiliert haben“, sollten sich ihrer Verantwortung bewusst werden: „Sollte Ursula von der Leyen scheitern, dann tragen sie die Verantwortung für Chaos in Europa.“

Hat der Artikel nicht gehalten, was er versprochen hat? Haben Sie Fehler gefunden? Jetzt melden.