Kultur und politische Korrektheit: Darf man heute noch über Apfelkuchen-Sex und „Stiflers Mom“ lachen?

Im Juli vor 25 Jahren kam „American Pie“ in die Kinos

Eine der Szenen, an die sich alle Zuschauer von „American Pie“ erinnern: „Jims Dad“ (Eugene Levy) und Jim (Jason Biggs) schweigen sich nach dem „Apfelkuchen-Vorfall“ peinlich berührt an

Eine der Szenen, an die sich alle Zuschauer von „American Pie“ erinnern: „Jims Dad“ (Eugene Levy) und Jim (Jason Biggs) schweigen sich nach dem „Apfelkuchen-Vorfall“ peinlich berührt an

Foto: picture alliance/United Archives

Vier Jungs und jede Menge Probleme untenrum: Die Sex-Komödie „American Pie“ prägte eine ganze Generation. Heute sind einige Szenen schwer auszuhalten – und doch erinnert man sich an sie. Ist Milde notwendig?

Der Apfelkuchen. Die Flöte, „dieses eine Mal“ im Ferienlager. Und natürlich: „Stiflers Mom“ …

Einer der Filme des Jahres im Jahr 1999: „American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen“ spielte an den Kinokassen fast 250 Millionen Dollar ein

Einer der Filme des Jahres im Jahr 1999: „American Pie – Wie ein heißer Apfelkuchen“ spielte an den Kinokassen fast 250 Millionen Dollar ein

Foto: ddp

Wer nach Lektüre dieser Begriffe zugeben muss, dass ihm Bilder ins Bewusstsein rutschen, die er lange vergessen glaubte, der war vor 25 Jahren wohl jung oder zumindest noch nicht ganz so alt. 1999, im Juli vor einem Vierteljahrhundert, lief „American Pie“ in den US-Kinos an. Es ist einer dieser Filme, den irgendwann jeder auf dem Schulhof gesehen hatte.

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Erinnerungswürdig ist das, weil man supererfolgreichen Filmen, die sich an ein Publikum wenden, das gerade dabei ist erwachsen zu werden, einen gewissen Einfluss auf eben jenes Erwachsenwerden zusprechen kann.

Und weil man sich als jemand, der damals dabei war, heute fragt: Wie konnte ich das sooo witzig finden? Und wie viel von „American Pie“ steckt noch in mir?

Der ungebrochene Fan ergänzt an dieser Stelle: „Hihi, steckt …!“

Denn in „American Pie“ ging es um Sex. Die damals noch relativ unbekannten Paul (58) und Chris Weitz (54, Regisseur und Produzent) zeigten vier Jungs an der Highschool, die unbedingt mit Frauen schlafen wollen und einen großen Schmerz verspüren, weil dies noch nicht passiert ist. „Wir landen alle noch unberührt auf dem College, ist euch das klar?!?“, gibt sich Jim (Jason Biggs, 46) bei seinen Freunden alarmistisch.

Der Jungs-Trupp schließt daher einen Pakt: Bis zum Abschlussball muss es passiert sein.

„American Pie“ war ein Ereignis

Die Plot klingt gar nicht mal so revolutionär und wurde auch entsprechend verrissen („Billig gedrehte Teenager-Komödie mit krassem Fäkal- und Masturbationshumor“) – aber der Film war anders als vieles, was man kannte. „American Pie“ sticht aus dem Sumpf der zahlreichen „Jungs-entdecken-ihren-Penis“-Filme hervor.

Finch (l., Eddie Kaye Thomas) ist eigentlich ein Verlierer, wird an der Schule gemobbt. Doch dann erlebt er doch noch sein großes Abenteuer mit „Stiflers Mom“ (Jennifer Coolidge)

Finch (l., Eddie Kaye Thomas) ist eigentlich ein Verlierer, wird an der Schule gemobbt. Doch dann erlebt er doch noch sein großes Abenteuer mit „Stiflers Mom“ (Jennifer Coolidge)

Foto: Getty Images

„Ich war zu dieser Zeit nach Amerika gereist und hatte einen Freund gefragt, was ich mir auf jeden Fall mal anschauen sollte“, erinnert sich Joachim Friedmann (57), Professor für Serial Storytelling an der Internationalen Filmschule Köln ifs. „Und der sagte: ˛American Pie’, das sei die Sensation gerade.“

Zum Fremdschämen: Jims Vater will nach einer Solo-In-flagranti-Situation den Sohn aufklären

Zum Fremdschämen: Jims Vater will nach einer Solo-In-flagranti-Situation den Sohn aufklären

Foto: picture alliance/United Archives

Rein handwerklich betrachtet sei der Film auch heute noch sehr gut, so der Professor. „Aus meiner Sicht war es eine der ersten Teenie-Komödien, die eine Multiperspektive eingenommen hat“, so Friedmann. Jeder im Freundeskreis hatte seinen eigenen Erzählstrang und seine eigenen Probleme. „Das ist sehr dominant. So dominant wie wir es heute aus Serien kennen.“ Hinzu kam der Sex. „Der Sex war derartig explizit, dass es nicht nur für Teenager faszinierend war“, so der Experte. „So etwas hatte man in einer Komödie noch nicht gesehen.“

Und im Sexualkunde-Unterricht mit dem Bio-Lehrer auch nicht.

Der arme Apfelkuchen

Bei den Kopulationsbemühungen der Jungs-Clique reihte sich zudem extreme Peinlichkeit an extreme Peinlichkeit. Manchmal transportierte der Film dabei seltsame Botschaften. Etwa, dass ein vorzeitiger Samenerguss das Schlimmste ist, was im Leben drohen kann. Manchmal wurden durch seine Grellheit aber auch all die Mikro-Verletzungen greifbarer, die man in der Pubertät durchlebt. Besonders hart trifft es im Film stets Jim, der von seinem Vater dabei überrascht wird, wie er den titelgebenden Apfelkuchen sexuell zweckentfremdet.

Eine Karriere, basierend auf einem Apfelkuchen: Jason Biggs nimmt es Jahre später noch mit Humor, wie hier 2012 bei der Berlin-Premiere der Fortsetzung. Insgesamt spielten die vier Filme rund eine Milliarde Dollar weltweit ein

Eine Karriere, basierend auf einem Apfelkuchen: Jason Biggs nimmt es Jahre später noch mit Humor, wie hier 2012 bei der Berlin-Premiere der Fortsetzung. Insgesamt spielten die vier Filme rund eine Milliarde Dollar weltweit ein

Foto: Jens Kalaene/dpa

Die Antworten und Rollenbilder, die der Film seinem mutmaßlich sexuell noch mäandernden Teenager-Publikum präsentierte, wirken 25 Jahre und einige kluge Debatten später dennoch befremdlich. Die Austauschschülerin heimlich und ungefragt beim Umziehen filmen? Das halten im Film fast alle sofort für eine Spitzenidee („Alles, was du brauchst, ist eine Mikro-Kamera. Die koppelst du ans Internet an und sagst mir die Adresse!“).

Jason Biggs von „American Pie“„Mein Penis braucht keinen Stuntman!“

Quelle: Bild.de

Heimliche Kultfigur des Films? Stifler (Seann William Scott, 47), der selten fragt, sondern oft eher macht. Toxische Männlichkeit und was sie bedeutet, war damals noch nichts, über das man sich groß Gedanken machte. Die Frauenfiguren sind eher flach gezeichnet. Entweder als mystische Heilige oder als verschrobene Phantome.

Dritter Teil der Reihe: 2003 wird bei den „American Pie“-Stars geheiratet. Seann William Scott (r.), Jason Biggs und Alyson Hannigan stehen dabei aber vor neuen Problemen

Dritter Teil der Reihe: 2003 wird bei den „American Pie“-Stars geheiratet. Seann William Scott (r.), Jason Biggs und Alyson Hannigan stehen dabei aber vor neuen Problemen

Foto: mauritius images / Collection Christophel

Die Rache der Film-Geschichte

„Das heteronormative, männliche, weiße Weltbild, das da drinsteckt: Das würde man heute auch nicht mehr so machen“, sagt Film-Professor Friedmann. Wobei er auch sagt: „Die männlichen Figuren werden in dem Film alle bestraft, für das, was sie sexuell und emotional falsch machen.“ Selbst Stifler, der irgendwann seine Mutter („Stiflers Mom“, Jennifer Coolidge, 62) ausgerechnet mit jenem Typen antrifft, den er vorher gemobbt hatte.

Übrigens: Von den Darstellern machten danach nicht die Männer, sondern vor allem die Frauen Karriere. Etwa Alyson Hannigan (50, „How I Met Your Mother“) und Jennifer Coolidge („The White Lotus“).

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