So lief der erste BILD-Herzgipfel : „In 15 Jahren darf der Herzinfarkt keine Volkskrankheit mehr sein“

Mehr als 100 Top-Experten aus Medizin, Forschung und Politik diskutierten im Axel-Springer-Hochhaus über Herzgesundheit

Beim großen BILD-Herzgipfel: BILD-CEO Claudius Senst, Sarah Majorczyk (Mitglied BILD-Chefredaktion), Heinrich Moisa (Novartis), Prof. Ulf Landmesser (Charité Berlin), Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, Friede Springer, Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner und Michael May (Bristol Myers Squibb)

Beim großen BILD-Herzgipfel: BILD-CEO Claudius Senst, Sarah Majorczyk (Mitglied BILD-Chefredaktion), Heinrich Moisa (Novartis), Prof. Ulf Landmesser (Charité Berlin), Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach, Friede Springer, Axel-Springer-Vorstand Mathias Döpfner und Michael May (Bristol Myers Squibb)

Foto: NIELS STARNICK / BILD

Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind in Deutschland immer noch die Todesursache Nummer eins! Dabei könnte mindestens jeder zweite Tote verhindert werden.

Denn beim ersten BILD-Herzgipfel im Berliner Axel-Springer-Hochhaus waren sich die Experten am 18. April einig: Prävention könnte Leben retten.

Prof. Ulf Landmesser, Direktor der Klinik für Kardiologie des Deutschen Herzzentrums der Charité und wissenschaftlicher Leiter des BILD-Herzgipfels forderte deshalb: „In 15 Jahren darf der Herzinfarkt keine Volkskrankheit mehr sein!“

Um dieses Ziel zu erreichen, braucht es mehr Prävention und Früherkennung. „Studien zeigen, dass in Deutschland im Vergleich zum westeuropäischen Ausland deutlich mehr Menschen an Herz-Erkrankungen sterben“, so Prof. Landmesser.

Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (61, SPD) sagte beim BILD-Herzgipfel, dass wir in der Prävention in den vergangenen Jahren Gelegenheiten verpasst hätten: „Wenn man alle Risikofaktoren behandeln würde, ließ sich die Sterblichkeit an Herzinfarkten um 90 Prozent senken!“ Vergleich: bei Krebs sind es 40 Prozent, bei Demenz nur 20.

Am Abend wurde das Axel Springer-Hochhaus in Berlin mit einem pulsierenden Herz illuminiert. BILD-CEO Claudius Senst: „Das zeigt, wie sehr uns das Thema am Herzen liegt“

Am Abend wurde das Axel Springer-Hochhaus in Berlin mit einem pulsierenden Herz illuminiert. BILD-CEO Claudius Senst: „Das zeigt, wie sehr uns das Thema am Herzen liegt“

Foto: NIELS STARNICK / BILD

Der Minister betonte auch noch einmal, dass er die Digitalisierung und den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) stärken will: „KI bietet eine Autobahn zu neuen medizinischen Erkenntnissen.“ Außerdem will er die Zulassung von Studien beschleunigen. Mit dem neuen Herz-Gesetz will Prof. Lauterbach nun dafür sorgen, dass schon im Kindesalter Risikofaktoren identifiziert werden (BILD berichtete).

Prof. Landmesser betonte: „Jeder muss seine Risikofaktoren kennen.“ Denn: Die meisten Herzkrankheiten sind dank neuer Therapien heute gut behandelbar.

So lief der BILD-Herzgipfel

Prof. Stefan Blankenberg (Ärztlicher Leiter des UHZ am UKE Hamburg, Direktor der Klinik für Kardiologie im UHZ) sagte, die wenigsten Menschen hätten – im Vergleich zu Krebs oder Demenz – Angst vor Herzerkrankungen: „Wir müssen mehr Bewusstsein dafür schaffen, dann sind 50 Prozent der Herzerkrankungen verhinderbar.“

„Wenn wir die Prävention richtig machen, können 80 Prozent der Todesfälle durch Herzkranzgefäßprobleme verhindert werden“, ergänzt Prof. Thomas Voigtländer (Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung) in der Diskussionsrunde zum aktuellen Stand der Prävention in Deutschland.

Besonders wichtig sei dabei die Verzahnung zwischen Haus- und Fachärzten, sagt Dr. Jana Boer (Stellvertretende Bundesvorsitzende des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen e. V.). Die Kardiologin bekräftigt, die Netzwerkbildung sei essenziell, um Prävention zu fördern.

Prof. Ulf Landmesser sagt, mit mehr Prävention wäre die Hälfte aller Herzinfarkte vermeidbar

Prof. Ulf Landmesser sagt, mit mehr Prävention wäre die Hälfte aller Herzinfarkte vermeidbar

Foto: Ralf Guenther / Bild

Individuell auf Patienten und ihr Herz-Risiko reagieren

Ein Teil der Prävention kann laut Dr. Veronika Sanin, Deutsches Herzzentrum München, bereits im Kindesalter starten. Sie präsentiert die Ergebnisse Ihrer Vroni-Studie, die sich mit Hypercholesterinämie befasst. Das ist die häufigste angeborene Stoffwechselstörung und führt häufig zu Herzinfarkten im jungen Alter. „Die Patienten verlieren im Schnitt 15 bis 21 Lebensjahre“, sagt Sanin.

Dabei kann die Erkrankung bereits im Kindesalter festgestellt und behandelt werden. „Eine frühzeitige Therapie normalisiert das Sterberisiko“, erklärt die Kardiologin. Deshalb wurden im Rahmen der Studie bereits 19 000 Kinder zwischen fünf und 14 Jahren gescreent, bei 222 Kindern konnte die Krankheit diagnostiziert und nun behandelt werden.

Von der gezielten Prävention zur präzisen Intervention

Ein weiterer Risikofaktor für Herzerkrankungen ist Lipoprotein a, ein Blutfett-Bestandteil. Der Wert kann genetisch bedingt erhöht sein und einen Herzinfarkt auslösen.

Prof. Ulf Landmesser: „Je früher wir den erhöhten Wert erkennen, desto besser lässt sich der Risikofaktor behandeln.“ Es gebe zwar noch keine gezielte Therapie für Lipoprotein a, die anderen Risikofaktoren könnten aber vermieden werden. Prof. Holger Thiele (Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, Stellv. Ärztlicher Direktor am Herzzentrum Leipzig) sagt deshalb: „Jeder sollte seinen Lipoprotein-Wert einmal im Leben bestimmen lassen.“

Dr. Stephan Beckmann vom Bundesverband niedergelassener Kardiologen hofft auf die Bildgebung in der Kardiologie: „Es ist für viele ein überzeugendes Argument, Kalk in den Arterien mit den eigenen Augen zu sehen. Das motiviert, etwas zu unternehmen.“

Ebenfalls eine gute Motivation ist für Landmesser die Übersetzung der Risikofaktoren ins Herzalter: „Unterscheidet sich das stark vom biologischen Alter, ist das für viele ein Ansporn, die Risikofaktoren zu reduzieren.“ Mit gezielter Prävention ließen sich in den kommenden zehn bis 15 Jahren rund 50 Prozent aller Herzinfarkte vermeiden, sagt Landmesser.

Dr. Stephan Beckmann setzt auf Bildgebung, um Patienten wachzurütteln

Dr. Stephan Beckmann setzt auf Bildgebung, um Patienten wachzurütteln

Foto: Ralf Guenther / Bild

Herzklappen-Erkrankungen ohne große OP heilen

Doch nicht nur der Herzinfarkt bedroht unser Leben, auch unsere Herzklappen können erkranken, wie Prof. Volkmar Falk, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie e. V. und Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentrums der Charité, in seinem Vortrag erklärt.

Er schildert, dass die lebensrettenden Operationen heute deutlich sanfter sind, Herzklappen können bereits minimalinvasiv ausgetauscht oder repariert werden. Eine weitere Möglichkeit sind Katheter-Eingriffe, die verengte Herzklappen etwa wieder dehnen können.

Der Weg zum Herz-Spezialisten beginnt beim Hausarzt – Hürden und Herausforderungen

„Die beste Prävention gibt es beim Hausarzt“, sagt Prof. Nicola Buhlinger-Göpfarth, Co-Bundesvorsitzende des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes, „das Blutdruckmessen sollte zum Standard des Arztbesuchs gehören.“

Dr. med. Alexander Albrecht, der stellvertretende Bundesvorsitzende und Invasivbeauftragte des Bundesverbandes niedergelassener Kardiologen, bestätigt: „Die Zusammenarbeit zwischen Hausärzten und Kardiologen funktioniert in der Regel sehr gut.“

Viele Menschen kommen zu spät zum Arzt, das sei ganz menschlich, sagt Nicola Buhlinger-Göpfarth. „Viele sind dann aber bereit, ihr Leben zu ändern, wenn sie schwer erkrankt sind, dabei sind Hausärzte ein guter Zugang.“

Alexander Albrecht schränkt jedoch ein: „Wir erreichen ganze Bevölkerungsgruppen überhaupt nicht, weil sie nicht zum Arzt gehen.“ Und: „Wir haben ein riesiges Daten-Problem in Deutschland – ich träume von einer gläsernen Patientenakte – ich muss alle Vorbefunde strukturiert einsehen können. Das würde die Betreuung um Lichtjahre nach vorn bringen.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach will die Zulassung von Studien beschleunigen

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Foto: Ralf Guenther / Bild

Frauenherzen schlagen anders

Ein ganz anderes Problem der Herzmedizin spricht Dr. Vanessa Conin-Ohnsorge, Ehrenpräsidentin und Initiatorin der Healthcare Frauen, Ärztin und Geschäftsführerin des Familienunternehmens IDV an: „Frauen sind keine kleinen Männer!“ Deshalb brauche es gendersensible Medizin. „Frauenherzen sind kleiner und schlagen schneller als Männerherzen. Das ist wichtig zu wissen, denn nur so können wir effektive Prävention betreiben.“

Die Risikofaktoren seien zwar die gleichen wie für Männer – doch für Frauen kommen weitere hinzu: die Wechseljahre, Stress und Depressionen. Auch Schwangerschaftsdiabetes sorgt für ein 40 Prozent höheres Risiko für einen Herzinfarkt.

„Herz-Kreislauf-Erkrankungen sind die Todesursache Nummer 1 für Frauen“, betont sie.

Die großen Herzleiden – Insuffizienz und Vorhofflimmern

Neben Herzinfarkt und Herzkammer-Erkrankungen spielen auch Herzinsuffizienz und Vorhofflimmern eine große Rolle für die Herzgesundheit. Prof. Dirk Westermann, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kardiologie und Angiologie am Universitätsklinikum Freiburg, sagt, erst einmal müssten die Menschen diagnostiziert werden, dann gebe es zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten: „Alle Therapieansätze zusammen sorgen nicht nur dafür, dass die Patienten länger leben, sondern sie fühlen sich auch besser.“

Im Idealfall sollten alle Menschen einen Zugang zur Medizin haben, die Realität sieht jedoch anders aus. „Die Dunkelziffer ist hoch“, sagt Westermann. Deshalb müsse Herzmedizin mehr „gemeinsam gedacht“ werden.

Das bestätigt Prof. Isabel Deisenhofer, Leiterin der Abteilung für Elektrophysiologie, Deutsches Herzzentrum München: „Es fehlt sowohl das Bewusstsein für die Erkrankungen bei den Ärzten, als auch bei den Patienten.“ Bei den Ärzten sei das Bewusstsein für Vorhofflimmern bereits gewachsen, bei den Patienten gebe es verschiedene Aktionen, um das Bewusstsein zu schärfen.

„Aber wir können nicht alle Patienten, die Erstverdacht haben, bei uns behandeln, dann gehen wir unter – wir brauchen die Zusammenarbeit mit Hausärzten, Niedergelassenen, Krankenhäusern“, sagt Deisenhofer, aktuell sei die Verknüpfung noch nicht ideal.

Ein besonderer Fall: Angeborene Herzerkrankungen

Bei Jana Gebbeken (32) wurde bereits drei Wochen nach ihrer Geburt ein angeborener Herzfehler erkannt. Mit 14 Jahren erlitt sie einen Herzstillstand – und überlebte. Sie fordert: „Wir müssen eine Balance finden zwischen psychischer Gesundheit und Medizin.“

Auch Prof. Felix Berger, Direktor der Klinik für Angeborene Herzfehler, Deutsches Herzzentrum der Charité, geht in seinem Vortrag auf angeborene Herzerkrankungen ein und sagt: „Wir dürfen unsere Kinder nicht aus den Augen verlieren! Wir als Gesellschaft sind für die Prävention verantwortlich.“

Viele medizinische Probleme werden demnach mittlerweile aus dem Kindesalter ins Erwachsenenalter verlagert. Bei der Behandlung versuchen die Mediziner zudem immer mehr, die Eingriffe zu minimieren. „Es lohnt sich für die Kinder zu kämpfen!“, sagt Berger.

Im Herzen der Politik: Was muss sich tun, in Deutschland und auf EU-Ebene, damit Herzpatienten noch besser versorgt werden?

Schließlich diskutierten Prof. Stefan Blankenberg, Ärztlicher Leiter des UHZ am UKE Hamburg, Direktor der Klinik für Kardiologie im UHZ, Dr. Herbert Wollmann (SPD), Mitglied des Bundestags und Kardiologe, Tino Sorge, gesundheitspolitischer Sprecher der CDU, Dr. Michael May, Vice President und Country Medical Director, Bristol Myers Sqibb Deutschland, Dr. Andreas Gassen (Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Bundesvereinigung) und Heinrich Moisa (Country President, Novartis Deutschland) über die Aufgaben der Politik, um die Herzgesundheit zu schützen und Prävention zu fördern.

Dabei ging es auch um das neue Herz-Gesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach: „Dieses Gesetz wird nicht an den Kosten scheitern“, ist Dr. Herbert Wollmann sicher. Dr. Andreas Gassen kritisiert allerdings: „Der Punkt, der mir in dem Gesetz fehlt: Der Präventionsgedanke ist noch viel zu wenig abgebildet – und kostet gar nicht viel.“

Ein besonders großes Problem, dass er sieht: „Wir haben in Deutschland ein echtes Adipositas-Problem: Jeder fünfte Erwachsene ist schwer übergewichtig. Wir sehen zu viele dicke Kinder, das sind die Diabetiker und Hypertoniker von morgen.“

Heinrich Moisa betrachtet das Problem auch von wirtschaftlicher Seite: „Natürlich haben die menschlichen Schicksale auch einen wirtschaftlichen Effekt: In Deutschland brauchen wir etwa eine Milliarde Euro pro Jahr für Rehakosten – gleichzeitig kosten uns die Erkrankungen vier bis fünf Prozent Wirtschaftswachstum.“

Am Ende des Tages waren sich die mehr als 100 Experten aus Medizin, Forschung und Politik einig: Jeder sollte sich ein Herz für sein Herz fassen!

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