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Gemüse und Obst Woher kommen die beliebtesten Kulturpflanzen?

Tomaten, Gurken, Kartoffeln, Erdbeeren und Äpfel: Viele Gemüse- und Obstsorten, die wir täglich essen, stammen ursprünglich nicht aus Deutschland oder Europa. Wir erklären Herkunft und Geschichte unserer begehrten Kulturpflanzen.

Stand: 18.06.2024

Auch wenn sie schon lange unseren Speiseplan bereichern: Die Heimat vieler unserer Kulturpflanzen liegt in fernen Ländern. Und das ist nicht nur in Mitteleuropa so. Weltweit sind durchschnittlich zwei Drittel aller angebauten und konsumierten Gemüse, Früchte und Getreide nicht heimischen Ursprungs. Das konnte ein internationales Forscherteam vor einigen Jahren im Rahmen einer Studie ermitteln. Wann und wie Obst und Gemüse auf den Teller oder auch Blumen in Gärten weit entfernt von ihrem Ursprungsort gelangten, ist dabei nicht immer ganz einfach nachzuvollziehen.

Geschichte von Gemüse und Obst: Kulturpflanzen reisen mit Entdeckern um die Welt

Die weltweite Verbreitung "fremder" Kulturpflanzen war und ist ein langwieriger Prozess. Über Jahrhunderte hinweg wurde dieser durch historische Eroberungs- und Wanderbewegungen begünstigt. Manche Samen (etwa von Brokkoli und Blumenkohl) gelangten bereits während der Kreuzzüge aus Kleinasien, dem heutigen Anatolien, nach Europa. Im frühen 16. Jahrhundert waren es dann Entdecker und Eroberer wie der Spanier Hernán Cortés, die Schätze aus der "Neuen Welt" in die alte brachten. Darunter auch die wilden Vorfahren unserer heutigen Nutzpflanzen: etwa Kartoffel, Tomate und Mais.

Der Mais hat als Kulturpflanze eine lange Migrationsreise hinter sich.

"Schon Kolumbus hat den ersten Mais Ende des 15. Jahrhunderts mit nach Spanien gebracht. Das war erstmal eine Kuriosität, weil man nicht so recht wusste, was man damit anfangen sollte. Dann waren es die Türken, die den Mais landwirtschaftlich nutzten als Nahrungspflanze. Vom damaligen Osmanischen Reich kam der Mais wieder zurück nach Mitteleuropa."

Thomas Miedaner, Landessaatzuchtanstalt an der Universität Stuttgart-Hohenheim

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Doch erst in der Neuzeit, durch die fortschreitende Globalisierung, nahm der Anteil nicht-heimischer Nutzpflanzen an unserer Nahrung sowie deren Anbau deutlich zu. "Während weltweit Reste traditioneller Ernährung und der ursprünglichen Verbreitung der Nutzpflanzen erhalten sind - beispielsweise in der Dominanz von Reis in Ostasien und von Weizen in Europa, überwiegt dennoch ein globaler Trend zu fremden Nutzpflanzen", sagt der Botaniker Colin Khoury, Senior Director of Science and Conservation des Botanischen Gartens in San Diego.

Rettich - Gemüse mit vorderasiatischen Wurzeln

Der vermeintlich "typisch bayrische" Rettich stammt ursprünglich aus Vorderasien.

Nehmen wir den Rettich: Historische Quellen legen nahe, dass der Rettich zuerst in Vorderasien, vielleicht in Afghanistan oder Vorderindien, kultiviert wurde. Das scharfe Gemüse war auch im Alten Ägypten sehr bekannt. Der Geschichtsschreiber Herodot berichtet, dass die Arbeiter an den Pyramiden Rettich mit Zwiebeln und Knoblauch in Wasser zu essen bekamen, bevor sie die riesigen Quadersteine stapelten. Und auch die Römer genossen bereits Rettich als Salat.

"Pflanzen haben ihren Ort gewechselt, weil Menschen das vorangetrieben haben. Auch der Wind kann Samen transportieren. Diese können auch an Tierfellen anhaften und so zu uns kommen. Damit sich fremde Pflanzen generell bei uns ansiedeln, benötigen sie ein bestimmtes Umfeld. Auch da hat der Mensch im Laufe der Jahrtausende ganz stark in die Natur eingegriffen."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege Hessen

Exotische Gemüse- und Obstsorten werden weltweit beliebt

Obwohl Deutsche für ihre Krautgerichte bekannt sind, stammt der Kohl ursprünglich aus dem Mittelmeerraum. Der Spinat wurde wahrscheinlich zum ersten Mal in Persien kultiviert. Erbsen kommen wohl aus Syrien. Die Herkunft der Gurke wird in Indien vermutet, wo sie seit mehr als 4.000 Jahren an den Südhängen des Himalaja angebaut wird. Große saftige Erdbeeren stammen aus der Gegend um den Sankt-Lorenz-Strom in Kanada. In der Steinzeit gab es im heutigen Europa nur kleine Walderdbeeren.

Knoblauch ist zwar eines der ältesten vom Menschen genutzten Gewürze, war aber in der Steinzeit noch nicht bekannt.

"Den Geschmack der Steinzeit-Bauern, also sozusagen von Wilma Feuerstein, den kennen wir natürlich nicht, können aber annehmen, dass er ganz anders war als heute. Die Menschen kannten ja keinen Zucker, es gab keinen Pfeffer oder Knoblauch - also ganz viele Dinge, die für uns heute selbstverständlich sind, fehlten."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege Hessen

Knoblauch, der ursprünglich aus dem asiatischen Raum stammt, ist seit 5.000 Jahren bekannt und gehört zu den ältesten vom Menschen genutzten Gewürzen. Im Alten Ägypten stärkten sich die Sklaven beim Pyramidenbau mit Knoblauch. Pharao Tutanchamun ließ sich Knoblauch in seine Grabstätte legen. Heute ist das stark duftende Lauchgewächs weltweit verbreitet.

Viele Kulturpflanzen kamen mit den Römern in den Norden

Besonders viel archäologisches Quellenmaterial gibt es aus der Römerzeit. Als Caesar und seine Truppen ab Mitte des letzten Jahrhunderts vor Christus Gallien und Teile Germaniens eroberten, brachten sie aus ihrer südeuropäischen Heimat einen ganzen Schwung neuer Kulturpflanzen mit: Pflaume, Pfirsich, Feige, Apfel und Birne in süßen Kulturformen, Melone und auch Dill und Petersilie. Doch auch die Römer übernahmen Pflanzen aus anderen Regionen.

"Das ist bewundernswert: Die Römer haben überall innerhalb ihres großen Reichs geschaut, was ist praktisch und gut und haben das in ihre Kultur integriert. Bei den Kelten lernten sie Dinkel kennen und stellten fest: Das ist ein super Getreide, weil anspruchslos, wenig anfällig für Schädlinge und daraus kann man Brot backen - also wird es übernommen."

Angela Kreuz, Archäobotanikerin im Landesamt für Denkmalpflege Hessen

Kulturpflanzen gingen also oft verschlungene Wege, bis sie sich in den Küchen weltweit integrierten.

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