Mit der S-Bahn von Stockholm nach Rom
@DB AG / Oliver Lang

Mit der S-Bahn von Stockholm nach Rom

 Europa ist aktuell ein „Underperformer“ – so viel mehr wäre möglich! Damit die europäische Idee wieder mehr verfängt, sind wir alle gefragt. Auch die Eisenbahn kann dabei helfen, dass Europa vorankommt.

Wissen Sie, an welchem Punkt mir einmal mehr klar wurde, dass Corona unsere Welt auf den Kopf stellt? Als im Frühjahr binnen weniger Tage überall in der EU die Grenzen geschlossen wurden. Nur schwer hätte ich mir einen solchen Schritt vorab vorstellen können – ist Europa für mich doch untrennbar verbunden mit grenzenloser Mobilität und unbeschränktem Austausch. Ich bin quasi in Sichtweite von Frankreich aufgewachsen, habe mich stets wie ein Europäer gefühlt. Meine Leidenschaft für Schach hat mich als Schüler und Jugendlicher in viele europäische Länder geführt – Erfahrungen, von denen ich noch heute zehre. Die europäische Idee leitet mich seit jeher. Ja, sicher auch aus einem gewissen beruflichen Interesse, weil Mobilität und Logistik noch nie an Grenzen Halt gemacht haben. Aber vor allem aus persönlicher Überzeugung als Bürger dieses großartigen europäischen Gemeinwesens.

Doch als leidenschaftlicher Europäer muss ich sagen: Europa ist nicht da, wo es sein könnte, ja sein müsste. Wir vernachlässigen die europäische Idee, lassen Potenzial ungenutzt. Vom Kampf gegen den Klimawandel über die Digitalisierung bis hin zur Flüchtlingshilfe: die Lösungen liegen oft auf europäischer Ebene. Von Zeit zu Zeit scheinen wir das zu vergessen, oder – schlimmer noch! – wir beschränken uns auf ein Achselzucken, wenn Schreihälse und andere destruktive Kräfte Europa für genau das angreifen, wofür wir es so schätzen: Menschlichkeit, Solidarität, Liberalität und Rechtstaatlichkeit. Für uns sind das Selbstverständlichkeiten, doch wir sollten uns öfter vergegenwärtigen, dass sie das eben nicht sind. 

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Europa braucht ein regelmäßiges Bekenntnis

Heißt also: Für Europas Werte muss man immer wieder werben und streiten, seine Idee braucht ein regelmäßiges Bekenntnis. Wir als Deutsche Bahn tun das gern und oft. Sei es durch kleine Aktionen wie die Taufe eines ICE mit dem Namen „Europa/Europe“ im vergangenen Jahr (der einzige ICE mit blauem Streifen!) oder durch unsere Partnerschaft mit dem überparteilichen Verein „Tu was für Europa“ unter Leitung des ehemaligen Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz. Gemeinsam mit sieben anderen europäischen Bahnchefs habe ich vor der letzten Europawahl einen internationalen Wahlaufruf veröffentlicht, und der enge Austausch mit meinen europäischen Kolleginnen und Kollegen gehört für mich zur Routine, auch aktuell in Corona-Zeiten. Kurzum: Aktiv für Europa einzustehen ist für uns selbstverständlich. Wie sollte es auch anders sein, bei einem Unternehmen, dessen Kerngeschäft es ist, Menschen zu verbinden?

Dass der Schienenverkehr eine starke europäische Dimension hat, ist offensichtlich. Ja, ich würde sogar so weit gehen, dass Bahnstrecken zu den Lebensadern des Kontinents gehören. Gerade in diesem „Corona-Sommer“ habe ich von vielen Menschen gehört, dass sie die Bahn als grenzüberschreitendes Verkehrsmittel für sich (wieder-)entdecken. Zugegeben – schneller geht es manchmal mit dem Flugzeug. Aber wer bewusst reisen möchte, klimafreundlich und mit Wertschätzung für die grandiose geographische Vielfalt unseres Kontinents, der wählt die Bahn. So kommt man von Berlin mittels einer bequemen ICE/TGV-Verbindung an einem Tag nach Marseille ans Mittelmeer. London liegt etwas über sechs Bahnstunden von Frankfurt entfernt. Selbst Stockholm im hohen europäischen Norden ist von Hamburg aus in zehn, elf Stunden erreichbar. In rund 150 europäische Städte kommt man mit der Bahn direkt von Deutschland aus. Darunter sind viele europäische City-zu-City-Verbindungen, die mittlerweile den Wettbewerb mit dem Flugzeug gewinnen. Ich denke da etwa an Frankfurt-Paris, Köln-Brüssel oder Stuttgart-Zürich.

Die Bahn kann europaweit Lieferketten absichern

Nicht zu vergessen – der Güterverkehr! Deutschland ist Herzstück der europäischen Warenströme, allein sechs große europäische Verkehrsachsen laufen durch unsere Republik; die Schiene spielt dabei eine maßgebliche Rolle. In der Phase des strengen Lockdowns hat dieses Netz seinen Stresstest bestanden: Güterzüge von DB Cargo rollten an LKW-Staus vorbei und stellten die Versorgung von Krankenhäusern wie Supermärkten sicher. Nudeln aus Italien, Verpackungsmaterial aus Skandinavien, ja sogar Atemmasken aus Fernost wurden per Bahn herangeschafft. In Folge hat bei so manchem Lieferanten ein Umdenken eingesetzt. Bei der Absicherung grenzüberschreitender Lieferketten und dem Aufbau einer europaweiten grünen Logistik ist das Potenzial der Schiene noch lange nicht erschöpft.

Was für Europa als Ganzes gilt, lässt sich auch auf sein Eisenbahnsystem übertragen: Wir können noch besser werden. Für einige der großen europäischen Herausforderungen – etwa den Klimawandel zu bekämpfen, unsere Städte und Regionen lebenswert zu halten oder die Menschen weiter zu vernetzen – bietet die Eisenbahn Lösungen. Doch um sie Realität werden zu lassen, müssen wir uns trauen, mehr zu wollen. Und ja, mit „wir“ meine ich durchaus auch uns als europäische Bahnunternehmen. Denken wir groß! Denken wir an leistungsfähige, voll auf den Kunden ausgerichtete Expressverbindungen – sozusagen eine europäische Metropolen-S-Bahn von Stockholm bis Rom. Denken wir an grenzüberschreitende Regionalbahnnetze für den kleinen Grenzverkehr. Und denken wir an mehr Initiativen für länderübergreifendes Marketing.

Jede europäische Bahninvestition lässt uns mehr zusammenwachsen

Vieles passiert bereits, gerade im Bereich Infrastruktur: Ob Fehmarnbeltquerung, eine künftige Schnellfahrstrecke Dresden-Prag oder der Zulauf zum Brennerbasistunnel – die Vorbereitungen für leistungsfähigere Bahnverbindungen zu unseren europäischen Nachbarn laufen auf Hochtouren. Hier müssen wir mit voller Kraft weiterarbeiten: an der Vereinheitlichung von Standards und Technologien, an der Digitalisierung des gesamten Systems und an weiteren Investitionen ins europäische Schienennetz – auch seitens der EU. Denn jeder Euro, der in grenzüberschreitende Bahninfrastruktur gesteckt wird, lässt Europa und seine Menschen enger zusammenwachsen und trägt zu Zugkraft, Beschäftigung und Klimaschutz bei. 

Die EU-Kommission hat das kommende Jahr zum „Europäischen Jahr der Schiene“ gekürt. Das ist ein großartiges Signal für die Stärkung der Eisenbahn auf dem gesamten Kontinent, aber vor allem für das Zusammenwachsen von Menschen und Wirtschaft in Europa! Wir als DB freuen uns sehr darauf. Denn wir stehen für Europa, unseren wunderbaren Kontinent: menschlich, bunt, entdeckungsreich – und mit offenen Grenzen.

Mihaela Vaida

Proprietario di azienda presso ELSW srl

10 Monate

Mi spiace che lo mando a studiare l' atto Costituzionale della UE ! Anche volendo... nessuno può fare niente per stabilizzare economia in UE...siamo messi in ginocchio da 2002 -2007 davanti a SUA ...Unica soluzione e togliere la clausola che ci tiene in ginocchio davanti a altri...dobbiamo ridare indipendenza decisionale a UE !

Peter Cornelius

Nachtzüge: back-on-track.eu/de/ ansehen !

3 Jahre

Dr. Richard Lutz: Das Jahr der Schiene 2021 ist nun ein halbes Jahr vorbei ! Welche Schlußfolgerungen ziehen Sie aus dem ersten halben Jahr ?

Ludger Sippel

Senior-Berater bei KCW GmbH und Trans-Missions S.A.R.L.

3 Jahre

"Wir als Deutsche Bahn tun das gern und oft.": Herr Dr. Lutz, in welcher Realität leben Sie eigentlich? Fahren Sie mal von Berlin nach Paris mit dem Zug: Seit der Einstellung des Nachtzuges durch die Deutsche Bahn [!] verbringen Sie im besten Fall neun Stunden im Zug, verpassen aber auf Grund der Unpünktlichkeit der ICE regelmäßig den Anschluss in Frankfurt oder Mannheim. Weiterhin hat die Deutsche Bahn in den letzten Jahren die Verfügbarkeit von Durchtarifierungen ins europäische Ausland massiv eingeschränkt mit der Folge, dass abseits der Direktverbindungen die Fahrgastrechte nicht mehr greifen. Mit Verlaub, Ihr Bekenntnis, "aktiv für Europa einzustehen" mag für die wenigen Direktverbindungen von Frankfurt aus stimmen; Europa besteht aber aus wesentlich mehr als aus ein paar Hauptstädten.

Andreas Hettich

Nachhaltige Produktion und Services für eine bessere Welt!

3 Jahre

Schöne Worte, Taten müssen folgen. Meine Erfahrung mit der Bahn ist insgesamt positiv, es ist deutlich besser als früher. Schön wären mehr Schnellverbindungen, ich verstehe nicht, warum ICE im Ruhrgebiet alle 20 km anhalten müssen. Europäische Koordination ist notwendig und in Deutschland eine deutliche Beschleunigung der Genehmigungs- und Bauprozesse.

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