Rund um sogenannte Abnehmspritzen sind Medizinern zufolge falsche Vorstellungen verbreitet. Es gebe den Wunsch, so ein Mittel zu nehmen und ansonsten weiterzumachen wie bisher, sagte Martin Schulz, der Geschäftsführer des Bereichs Arzneimittel der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände am Donnerstag der Jahrespressekonferenz der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in Berlin.
Tatsächlich müsse die Einnahme eingebettet sein in ein Gesamtkonzept mit Lebensstilveränderungen, etwa Ernährungsumstellung und mehr Bewegung, sagte DDG-Vizepräsidentin Julia Szendrödi vom Universitätsklinikum Heidelberg. Werde das Medikament abgesetzt, steige das Gewicht ansonsten wieder an.
Zu den Nebenwirkungen zählt unter anderem schwere Übelkeit. Deshalb raten Mediziner dringend davon ab, sich die Präparate über dubiose Wege selbst zu besorgen. Es brauche immer eine ärztliche Begleitung, betonte Szendrödi.
In der Diskussion geht es um sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten, dazu zählt unter anderem der Wirkstoff Semaglutid. Im Volksmund sind diese Präparate inzwischen allgemein als „Abnehmspritzen“ bekannt.
Ursprünglich waren die Mittel entwickelt worden, um Diabetespatienten zu helfen: Die Substanzen greifen in den Stoffwechsel ein. Sie stimulieren die Ausschüttung von Insulin und hemmen die Ausschüttung von Glucagon.
Das führt dazu, dass der Glucosespiegel im Blut sinkt – und dass aus den verzehrten Nährstoffen nicht mehr so viel Fett gebildet wird. Überdies verlangsamen GLP-1-Rezeptor-Agonisten die Magenentleerung und erhöhen dadurch das Sättigungsgefühl. Das hemmt den Appetit. Neuere Wirkstoffe haben noch einen stärkeren Effekt.
Solche Präparate werden bei Patienten mit Diabetes schon länger genutzt. Bei ihnen lasse sich der Nutzen im Vergleich zum Risiko gut abwägen, sagte Szendrödi. Die bisherigen Erkenntnisse ließen sich aber nicht automatisch auf Menschen mit gesundem Stoffwechsel übertragen.
Eine Zulassung auch gegen Adipositas ist neuer, solche Produkte müssen gesetzlich versicherte Patienten bisher in der Regel selbst bezahlen. Schulz erwartet diesbezüglich zunächst auch keine Veränderung.
Bei allen GLP-1-Rezeptoragonisten gebe es außerdem weiterhin und voraussichtlich auch noch das ganze Jahr „massive Versorgungsengpässe“, sagte Martin Schulz, der auch Vorsitzender der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker ist. Den enormen weltweiten Anstieg der Nachfrage könnten Hersteller bisher nicht bedienen.
Folgen der hohen Nachfrage sind demnach unter anderem gefälschte Rezepte, außergewöhnlich hohe Verordnungsmengen auf normalen Rezepten und Verordnungen durch fachfremde Ärzte.
Diese Mittel hätten einen Wert auf dem internationalen Schwarzmarkt. Gefälschte Spritzen seien in Deutschland „ziemlich sicher“ nicht bei Patienten angekommen. Es habe sich um umetikettierte Insulin-Pens gehandelt. „Das ist eine Katastrophe für die Menschen, die sich auf die Arzneimittelsicherheit in Deutschland verlassen“, sagte Schulz. In den Apotheken hätte man jede einzelne Packung öffnen müssen, um die Echtheit zu prüfen.