Als junger Mann arbeitete Wopke Hoekstra für den Ölkonzern Shell – heute ist er Europas Umweltkommissar und soll das Klima retten. Sein Ziel sei es, sagte der Niederländer gerade vor dem EU-Parlament in Straßburg, dass auf dem Kontinent bis 2040 mindestens 90 Prozent weniger Treibhausgase in die Luft geblasen würden als 1990.
„Wir haben den heißesten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen hinter uns“, so Hoekstra. „Und wir sehen mit eigenen Augen, welche Zerstörungen die Erderwärmung bringt.“
Hoekstra soll den Green Deal vorantreiben, also Europas großes Ziel, klimaneutral zu werden. Doch der Weg dorthin ist weit. 2021 – neuere Daten liegen noch nicht vor – erzeugte die EU rund 3,5 Milliarden Tonnen Kohlendioxid, Methan, fluorierte Gase und andere schädliche Stoffe. Etwa 700 Millionen Tonnen davon kamen aus Deutschland. Fossile Energie, Hoekstras alte Branche, war der größte Verschmutzer, sie stand für mehr als ein Viertel aller Emissionen.
Öl, Gas und Kohle, sagte Hoekstra vor dem Parlament, müssten so schnell wie möglich „Geschichte werden“. Die EU kehre sich von ihnen ab, so der Umweltkommissar, befinde sich auf dem Weg in eine grüne Zukunft. Schöne Worte, doch die Realität sieht anders aus. Es gibt heute nicht weniger Subventionen für fossile Brennstoffe in der EU als früher, sondern mehr.
2022 wendeten die Mitgliedstaaten 123 Milliarden Euro auf – rund zweieinhalbmal so viel wie in der Zeit von 2015 bis 2021. Sie wollten damit ihren Unternehmen helfen, denn nach zwei Jahren Pandemie und Russlands Angriff auf die Ukraine war Energie plötzlich deutlich teurer. Nun hat die Wirtschaft die Hilfen liebgewonnen, viele Regierungen halten deshalb an ihnen fest.
Es sieht nicht gut aus für den Green Deal. Der Klimabeirat der EU, ein Gremium aus 15 Wissenschaftlern, veröffentlichte kürzlich eine düstere Prognose. Die Staatengemeinschaft, hieß es darin, werde alle ihre Ziele verfehlen: eine schon länger beschlossene Verringerung der Emissionen um 55 Prozent bis 2030, die von Hoekstra versprochenen 90 Prozent bis 2040 und die Klimaneutralität bis 2050.
Woran liegt das? Ein Grund sei, meinen die Forscher, dass die EU nicht genug gegen Emissionen in der Landwirtschaft unternehme. Kraftwerke, Fabriken und Autos reguliere sie streng, Bauernhöfe hingegen kaum. Tatsächlich zog die Kommission etwa Anfang Februar – an dem Tag, als Hoekstra in Straßburg sprach – ihren Vorschlag für eine Pestizidverordnung zurück.
Die Behörde wollte den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln begrenzen, aber der Widerstand konservativer Abgeordneter war zu groß. Zudem protestierten überall in Europa Bauern gegen das Vorhaben. Auch vor der gläsernen Fassade des Parlaments standen Hunderte Traktoren.
Es gibt viele Versprechen, viele hehre Ziele. Doch in Wahrheit gerät der Green Deal ins Stocken, das politische Vermächtnis der Kommissionschefin Ursula von der Leyen damit in Gefahr. Andere Weltregionen scheinen mittlerweile entschlossener zu handeln.
China investierte im vergangenen Jahr 538 Milliarden Dollar in klimafreundliche Technologien, Europa 180 Milliarden, Amerika knapp 140 Milliarden. Schaut man sich die Investitionen je Einwohner an, liegen die USA vorn, gefolgt von Japan. Die EU landet dann nur auf dem dritten Platz. Nach Klimapionier klingt das nicht mehr.