Es war wie ein kleines Märchen. Nach vielen Jahren Dauerkrise hat Heidelberger Druckmaschinen 2018 mit dem Bau von Wallboxen ein neues Geschäftsfeld gefunden, das den Weltmarktführer für Hightech-Maschinen zum Drucken von Erzeugnissen wie Verpackungen, Schachteln, Flyern, Büchern oder Werbematerial zu einem viel beachteten Turnaround-Fall gemacht, gleichzeitig den Aktienkurs befeuert und schließlich den Mitarbeitern neues Selbstbewusstsein gegeben hat.
Nun allerdings scheint die Herrlichkeit erst einmal vorbei. Das Geschäft mit Wallboxen jedenfalls, also mit Ladesystemen für Elektroautos, die für den Privatgebrauch vornehmlich an der heimischen Garagenwand installiert werden, ist im Ende März ausgelaufenen Geschäftsjahr 2022/2023 regelrecht in sich zusammengebrochen.
Fast 60 Prozent weniger Umsatz hat Heidelberg bei der eigens für die E-Mobilität gegründeten Tochtergesellschaft Amperfied verbucht. Und auch der Auftragseingang, also das Geschäft von morgen, ist in ähnlicher Größenordnung eingebrochen.
Als Begründung nennt Vorstandschef Ludwin Monz das Auslaufen eines staatlichen Förderprogramms in Deutschland. 900 Euro hatten Privatpersonen von der KfW-Bank für die Installation von einem oder mehreren Ladepunkten bei sich zu Hause bekommen. Ende 2021 war dann Schluss mit den Zuschüssen.
„Damit fehlt für viele der Anreiz“, sagt Monz. Hinzu kämen lange Lieferzeiten für Elektrofahrzeuge und der aktuell hohe Strompreis. Und das hat neben Amerfied auch andere Anbieter von Ladetechnik getroffen. Dennoch übt sich Monz in Zuversicht. „Wir glauben weiter an die Elektromobilität“, sagt der Manager. „Das ist und bleibt ein Zukunftsmarkt.“
Zumal in der Europäischen Union ab 2035 keine neuen Verbrenner mehr zugelassen würden. Bis dahin soll es aber nicht dauern mit einem erneuten Anziehen des Geschäfts. Daher plant Heidelberg eine Expansion. Zum einen geografisch. „Wir gehen in die anderen großen europäischen Märkte wie Großbritannien, Frankreich, Spanien, Italien oder Skandinavien“, kündigt Monz einen Ausbau des Vertriebs an.
„Wollen neue Märkte neben dem Kerngeschäft erschließen“
Aber auch die USA und China sind ein Thema, allerdings erst mittelfristig. Denn dort gebe es sowohl andere Elektrizitätssysteme als auch eine andere Regulatorik, heißt es zur Begründung. Daher seien für die dortigen Märkte andere Produkte nötig, die wiederum eine gesonderte Zulassung brauchen.
Zum anderen erweitert Heidelberger Druckmaschinen das Sortiment von Amperfied, dessen Geschäftsführung zudem mit einem früheren Tesla-Manager erweitert wurde. Neben Wallboxen für den Privatgebrauch, umfasst das Angebot künftig auch Ladelösungen für gewerbliche Kunden und ihre Dienstwagenflotten, für Parkhäuser und Kundenparkplätze oder auch für Kommunen.
Zudem bringt das Unternehmen eine Wallbox mit Solarfunktion auf den Markt, um vom Trend der zunehmenden privaten Photovoltaik-Installationen zu profitieren. Perspektiven und Neugeschäft verspricht sich Heidelberg aber nicht nur im Bereich E-Mobilität. „Wir wollen weitere neue Märkte neben dem Kerngeschäft Druckmaschinen erschließen“, kündigt Vorstandschef Monz an, ohne jedoch ins Detail gehen zu wollen. „Das braucht noch Geduld.“
Schnelleren Erfolg verspricht er sich dagegen von Innovation im Druck-Bereich, etwa über neue Digitaldruckangebote oder deutliche Produktivitätsfortschritte für Bogenoffsetmaschinen, zum Beispiel für Faltschachteln.
Und der Verpackungsdruck ist nicht nur weiterhin der größte, sondern auch der wachstumsstärkste Bereich für das Traditionsunternehmen mit zuletzt gut 2,4 Milliarden Euro Umsatz. Bis 2025 soll der Anteil des Verpackungsdrucks von aktuell gut einem Drittel auf dann rund die Hälfte des Geschäfts anwachsen.
Gleichwohl leidet Heidelberger Druck unter dem anhaltend hohen Kostendruck durch teurere Energie, Rohstoffe und Logistik sowie höhere Löhne.
Zwar habe man Preiserhöhungen durchsetzen können. Trotzdem ist ein sogenanntes Wertsteigerungsprogramm geplant. „Wir schauen uns alle Prozesse und Kostenstrukturen an“, sagt Monz. Dazu passt, dass sich Analyst Florian Sager vom Analysehaus Stifel zwar mit dem avisierten Jahresumsatz zufrieden zeigt, bei den Margenziel liegt das Unternehmen aber unter den Erwartungen.
Schon 2020 hatte sich Heidelberger Druckmaschinen einen radikalen Konzernumbau verordnet und verlustbringende Produkte eingestellt, Arbeitsplätze abgebaut und sich auf den wenigen Druckbereich sowie auf Softwareautomatisierung für die Kunden im Druckgewerbe konzentriert.
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