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  3. StVO: Bundesrat findet keine Einigung im Streit über Fahrverbote

Wirtschaft Bundesrat ohne Entscheidung

Gilt wieder das Recht von 2007? Bei der Straßenverkehrsordnung herrscht Chaos

Korrespondent in New York
Noch keine Einigung über Neuerungen im Bußgeldkatalog

Im Bundesrat ist man sich einig: Raser sollen härter bestraft werden. Doch über konkrete Neuerungen im Bußgeldkatalog konnten sich die Länder noch nicht einigen. Bei der Abstimmung erhielt kein Vorschlag eine Mehrheit. Jetzt muss weiter verhandelt werden.

Quelle: WELT/ David Schafbuch

Autoplay
Der Streit über die Straßenverkehrsordnung geht weiter. Der Bundesrat lehnte einen Kompromiss ab. Für Autofahrer kann das kuriose Konsequenzen haben. Sogar die Winterreifenpflicht könnte wieder außer Kraft getreten sein.

Worum geht es

Wer mit 51 Kilometern pro Stunde in einer Dreißigerzone geblitzt wird, dem drohte Unheil: Vier Wochen Fahrverbot standen laut überarbeiteter Fassung der Straßenverkehrsordnung (StVO) an – dazu noch 80 Euro Bußgeld und ein Punkt in Flensburg.

Doch Verkehrssünder konnten aufatmen. Weil die Neufassung einen Formfehler enthielt, wurde die Regelung außer Vollzug gesetzt. Einkassierte Führerscheine mussten wieder zurückgegeben werden.

Am Freitag kam der Bundesrat zusammen, um einen Ausweg zu finden. Doch während einige Länder nur den Formfehler beheben wollten, drängten andere darauf, auch die verschärften Bestimmungen wieder zu lockern. Und so blieb eine Entscheidung der Länderkammer aus. Jetzt muss weiter nach einem Kompromiss gesucht werden.

Der andauernde Streit über die Straßenverkehrsordnung könnte die Tür für kuriose Konsequenzen öffnen: So warnt das baden-württembergische Verkehrsministerium davor, dass möglicherweise auch vorherige Novellen der Straßenverkehrsordnung nichtig sind. Denn auch dort könnten Zitierfehler eingeflossen sein.

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Seinen Verdacht, der auf der Einschätzung eines baden-württembergischen Richters beruht, schickte das Ministerium kürzlich in einem Brief an die anderen Verkehrsministerien der Länder sowie an das Bundesverkehrsministerium. Betroffen wären demnach auch die Fassungen aus den Jahren 2013 und 2009.

Verschärfungen ohne Bestand?

Folgt man nun der Argumentation, könnten zahlreiche Verschärfungen der vergangenen elf Jahre vor Gericht keinen Bestand haben. Es gebe etwa keine Pflicht von Winterreifen mehr, solange die Sommerreifen ein ausreichend tiefes Profil haben, schreibt die Berliner Anwaltskanzlei von Rüden, die sich unter anderem auf Verkehrsrecht spezialisiert hat.

Zudem würde es nur noch ein Bußgeld von 20 Euro kosten, wenn man auf der Autobahn keine Rettungsgasse bildet – statt 200 Euro zuzüglich zwei Punkte in Flensburg und einem einmonatigen Fahrverbot. „Das Handy am Steuer wäre zwar verboten“, heißt es von der Kanzlei. Die Polizei müsste aber Beweise liefern, was sie oft nicht könne.

Außerdem wäre es nicht mehr untersagt, andere Geräte wie MP3-Player oder Tablets während der Fahrt in die Hand zu nehmen. Denn all diese Verschärfungen kamen mit Neufassungen, die ebenfalls Formfehler aufweisen könnten.

„Die Gefahr von großer Rechtsunsicherheit ist da“, sagte der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) WELT. Die Länder könnten dies jedoch nicht beheben. „Das ist Aufgabe der Bundesministerien.“

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Allerdings ist die Beurteilung aus Baden-Württemberg umstritten. Das Bundesverkehrsministerium teile die Rechtsauffassung nicht, dass auch in den vorherigen Fassungen Formfehler eingeflossen sind. Das Haus von Andreas Scheuer (CSU) sieht offenbar keinen Bedarf für ein schnelles Eingreifen. Und im Bundesjustizministerium würden Prüfungen derzeit noch laufen.

Unsicherheit wegen Formfehler

Ende April trat die Neufassung der StVO in Kraft. Dabei ging es vor allem um einen höheren Schutz und bessere Bedingungen für Fahrradfahrer. Jedoch sollten auch Autofahrer bei Geschwindigkeitsvergehen deutlich härter bestraft werden.

So drohte ein Führerscheinentzug von vier Wochen bereits dann, wenn Fahrer in Ortschaften 21 km/h und außerorts 26 km/h zu schnell unterwegs sind. Der Bundesrat hatte darauf gedrängt, zuvor lagen die Schwellen bei Geschwindigkeitsüberschreitungen höher.

Eigentlich hatten sich die Regierungen von Bund und Ländern also längst auf die Verschärfung verständigt. Die Novelle war beschlossene Sache, ehe der Formfehler sie wieder außer Kraft setzte. Bei der neuen StVO wurde das sogenannte Zitiergebot des Grundgesetzes verletzt. So muss bei Erlass einer Verordnung angegeben werden, auf welcher Rechtsgrundlage der Verordnungsgeber gehandelt hat.

Das Bundesverkehrsministerium sorgte sich jedoch von Anfang an um die Verhältnismäßigkeit. Die Strafen seien zu scharf, der Führerschein zu schnell weg. Auch eine Online-Petition des Automobilclubs Mobil in Deutschland forderte, die Änderungen rückgängig zu machen. Die Initiative fand mehr als 140.000 Unterstützer.

Da bot der Formfehler plötzlich neuen Verhandlungsspielraum. Während die von den Grünen regierten Länder lediglich eine Ausbesserung des Fehlers forderten, erkannten vor allem CDU, SPD und FDP eine Chance, die Verschärfungen wieder abzuschwächen.

Ausschuss macht Kompromissvorschlag

Der Kompromissvorschlag, den der Verkehrs- und Innenausschuss des Bundesrates übereinstimmend empfohlen hatte, sollte die ursprünglich beschlossenen Sanktionen für Geschwindigkeitsüberschreitungen modifizieren. Fahrverbote sollten demnach nur bei Geschwindigkeitsverstößen an Gefahrstellen wie Autobahnbaustellen oder Schulen und Kindergärten sowie im Wiederholungsfall verhängt werden. Im Gegenzug sollten höhere Bußgelder drohen.

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Verkehrssicherheit lasse sich aus Sicht des baden-württembergischen Verkehrsministers Hermann mit verschiedenen Maßnahmen erreichen. „Aber die bisher vorgeschlagenen Erhöhungen um 20 bis 25 Euro sind eher ein Witz“, sagte er gegenüber WELT. Es gehe nun darum, sich auf gemeinsame Eckpunkte zu verständigen.

„Wir lehnen nicht jeden Punkt des Kompromissvorschlags ab“, signalisierte Hermann Gesprächsbereitschaft. Das Verkehrsministerium warf den Grünen hingegen vor, den Kompromiss zu blockieren. Alle Beteiligten bis auf eine politische Kraft seien an einer Kompromisslösung interessiert, sagte der Parlamentarische Staatssekretär Steffen Bilger (CDU) am Freitag in seiner Rede im Bundesrat.

Wann es zu einem weiteren Reparaturversuch kommt, ist derzeit nicht absehbar, heißt es von der Länderkammer. Klar scheint jedoch: Je mehr Zeit verstreicht, desto länger könnten Verkehrssünder auf mildere Sanktionen pochen. Ob die tatsächlich elf Jahre zurückreichen, dürfte bald Gerichte beschäftigen.

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