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Barbershops

„Europaweite Epidemie“ – Hautpilz breitet sich rasant aus

Veröffentlicht am 11.07.2024Lesedauer: 4 Minuten
Ein Barbershop in Sachsen-Anhalt. Hautpilz Trichophyton tonsurans
Ein Barbershop in Sachsen-Anhalt (Symbolbild)Quelle: picture alliance/dpa/Simon Kremer

Eine trockene Stelle, die Haut unter dem Haar ist etwas gerötet: Der hochansteckende Pilz Trichophyton tonsurans verbreitet sich derzeit auf den Köpfen vieler junger Männer. Als Infektionsquelle stehen jene Barbershops unter Verdacht, in denen angesagte Schnitte für kleines Geld zu haben sind.

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Schuppende und teils auch eitrige Pilzinfektionen auf dem Kopf und im Bartbereich nehmen vor allem bei männlichen Jugendlichen und jungen Männern rasant zu. Fachleute gehen davon aus, dass sich die Personen überwiegend in Barbershops infizieren – also in Friseurgeschäften, die sich vor allem an diese Kundengruppe wenden und mit günstigen Preisen werben.

„Die steigende Zahl von Infektionen mit dem Pilz Trichophyton tonsurans ist ein richtiges Problem und erst in den letzten etwa drei Jahren aufgekommen“, berichtet Pietro Nenoff, Laborarzt und Professor für Dermatologie an der Uni Leipzig. „Es gibt einen stetigen Anstieg.“ Ursache der Infektionen sei mangelnde Hygiene und unzureichende Desinfektion etwa von Rasiergeräten.

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Alleine in seinem Labor seien im vergangenen Jahr fast 350 Nachweise des Pilzes gelungen, führt Nenoff aus. „Das ist für diesen eigentlich eher seltenen Pilz wirklich viel.“ Bundesweit dürften es inzwischen tausende Infektionen sein.

Zunächst seien Erkrankungen vornehmlich aus den alten Bundesländern gemeldet worden, „inzwischen ist ganz Deutschland betroffen“. Der Dermatologe Martin Schaller von der Universität Tübingen sprach am Wochenende gegenüber dem Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sogar von einer „europaweiten Epidemie“. Der Pilz werde inzwischen drei- bis fünfmal so oft nachgewiesen wie noch vor fünf Jahren, sagen Schaller und Nenoff.

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Hohe Dunkelziffer – Meldepflicht gefordert

Der häufige Zusammenhang zwischen den Infektionen und Besuchen im Barbershop sei mittlerweile unstrittig, erklärt Nenoff. Zuallererst hätten vor wenigen Jahren Kollegen aus Duisburg dies vermutet, nachdem 17 Jugendliche und junge Männer sich infiziert hatten und allesamt zuvor in einem Barbershop gewesen waren. Eine Quelle für den Pilz fand sich Nenoff zufolge zunächst aber nicht.

Forscher aus Kiel hatten drei Jahre später gemeinsam mit dem dortigen Gesundheitsamt dann Infektionen von anderen Betroffenen mit dem Erreger in einem zuvor besuchten Barbershop nachweisen können: Der Pilz war in Rasiergeräten und einer Schublade zur Lagerung der Geräte gefunden worden.

Die Dunkelziffer sei hoch, denn eine Meldepflicht gebe es für diesen Pilz nicht, sagt Nenoff. Trichophyton tonsurans ist sehr ansteckend und kann auch innerhalb von Familien oder Gruppen von Kita-Kindern übertragen werden, die zuvor mit einer infizierten Person zusammen waren.

Gerade bei Minderjährigen sei die Behandlung aber nicht so einfach, da die Tabletten dagegen für Unter-18-Jährige nicht zugelassen seien, sagt Nenoff. „Die Krankheit sollte unbedingt meldepflichtig sein, das ist überfällig.“ Man müsse die Infektionsquellen finden und dringend appellieren, dass Barbershops die gängigen Hygienestandards einhalten.

Friseurinnung fordert mehr Kontrollen

Möglicherweise mit ein Grund für die Verbreitung des Pilzes: Nichtwissen um hygienische Notwendigkeiten und die mangelnde Fortbildung von Mitarbeitern beziehungsweise die Beschäftigung ungelernter Mitarbeiter. Oft sei in Barbershops kein Friseurmeister vor Ort, der auf die Einhaltung hygienischer Standards achten könne, sagt die Obermeisterin der Friseurinnung Erlangen, Judith Warmuth.

Dazu gehöre die fachmännische Desinfektion von Maschinen und Scheren mit speziellen Mitteln oder auch Tauchbäder der Friseur-Utensilien in spezielle Desinfektionslösungen. Sie bezweifele, dass die Mitarbeiter in Barbershops entsprechend geschult würden.

„Barbershops haben alle ihre Daseinsberechtigung“, sagt Warmuth. Auch verbreite sich der Pilz nicht nur dort. Es sei aber wichtig, dass Betriebe generell besser von der Handwerkskammer oder auch den Berufsgenossenschaften kontrolliert würden. „Die Genehmigungsbehörden winken einfach zu viel durch“, findet sie. „Wir kämpfen darum, dass genauer hingeschaut wird.“ Der Verband des Friseurhandwerks wollte sich nicht äußern und hatte auf die Erlanger Friseurinnung verwiesen.

Der Fadenpilz ist seit Jahrzehnten bekannt, viele Fachleute nennen ihn auch „Mattenpilz“ oder „Ringerpilz“, erläutert Nenoff. Ursprünglich gelangte der Erreger über Kampfsportler, vor allem auf Matten kämpfende Ringer, auf die Köpfe von Betroffenen. „Inzwischen aber sind solche Infektionen auch mit Barbershops in Verbindung zu bringen.“

Pilz kann zu dauerhaften Haarausfall führen

Die Infektion mit dem Fadenpilz äußert sich in Form von schuppigen und geröteten Stellen. Wenn der Pilz nach dem Schnitt etwa mit einer Rasierklinge oder durch andere kleinere Verletzungen unter die Haut gerät, kann es auch zu eitrigen Pusteln, Vernarbungen und auch Haarausfall kommen. Eine Infektion sei gut behandelbar – äußerlich, aber auch von innen mit Tabletten. Die Mittel dagegen seien wirksam und es gebe keine Resistenzen. „Noch nicht“, sagt Nenoff.

Allerdings müssten die Tabletten regelmäßig und über einen langen Zeitraum, teils bis zu drei Monate lang genommen werden, führt auch der „Spiegel“ in seinem Beitrag aus. Wer dies nicht tue, riskiere eine Rückkehr der Pilze und eine dauerhafte Schädigung der betroffenen Haarwurzeln. Diese wiederum könnten durch die Infektion absterben und die Haut an der Stelle vernarben, sodass dauerhaft kahle Stellen drohen.

dpa/krott