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„Hart aber fair“

„In der islamischen Welt sind das erst einmal ganz normale Terminologien“

Von Björn-Hendrik Otte
Veröffentlicht am 30.04.2024Lesedauer: 5 Minuten
Robin Alexander (l) von der WELT neben der Publizistin Khola Maryam Hübsch, die Mitglied des Hessischen Rundfunkrates ist
WELT-Autor Robin Alexander (l.) neben der Publizistin Khola Maryam Hübsch, die Mitglied des Hessischen Rundfunkrates istQuelle: WDR/Oliver Ziebe/© WDR

Bei „Hart aber fair“ ging es um das neue CDU-Grundsatzprogramm und die Islamisten-Demonstration in Hamburg. Mario Voigt von der CDU stellt klar, wer in Deutschland die Scharia möchte, könne gern ein „One Way Ticket sonst wohin nehmen“. Und er nennt den „Döner zum Aufbacken“ einen Akt gelebter Integration.

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So viel CDU war selten an einem Abend in der ARD. Zuerst lief am Montagabend die Dokumentation „Die Merz-Strategie – Wohin steuert die CDU?“. Im Anschluss stellte Louis Klamroth seine Sendung „Hart aber fair“ unter das Motto: „Rechtsruck oder Kurs der Mitte: Soll Deutschland konservativer werden?“

Zur Diskussion geladen waren der CDU-Spitzenkandidat für die Thüringer Landtagswahl, Mario Voigt, Sahra Wagenknecht – Vorsitzende des nach ihr benannten Bündnisses BSW – und der Juso-Bundesvorsitzende Philipp Türmer.

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Den Politikern saßen der stellvertretende Chefredakteur der WELT, Robin Alexander, gegenüber sowie die Komikerin und Aktivistin Enissa Amani und die muslimische Publizistin Khola Maryam Hübsch.

Stoff zur heftigen Debatte in der Sendung lieferte vor allem eine Passage aus dem neuen CDU-Grundsatzprogramm. Kommende Woche wollen die Christdemokraten es auf ihrem Parteitag verabschieden. Ein erster Entwurf hatte bei Islamverbänden für Empörung gesorgt. Die Partei besserte nach und schrieb später in das Papier: „Ein Islam, der unsere Werte nicht teilt und unsere freiheitliche Gesellschaft ablehnt, gehört nicht zu Deutschland.“

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„Das ist wie Pegida in Dresden nur auf islamisch“

Mario Voigt legte in der Sendung nach: „Kalifat und Scharia gehört nicht zu unserem Land. Wer das möchte, der kann gerne ein One Way Ticket sonst wohin nehmen, aber garantiert nicht in Deutschland.“ Der Thüringer CDU-Vorsitzende erinnerte an die Islamisten-Demonstration in Hamburg vergangenen Sonntag. Dort waren mehr als 1000 Teilnehmer durch die Straßen gezogen. Manche Demonstranten forderten auf Schildern ein Kalifat oder bezeichneten Deutschland als „Wertediktatur“.

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Im Gegensatz zum Rest der Runde zeigte sich Hübsch wenig empört über die Demonstration. „Ich gehöre einer Gemeinde an, die hat einen Kalifen“, erklärte die Publizistin, die seit dem Jahr 2021 Vertreterin der muslimischen Glaubensgemeinschaften im Rundfunkrat der Hessischen Rundfunks ist. Sie fügte hinzu, der Kalif in ihrer Gemeinde setze sich gegen Kriege ein.

„Sie sehen die Demo gestern nicht als Problem an?“, hakte Klamroth erstaunt nach. Hübsch wich aus und nahm sich lieber das CDU-Grundsatzprogramm. Sätze wie „Die Scharia gehört nicht zu Deutschland“ seien „Populismus“. Scharia und Kalifat seien „politische Kampfbegriffe“ geworden. „In der islamischen Welt sind das erst einmal ganz normale Terminologien“, sagte Hübsch.

„Sie sollten das nicht verteidigen“, riet Alexander der Publizistin. „Das ist wie Pegida in Dresden nur auf islamisch.“ Interessant sei, dass das Thema Islam gerade von der CDU behandelt werde, fügte der WELT-Journalist hinzu. Sei es doch Wolfgang Schäuble von der CDU gewesen, der als Innenminister die Islamkonferenz mit der Überlegung ins Leben gerufen hätte: „Wie können wir als Regierung die Muslime so behandeln wie, als wären sei eine Kirche, obwohl sie keine sind?“ „Die Ampel, die ja immer so multikulti tut, die haben absolut keine Vorstellung, was sie machen sollen“, stellte Alexander fest.

Die Bestätigung dafür lieferte im Anschluss Türmer. Der Juso-Chef schob die Hamburger Islamisten-Demo beiseite und erzählte von Muslimen, die seine Heimatstadt Offenbach belebten.

„Auf breiter Linie gelingt Integration“, erklärte Türmer und schob die Verantwortung der CDU zu. Wer bei der Frage, ob der Islam zu Deutschland gehört, herumdruckse, treibe junge Muslime in die falschen Arme. Ob die Muslime in Hamburg vorher das Grundsatzprogramm der CDU gelesen hätten, fragte Alexander im Scherz nach.

Danach debattierte die Runde über das zweite Reizthema des Abends: die Leitkultur. Komikerin Enissa Amani, deren Eltern politisch Verfolgte aus dem Iran sind, fühle sich durch den Begriff „getriggert“. Amani schlug im Anschluss einen etwas weiteren Tugend-Bogen. Sie wünsche sich, dass genauso wie über die Hamburger Islamisten-Demo darüber gesprochen werde, „wie viele Milliardäre davonkommen mit zwei Prozent Steuern“.

Voigt, der im September Ministerpräsident in Thüringen werden will, versuchte dagegen für sein Modell der Leitkultur zu werben. Dabei startete der CDU-Mann noch vielversprechend. „Leitkultur ist ein einigendes Band. Das ist eine Einladung, für all diejenigen, die nach Deutschland kommen, als Maßstab, was hier gilt“, erklärte Voigt, „das ist nicht nur Verfassungspatriotismus. Das ist auch unsere Kultur, unsere Tradition.“

Im Entwurf des CDU-Grundsatzprogramms schreibt die Partei, eine deutsche Leitkultur könne nur mit „Verständnis unserer Traditionen und Bräuche“ gelingen. Als Klamroth vom CDU-Politiker Beispiele für Bräuche haben möchte, verzettelt dieser.

Am Beispiel seines Bundeslandes Thüringen erklärt er: „Wir sind bekannt als Land der Dichter und Denker, aber bei uns gibt es auch die Bratwurst.“ Dann berichtet Voigt von seinem Besuch bei einem in Thüringen lebenden Türken, der sich einen Döner zum Aufbacken habe patentieren lassen. „Das ist quasi gelebte Integration in Thüringen“, erklärte Voigt.

Wagenknecht offen für Zusammenarbeit mit CDU

Ob der CDU-Politiker damit der AfD in Thüringen Wählerstimmen abwerben kann, wird sich bei der Wahl im September zeigen. Eine Insa-Umfrage aus dem März sieht Voigts Partei aktuell mit 21 Prozent auf dem zweiten Platz, hinter der AfD mit 31 Prozent.

Die Linke käme demnach auf 16 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht auf 13 Prozent. Will die CDU den Ministerpräsidenten stellen, wäre die Partei auch auf die Stimmen der Wagenknecht‑Partei angewiesen. Eine Wahl mit den Stimmen von AfD‑Abgeordneten schloss Voigt erneut aus.

Wagenknecht zeigte sich in der Sendung offen für eine Zusammenarbeit. Sie nannte bereits erste Projekte, die ihre Partei in Thüringen ändern will. „Ich wünsche mir, dass wir in Thüringen ein Schulsystem haben, wo Kinder in der Grundschule wieder ordentlich lesen, schreiben und rechnen lernen“, erklärte die Bundestagsabgeordnete. Sie wolle eine Zusammenarbeit aber an Inhalten festmachen: „Wir werden kein Mehrheitsbeschaffer von Herrn Voigt um jeden Preis sein. Das macht die AfD beim nächsten Mal doppelt so stark.“