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Wie ich meine Waschmaschine reparieren wollte und daran scheiterte

Autorenprofilbild von Jakob Gierth
Von Jakob GierthRedakteur im Ressort Nachrichten und Gesellschaft
Veröffentlicht am 24.08.2023Lesedauer: 5 Minuten
Mit schicken Bildern und einer reparierten Waschmaschine wollte der Autor bei seiner Familie angeben – daraus wurde leider nichts
Mit schicken Bildern und einer reparierten Waschmaschine wollte der Autor bei seiner Familie angeben – daraus wurde leider nichtsQuelle: Jakob Gierth

„Nicht gleich neu kaufen, nur weil es nicht geht!“ Mit dieser Mentalität wuchs unser Autor auf. Dann ging seine Waschmaschine kaputt. Doch beim Versuch, diese selbst zu reparieren, musste er der Realität ins Auge blicken. Szenen einer Kapitulation.

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Um meine Mitmenschen nicht mit stinkenden Klamotten zu ärgern, muss ich Wäsche waschen. Nur ist meine Maschine defekt. Sie springt und wandert bei jedem Schleudergang, wobei ich sie immer festhalten muss. An zu viel Wäsche kann es nicht liegen. Ursache der Rüttel-Orgien sind wahrscheinlich verschlissene Stoßdämpfer an der Trommelhalterung. Das sagt nicht nur das Internet, sondern auch mein Schwager und mein Vater. Klarer Fall also. Etwas muss passieren.

Jährlich landen 835.000 Tonnen Elektrogeräte aus deutschen Privathaushalten im Müll. Das sind gut zehn Kilo pro bundesdeutscher Nase. Meine Maschine wiegt laut Hersteller 59 Kilogramm. Gut die Hälfte der in der EU offiziell entsorgten Elektrogeräte sind „Haushaltsgroßgeräte“ wie Backöfen oder Waschmaschinen. Längst nicht alle sind defekt, ein Teil der Geräte wird durch effizientere oder schickere Produkte ersetzt.

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Ich muss an ein Lied denken, in dem es heißt: „Unser Weg dreht sich nicht nur um Konsum / Wer was ändern will, muss was dafür tun, DIY als Rebellion.“ Online bestelle ich also zwei neue Stoßdämpfer und Haltebolzen. Ich habe schon Rennautos und Regale selbst gebaut, Computer zusammengeschraubt und Sandsteinmauern hochgezogen. Handwerken lehrte mich mein Vater und ihn seiner.

Was(ch) für ein Debakel

Als ich die Ersatzteile endlich in den Händen halte, fühle ich mich zuversichtlich. Die Maschine wegwerfen? Nicht hier, nicht heute. Doch immer der Reihe nach: Stecker ziehen, den Haupthahn für die Küche abdrehen und dann den Frischwasserschlauch der Maschine. Eimer und Lappen nicht vergessen, ebenso wenig den Schlauch fürs Abwasser zu lösen.

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Corpus Delicti: der ausgebaute Stoßdämpfer
Corpus Delicti: der ausgebaute StoßdämpferQuelle: Jakob Gierth

Die Schrauben lassen sich gut lösen, und so hebe ich das obere Panel der Maschine ab. Noch den Waschmittelkasten raus, dann geht’s auch schon an die Vorderseite meiner Waschmaschine. Erstaunlich, wie so eine Waschtrommel inklusive Betongewichten an nur zwei Federn hängt und von zwei Dämpfern gehalten wird.

Ich trage Adiletten, eine lange Jogginghose, ein graues Unterhemd und drüber (noch) ein rotes Polohemd. Ich fühle mich wie Vati aus dem öffentlich-rechtlichen Vorabendprogramm. Nur für Bier ist es noch zu früh. Über das Smartphone höre ich R.SA, eine sächsische 80er-Jahre-Welle. Insgeheim berichte ich schon der Familie von der geglückten Reparatur.

Wieder ein paar Schrauben und ran ans Bedienfeld. Danach widme ich mich der Tür, hebele den Dichtungsring herunter und löse wieder Schrauben. Augenblicke später fällt mir die Front-Verkleidung in die Hände. Ich entferne das vordere Betongewicht an der Trommel, das ihr Trägheit aufzwingt. Mit dem 13er-Gelenkschlüssel hole ich es aus seiner Verankerung. Opas Werkzeugkasten ist sein schönstes Erbe. Jetzt sehe ich die Stoßdämpfer auch schon und verliere jede Hoffnung.

Kabelsalat und Urgroßmutters Topflappen: Noch scheint die Welt in Ordnung
Kabelsalat und Urgroßmutters Topflappen: Noch scheint die Welt in OrdnungQuelle: Jakob Gierth

Die beiden Dämpfer sind dermaßen unzugänglich platziert, da bekomme ich eher die Hausschlüssel zum Kanzleramt, als Haltebolzen und Dämpfer zu fassen. Entweder hat der Ingenieur gepennt oder ich muss von Vorsatz ausgehen. Noch viel schlimmer aber: Mittlerweile glaube ich, dass meine Waschmaschine nicht kaputt, sondern einfach nur sch*** ist. Denn der erste mühsam ausgebaute Stoßdämpfer unterscheidet sich im Dämpfungsverhalten kaum vom offiziellen Ersatzteil. Zum ersten Mal denke ich: Bin vielleicht ich der Dumme hier?

Wenn es aber nicht am Stoßdämpfer liegt, was dann? Kann man den Ingenieur dafür verklagen oder wenigstens Durchfall wünschen?

Für die Ersatzteile habe ich 50 Euro bezahlt. Wahrlich kein Schleuderpreis. Beim Reparateur würde ich 119 Euro für Anfahrt und Montage zahlen exklusive Materialkosten. Mein weißer Nichtskönner hat neu nur 329 Euro gekostet. Bei dem Preis erwarte ich eigentlich auch eine gute Reparaturfähigkeit, eben weil es günstig ist. „Kaufste billig, kaufste zweimal“, damit holt die Realität mich wieder ein.

Geplante Kurzlebigkeit und eigene Unzulänglichkeiten

Schon vor zehn Jahren stellte Stiftung Warentest tatsächlich fest, dass 30 Prozent der günstigen Waschmaschinen bis 550 Euro nach zehn Jahren kaputtgehen. Bei Modellen über 700 Euro fällt nur jedes zehnte aus. Damals machte Stiftung Warentest außerdem Tricks der Hersteller aus, die ihre Produkte durch die Verwendung minderwertiger Materialien und/oder die gewollt schlechte Erreichbarkeit von Verschleißteilen bewusst schwächten. Die Praktik der „geplanten Obsoleszenz“ ist weitverbreitet – leider. Als Post-Wende-Ossi baut sich antikapitalistische Sauerkeit auf.

Es heißt ja immer, man könne Beziehungen reparieren. Und meine Waschmaschine und ich, wir hatten vor der Reparatur keine Beziehung. Jetzt aber, da ich das Ding entkleidet habe, es nur noch als Komponententräger vor mir steht und ich vor ihm liege, hat sich die Sache verkehrt. Wir haben erst eine Beziehung durch das Reparieren aufgebaut und es läuft richtig schlecht. Wer hat schuld? Ich weiß es nicht. Allein meine Waschmaschine, hilflos und nackt, sie kann nichts dafür.

Perspektivwechsel sollen helfen, Probleme zu lösen. In diesem Falle leider nicht
Perspektivwechsel sollen helfen, Probleme zu lösen. In diesem Falle leider nichtQuelle: Jakob Gierth

In den Videos, die ich zur Vorbereitung geschaut habe, ging alles einfach und innerhalb von Minuten. Zack, zack, paar Schrauben raus usw. usf. – fertig! Und tatsächlich habe ich die Stoßdämpfer ja auch schon freigelegt. Der Unterschied ist: Auch in den Videos waren es meistens Markengeräte.

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Aber ich gebe nicht auf. Vom Ausbau des rechten Stoßdämpfers habe ich mich komplett verabschiedet, und beim Wiedereinbau des linken rinnen Tränen. Jedenfalls bekomme ich den oberen Haltebolzen des Dämpfers kaum in die vorgesehene Führung. Zwar habe ich auch die Wartungsluke hinten gelöst, aber der Freiraum ist lächerlich verbaut. Ich probiere es wieder von vorn.

Blick von vorn: Der linke Stoßdämpfer samt Bolzen im Originalzustand. In terracotta das Trommelgehäuse, dahinter der Antriebsmotor
Blick von vorn: Der linke Stoßdämpfer samt Bolzen im Originalzustand. In terracotta das Trommelgehäuse, dahinter der AntriebsmotorQuelle: Jakob Gierth

Dort komme ich theoretisch besser ran, doch das Trommelgehäuse ist im Weg. Irgendwie bekomm’ ich den Bolzen (kleiner Trick: ein paar Tropfen Spülmittel oder Schraubenfett drauf) aber rein.

„Verdammt noch mal, ich bin Post-Wende-Ossi“, sage ich mir: „Ich habe wahrscheinlich so ziemlich jedes Trauma der Neuzeit vererbt bekommen, soll vor Wessi-Freunden gelegentlich ‚ostdeutsch‘ sprechen und lass mir weiß Gott nicht von einer Waschmaschine den Tag verderben.“ Wir Ossis sind nämlich per du mit jeder Art Maschine, lüge ich mir die Situation schön. Ich halte zu meiner Schleuder. „Wir haben so vieles geschafft – wir schaffen das!“, denke ich.

Stimmung nach der „Reparatur“ dürfte klar sein
Stimmung nach der „Reparatur“ dürfte klar seinQuelle: Jakob Gierth

Von vorn betrachtet sitzt der obere Bolzen des linken Stoßdämpfers mittlerweile, wo er sitzen soll. Ich fühle mich angespornt. Jetzt noch der unten und das sollte flutschen. Siehe da, es flutscht nicht. Erst mal eine rauchen. Nach der Kippe lautet meine fachmännische Einschätzung: Ich werde mir ein neues Gerät kaufen.