Die letzte Rückpassorgie der Fußballgeschichte traf Deutschland ins Mark
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Von Stephan Flohr
1992 gewinnt die dänische Nationalmannschaft sensationell den EM-Titel. Im Finale schlägt das Team die DFB-Elf. Besonders in der zweiten Halbzeit nutzt es fragwürdige Mittel, die danach nicht mehr legal und möglich sein werden.
Flemming Povslen legte sich den Ball an der Mittellinie zum Freistoß zurecht. Dänemark führte im EM-Finale 1992 sensationell 2:0 gegen Deutschland und stand kurz vor dem Titel-Gewinn. Povlsen schlug den Freistoß quer über den halben Platz in Richtung des Strafraums. Allerdings nicht in den deutschen, sondern in die Arme seines Torwartes Peter Schmeichel. 32 Jahre später steht sein Sohn Kasper bei der EM im Achtelfinale am Samstag gegen Deutschland (21 Uhr, ZDF, MagentaTV und im WELT-Liveticker) im Tor.
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Der Freistoß war der Höhepunkt einer Rückpass-Orgie, mit der die Dänen in der zweiten Halbzeit das Tempo aus dem Spiel nahmen und die deutsche Nationalmannschaft entnervten. Fast jeden Freistoß in der eigenen Hälfte spielte Dänemark, das in der ersten Halbzeit in Führung gegangen war, zurück zu ihrem Torwart. Immer wieder musste Mittelstürmer Jürgen Klinsmann auf Schmeichel zurennen, damit dieser den Ball endlich in die Hände nahm. Minuten um Minuten verronnen. Mit großem Erfolg für die Dänen – sie gewannen durch die Tore von Faxe Jensen und Kim Vilfort sensationell den EM-Titel.
Das Endspiel war die letzte Partie, in der Torhüter nach einem Zuspiel den Ball noch mit der Hand aufnehmen durften. Dänemark kostete dies in vollen Zügen aus und verabschiedete die gute, alte Zeit mit einem wahren Rückpass-Feuerwerk.
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Nach der Europameisterschaft griff die Rückpassregel, die nach der WM 1990 beschlossen worden war. Wohl keine Regeländerung hat den Fußball so viel schneller und dynamischer gemacht. Vorbei die Zeiten, in denen Abwehrspieler in Bedrängnis einfach den Ball nach hinten gaben und Mannschaften durch das destruktive Spiel sich neu sortieren und viele Minuten gewinnen konnten.
Sepp Blatter führte die Rückpassregel ein
Nach der WM 1990, bei der im Schnitt nur 2,21 Tore pro Partie erzielt worden waren (niedrigster Wert aller Weltmeisterschaften), beklagte sich der damalige Fifa-Generalsekretär Sepp Blatter über das dauernde Zeitspiel und die destruktive Spielweise vieler Mannschaften.
Er beschloss die Einführung der neuen Regel, um effektiv dagegen vorzugehen. Zwei Jahre hatten die Spieler noch Zeit, bis die Regel griff. 1997 wurde sie nochmals verschärft. Ab sofort durften die Torhüter auch keine Einwürfe von Mitspielern mit den Händen aufnehmen.
Fans des FC Schalke 04 dürften die Einführung der Rückpassregel bis heute verdammen. Im dramatischen Meisterschaftsfinale 2000/2001 sorgte ein Rückpass des Hamburgers Tomas Ujfalusi auf seinen Torwart Mathias Schober für die Entscheidung. Der HSV-Keeper nahm den Ball mit der Hand auf. Der FC Bayern glich in der Nachspielzeit per Freistoß durch Patrik Andersson beim HSV zum 1:1 aus und entriss Schalke in der letzten Sekunde noch die Meisterschaft.