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  5. EM 2024 - TV-Experte Thomas Broich: „Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, uns wehzutun“

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EM Thomas Broich

„Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, uns wehzutun“

Redakteur
Der deutsche Nationalspieler Toni Kroos hält sich das rechte Bein Der deutsche Nationalspieler Toni Kroos hält sich das rechte Bein
Mit einem leicht schmerzverzerrtem Gesicht liegt Toni Kroos nach einem Foul gegen ihn auf dem Rasen
Quelle: dpa/Arne Dedert
Präzise Analysen, großes Fachwissen: Thomas Broich gilt als einer der besten TV-Experten. Von der EM ist er bislang angetan. Die meisten Teams seien pro-aktiv, variabel und lösungsorientiert. Ein Gespräch über Pressing, Cutbacks – und eine deutsche Mannschaft, die Fragen aufwirft.
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Sechs Jahre ist es her, dass er erstmals als Experte bei der ARD im Einsatz war. Thomas Broich, ehemaliger Fußballprofi, erfreut sich in seiner Funktion seitdem großer Beliebtheit. Er bringt Mehrwert, weil er fachlich überzeugt, aber auch mit der Art, wie er die TV-Zuschauer als ausgewiesener Taktikexperte unterhält. Der 43-Jährige, zum 1. Juli neuer sportlicher Leiter des Nachwuchsleistungszentrums von Borussia Dortmund wird, ist auch bei der laufenden EM für die ARD im Einsatz.

WELT: Herr Broich, wie fällt Ihr Fazit nach der Vorrunde aus sportlicher, fußballerischer Sicht aus – gibt es erste Erkenntnisse bei diesem Turnier?

Thomas Broich: Mir gefällt die EM bislang gut, die meisten Mannschaften sind pro-aktiv. Wobei wir davon ausgehen können, dass nun eine Phase kommt, in der sich das sicherlich etwas ändert, da nun mehr auf das Ergebnis geschielt wird. Viele Mannschaften haben den Anspruch, spielerische Lösungen zu finden. Auffällig ist zudem, dass die Mannschaften teils sehr vielseitig agieren.

Thomas Broich, 43, ist seit 2018 für die ARD als Experte im Einsatz.
Thomas Broich ist seit 2018 für die ARD als Experte im Einsatz. Zur neuen Saison wechselt er als Leiter des Nachwuchsleistungszentrums zum BVB
Quelle: picture alliance/augenklick/firo Sportphoto/Jürgen Fromme

WELT: Inwiefern?

Broich: Die Tore fallen auf sehr unterschiedliche Art und Weise. Es gibt nicht mehr diesen einen Weg, diese eine Lösung. Fast jede Mannschaft hat, wenn ich das mal so formuliere, einen Werkzeugkoffer, der sie sinnbildlich dabei unterstützt, Tore zu erzielen – und aufzeigt, wie Tore fallen können. Tore nach Pressing, Tore nach Gegen-Pressing, Tore nach einem Konter – oder können wir den Gegner eventuell filetieren, mit Steckpässen durch das Zentrum. Es wird mit Fernschüssen operiert oder mit Flanken auf den zweiten Pfosten, wenn Mannschaften tiefer verteidigen. Dann gibt es immer wieder sehenswerte Cutbacks, also Pässe in den Rückraum. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass die Mannschaften viele Szenarien meistern können. Das führt dazu, dass man selten den Eindruck gewinnt, dass in dem jeweiligen Spiel kein Tor fällt. Diese Vielseitigkeit sticht bei diesem Turnier hervor.

WELT: Gibt es Teams, die einen nachhaltigen Eindruck bei Ihnen hinterlassen haben?

Broich: Ich habe nicht damit gerechnet, dass die Spanier schon so gut sein würden. Ich bin ja seit jeher Fan von dieser Art des Fußballs. Aktuell bauen sie eine neue Generation auf, weshalb es mich überrascht, dass viele Dinge innerhalb des Teams schon so gut greifen. Vor allem ist ihr Spiel gepaart mit Elementen, die im modernen Fußball so wichtig sind.

Der erst 16 Jahre alte Lamine Yamal (r.) begeistert viele Experten
Erst 16 Jahre alt – und schon ein Star im Team der Spanier: Lamine Yamal (r.)
Quelle: dpa/Rolf Vennenbernd

WELT: Das heißt?

Broich: Die Spanier haben richtig viel Tiefe in ihrem Spiel. Wenn ich sehe, wie sie umschalten, wie sie die Bälle hinter die Kette des Gegners knallen – das ist beeindruckend. Lamine Yamal oder Nico Williams, das sind Spieler, die mich begeistern. Spanien hat es in seinen starken Jahren ausgezeichnet, dass man nicht nur eine Ballbesitzmaschine war, sondern dass sie griffig und aggressiv waren, wenn es darum ging, hohe Bälle zu gewinnen. Sie haben auch jetzt wieder eine defensive Kompaktheit und Aggressivität…

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WELT: … und sie sind in der Lage, im dritten Gruppenspiel gleich zehn Wechsel in der Startelf vorzunehmen, ohne dass der Spielfluss darunter leidet.

Broich: Das liegt daran, dass die fußballerische Grundidee so verankert ist. Das ist bei vielen Teams oder Nationen mehr oder weniger gut ausgeprägt – im Fall von Spanien muss man ja von der ganzen Nation sprechen, weil es die DNA des spanischen Fußballs ist. Bei Österreich hast du es auch, weil Ralf Rangnick dabei ist und mit ihm eine DNA entstehen konnte. Es ist ja nicht so, dass Österreich per se diese DNA hatte. Dass sie derart gut performen, überrascht mich aber nicht. Denn den Fußball, den sie zeigen, spielen sie mit Rangnick schon seit Monaten so gut.

Der italienische Innenverteidiger Riccardo Calafiori begeistert die Experten
Riccardo Calafiori (l.) zählt bislang zu den auffälligsten Spielern bei der laufenden EM. Der italienische Innenverteidiger steht beim FC Bologna unter Vetrrag
Quelle: Getty Images for FIGC/Claudio Villa

WELT: Sie sprechen die Trainer an. Bei den Engländern steht Gareth Southgate trotz des Gruppensiegs in der Kritik, weil dessen Mannschaft bislang spielerisch enttäuscht hat.

Broich: Ich habe das Gefühl, dass die meisten Mannschaften raus auf den Platz gehen, um das Spiel zu gewinnen. Bei den Engländern hingegen fühlt es sich so an, als würden sie erst einmal alles daransetzen, nur nicht zu verlieren. Das kann man sehr kritisch sehen, weil es ideenlos wirkt. Andererseits ist es für keine Mannschaft einfach, gegen sie zu spielen. Die musst du erst einmal schlagen. Ich bin mal gespannt, inwiefern sie sich noch steigern können.

WELT: Wie bewerten Sie die Franzosen, die aus dem Spiel heraus noch kein Tor erzielt haben?

Broich: Trotzdem ist ihr Fußball in Ordnung. Sie kreieren Chancen. Ich finde sie sogar sehr offensivfreudig – und gar nicht so pragmatisch. Sie marschieren und haben immer wieder erfrischende Elemente in ihrem Spiel, da sie einige sehr gute Einzelkönner haben. Ich würde sogar behaupten, dass bei Frankreich fast alle Spieler in wirklich richtig guter Form sind. Kante, Rabiot oder Griezmann – die bringen sich alle gut rein. Sie werden gegen jede Mannschaft leichter Favorit sein.

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Broich: Calafiori hat fraglos überzeugt. In etlichen Spielen sind diverse Einzelkönner herausgestochen. Zu sagen, dass ein Spieler dem Turnier seinen Stempel aufdrückt, soweit würde ich noch nicht gehen.

WELT: Lassen Sie uns noch ein paar Worte über die deutsche Nationalmannschaft verlieren. Wie gefällt Sie Ihnen bislang?

Broich: Ich bin sehr positiv eingestellt, was die Mannschaft betrifft. Wie haben eine breite Palette an Lösungen, wie wir zu einem Tor kommen können. Da ist alles dabei. Ich finde grundsätzlich auch unsere Ballzirkulation sehr gut. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass bei dieser Europameisterschaft für die Deutschen in alle Richtungen alles möglich ist. Ich traue uns zu „all the way“ zu gehen – und jeden Gegner zu schlagen.

WELT: Oha.

Broich: Ja, ich glaube nicht, dass wir vor Spanien, Frankreich oder England komplett in die Knie gehen müsste. Andererseits ist es aber auch nicht so, dass wir gegen irgendeine Mannschaft schon von vornherein gewonnen haben. Gegen die großen Nationen werden es Duelle auf Augenhöhe, weil ich keinen Gegner sehe, der gegen uns deutlich einen Vorteil hat. Doch wir sind noch nicht so gefestigt. Es gibt noch zu viele Spielphasen, in denen wir anfällig sind, das heißt, wenn wir mal gepresst werden oder es Konter gibt. Ich denke, es gibt viele Möglichkeiten, uns wehzutun.

WELT: Das hat man gegen die Schweiz gesehen.

Broich: Das stimmt. Und was die Konter betrifft, bin ich der Meinung, dass wir richtig krasse Konter gegen uns bei diesem Turnier noch gar nicht gesehen haben. Wenn ich jetzt lese oder höre, dass uns Ndoye im Spiel gegen die Schweiz richtig Probleme bereitet hat – bei allem Respekt, aber da gibt es international noch ganz andere Kaliber. Es wird aktuell gerade diskutiert, ob wir die meisten Probleme haben, wenn wir hoch attackiert werden oder hochstehen und in einen Konter laufen – ich glaube, sowohl als auch. Wir haben teilweise noch nicht die Selbstverständlichkeit und Ballsicherheit von hinten heraus. Und dadurch, dass unsere Außenverteidiger mit Maxi Mittelstädt und Joshua Kimmich sehr hochstehen, könnte uns noch eine andere Gefahr drohen, wenn wir da auf schnelle internationale Top-Spieler treffen. Ich habe eingangs schon Spieler aufgezählt, wie Lamine Yamal oder Nico Williams – und das sind nur zwei. Da wir ja wissen, auf wen wir treffen können, wenn es gegen Dänemark weitergeht, wird das nicht einfach. Da sind noch die Franzosen oder die Portugiesen, die ich auch sehr gut finde.

WELT: Zum Schluss würden wir gern noch wissen, wie Sie die neue Uefa-Regel mit Blick auf die Spiele und den Spielfluss empfinden, wonach nur noch der Kapitän mit dem Schiedsrichter in den Dialog gehen darf, um Rudelbildungen zu verhindern?

Broich: Es fällt auf, dass es insgesamt weniger Diskussionen auf dem Platz gibt, was für das Spiel an sich natürlich gut ist. Aber einen direkten Einfluss auf den Spielfluss sehe ich diesbezüglich nicht.

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