WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Sport
  3. Fußball
  4. EM
  5. Italien: „Man kommt zur Nationalelf, um die EM zu gewinnen und nicht bei Call of Duty“

Präsentiert von
EM Titelverteidiger Italien

„Man kommt zur Nationalelf, um die EM zu gewinnen und nicht bei Call of Duty“

Nach dem Sieg gegen England reckten Italiens Fußballer 2021 die EM-Trophäe in die Höhe – diesmal glaubt kaum jemand an einen Titel Nach dem Sieg gegen England reckten Italiens Fußballer 2021 die EM-Trophäe in die Höhe – diesmal glaubt kaum jemand an einen Titel
Nach dem Sieg gegen England reckten Italiens Fußballer 2021 die EM-Trophäe in die Höhe
Quelle: picture alliance/dpa/Christian Charisius
Vor drei Jahren wurde Italien Europameister. Doch das aktuelle Team präsentiert sich in erschreckender Verfassung. Trainer Luciano Spalletti versucht die Trendwende im Quartier in Iserlohn mit züchtigem Herbergsgeist einzuleiten.
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Am Montag werden Italiens beste Fußballer in Iserlohn aufschlagen, und einer kommt mit besonders süßen Erinnerungen. Teammanager Gianluigi Buffon war Torwart, als sich die Nazionale vor 18 Jahren knapp hundert Kilometer weiter westlich in Duisburg einquartierte. Gut einen Monat später stand sie als Weltmeister da. Zur EM reist Italien nun von vornherein als Titelverteidiger. Der Ort passt, die Geschichte auch: ein klarer Turnierfavorit also. Oder etwa nicht?

Die Sporteuphorie jenseits der Alpen beschränkte sich dieser Tage exklusiv auf Tennisliebling Jannik Sinner, der erstmals die Spitze der Weltrangliste erklomm. Seitenweise berichteten die Medien täglich über seine Heldentaten und darüber, warum er so phänomenal gut ankommt im Land. Auch Fußball-Auswahltrainer Luciano Spalletti schloss sich den Elogen an: Sinner sei in jeder Hinsicht „topissimo“.

Mit seiner eigenen Truppe würde vorerst niemand einen solchen Superlativ verbinden. Als der „commissario tecnico“ sprach, hatte sie gerade ein ausnehmend zähes Testspiel gegen die Türkei abgeliefert. „Unmöglich, nicht etwas besorgt zu sein“, bilanzierte die „Gazzetta dello Sport“ das trostlose 0:0 in Bologna. Mit demselben Ergebnis hatte sich Italien bereits am letzten Qualifikationsspieltag gegen die Ukraine zur EM-Endrunde gezittert, und beileibe fehlen nicht nur die Tore. Die gesamte Squadra wirkt im Vergleich zu Italiens großer Fußballtradition erschreckend talentfrei.

Luciano Spalletti führt die Italiener als Nationaltrainer zur EM
Luciano Spalletti führt die Italiener als Nationaltrainer zur EM
Quelle: dpa/Antonio Calanni

Nur von fern hallt noch der Sirenengesang aus Wembley – dabei ist es gerade mal drei Jahre her, dass die Paraden von Gianluigi Donnarumma, die Chuzpe von Giorgio Chiellini oder die Coolness von Leonardo Bonucci dort im Finale gegen England den Titel eroberten. Aus dem Nichts der verpassten WM 2018 verzauberte Italien unter Trainer-Beau Roberto Mancini mit einer Rekordserie von 37 ungeschlagenen Spielen. Was an individueller Klasse fehlen mochte, kompensierte es durch Überschwang. Doch inzwischen weiß man: Es war ein Ausreißer nach oben. Schon ein Jahr später kam Italien wieder im Nichts an – auch die Qualifikation zur WM 2022 wurde verpasst.

Tonali wegen Wetten gesperrt

„In der Mitte“ verortete Buffon bei Amtsantritt vorigen September das wahre Niveau der Azzurri: „Bei der EM half uns auch das Glück, bei den verpassten Turnieren traf uns Schuld, aber wir hatten auch viel Pech.“ Das war treffend analysiert, zumal Italien während seines großen Schwankens immerhin auch die zwei jüngsten Finalrunden der Nations League erreichte. Besorgniserregend ist jedoch der Trend: Das 2024er-Team bietet im Vergleich zum Außenseitermärchen von 2021 noch mal deutlich weniger Qualität. In der Abwehr sind Chiellini und Bonucci abgetreten; im Mittelfeld ist Marco Verratti im Katarer Vorruhestand, und der Italo-Brasilianer Jorginho nicht mehr in der Verfassung, die ihn 2021 zu Europas Fußballer des Jahres avancieren ließ; und wenn der Angriff schon damals keine Angst verbreitete, tut er es jetzt noch weniger: Um Italiens gefährlichster Angreifer zu sein, reichten Gianluca Scamacca zwölf Ligatore.

Am Dienstag in Bologna gab es den größten Applaus bei den Ballkontakten eines Rückkehrers. Mittelfeldspieler Nicolò Fagioli war sieben Monate gesperrt, weil er manisch auf Fußballmatches gewettet hatte – zwar nicht auf solche seines Klubs Juventus Turin, doch trotzdem ein Verstoß gegen die Auflagen des Verbandes. Nach nur zwei Einsätzen im Saisonfinish wurde er trotzdem nominiert. „Der Junge verdient Verständnis“, sagte Spalletti, und die Nation sieht es genauso, nachdem Fagioli, 23, in eindrücklichen Worten schilderte, wie die Spielsucht „komplett mein Leben verschlang“ und zusicherte: „Ich habe nicht aufgehört und werde nie aufhören, sie zu bekämpfen.“

Ob desselben Lasters fehlt dagegen weiterhin Sandro Tonali. Italiens teuerster Fußballer (64 Millionen Euro beim Wechsel vorigen Sommer nach Newcastle) wurde im Rahmen des Großreinemachens im Zockermilieu bis Ende August gesperrt, weil er auch auf Spiele seines damaligen Klubs AC Mailand gesetzt hatte (immer auf Sieg). In Zukunft kann Tonali, 24, mit Nicolò Barella, 27, eine vielversprechende Achse im Mittelfeld bilden. Für die EM bleiben Barella und Außenverteidiger Federico Di Marco (beide von Meister Inter Mailand) zusammen mit Flügelstürmer Federico Chiesa (Juventus) die wenigen Kandidaten auf Aktionen, die den Unterschied machen.

Italien in der schwersten Gruppe

Zu allem Überfluss hat Italien auch noch die schwerste Gruppe erwischt, an die man sich seit der Turniererweiterung auf 24 Teilnehmer erinnern kann. Mit Spaniern, Kroaten und eben Italienern umfasst sie die drei Erstplatzierten der vergangenen Nations League. Ein Auftaktsieg gegen das vermeintliche Aschenputtel Albanien am kommenden Samstag wird da schon fast zur Pflicht. Als bisher letzter EM-Titelverteidiger scheiterte 2008 das kleine Griechenland schon in der Vorrunde. Immerhin, anders als damals steigen nun auch die besten Gruppendritten in die K.o.-Phase auf.

Spalletti, 65 räumt ein, dass Italien a priori „nicht auf dem Level der Besten ist“. Die Lücke schließen sollen seine Konzepte. Der Toskaner genießt unumstrittene Anerkennung im Land. Mit der souveränen Meisterschaft des zuvor über drei Jahrzehnte lang titellosen SSC Neapel schuf er 2022/23 sein Meisterwerk; die Süditaliener brillierten durch so unbedingten wie unberechenbaren Offensivfußball, ehe sie nach seinem Abgang wieder im Mittelfeld der Serie A verschwanden. Spalletti ist ein Trainer voller Ideen, der aufregende Mannschaften entwirft. Als er im Spätsommer 2023 die Nazionale übernahm, hauchte er ihr zunächst viel neue Zuversicht ein. Doch inzwischen sind die Zweifel zurück; auch der Trainer selbst wirkt auf langjährige Beobachter bisweilen wie erschlagen von Erwartungen und Umfeld bei der Nationalelf.

Nicolo Fagioli darf nach seinem Wettskandal doch an der EM teilnehmen
Nicolo Fagioli darf nach seinem Wettskandal doch an der EM teilnehmen
Quelle: dpa/Massimo Paolone
Anzeige

Dabei gibt es schon auch Licht, es kommt von den Klubs. Die Vereine der Serie A führten in den vergangenen Spielzeiten das Erbe von 2021 fort und zeigten, was Teamgeist, Taktik und Glaube bewirken können. Auch ohne ganz große Stars erreichten sie fünf der letzten sechs Finals in den drei Europapokalwettbewerben. Inter Mailand (Champions League 2023), AS Rom (Europa League 2023) und ACF Florenz (Conference League 2023, 2024) scheiterten dabei jeweils knapp und unglücklich, doch der eine Erfolg hatte es in sich: Atalanta Bergamo demontierte mit atemberaubendem Pressing das zuvor eine Saison ungeschlagene Bayer Leverkusen im Europa-League-Finale mit 3:0. Allerdings stellen die Lombarden wegen Verletzungen in Scamacca nur einen EM-Fahrer.

Dem hünenhaften Mittelstürmer kommt eine Schlüsselrolle zu – auf dem Platz wie daneben, nachdem ihn Spalletti bei den letzten Testspielen im Frühjahr aussortiert hatte und jetzt quasi nur unter Vorbehalt zurückberief: „Scamacca hat alles, aber er ist ein wenig faul, mal schauen, ob er diese Faulheit abgelegt hat“, sagte der Nationaltrainer zu Beginn der EM-Vorbereitung. Offenbar nutzt er den Angreifer zur Probe aufs Exempel seiner Autorität. „Manche Spieler dachten wohl, dass Spalletti bellt und dann keine Zähnchen hat“, hatte der Coach schon im Februar der „Gazzetta“ erklärt. Aber da hätten sie sich gründlich getäuscht, „ihre Playstation werden sie fortan zu Hause lassen ... Man kommt zur Nationalelf, um die EM zu gewinnen und nicht bei Call of Duty.“

Fehlendes Talent

Während Scamacca sich dezent beschwerte („Bei Atalanta komme ich als erster und gehe als letzter, aber wenn Spalletti meint, komme ich eben noch früher“), wird es in Iserlohn offenbar mit züchtigem Herbergsgeist zur Sache gehen. Gegebenenfalls werde er sich selbst Spiele ausdenken, um seine Schützlinge zu beschäftigen, so Spalletti in seiner Suada: „Ich möchte eine Teamzusammenkunft wie früher, mit den alten Gepflogenheiten, einfache, gesunde Dinge. Buffon wird mir dabei helfen.“

Um den Bogen zur großen Vergangenheit noch mal richtig weit zu spannen, bestellte er neulich zum ersten Teil der Vorbereitung in Coverciano außerdem gleich fünf von Italiens Spielmacherlegenden ein: Gianni Rivera, Giancarlo Antognoni, Roberto Baggio, Alessandro Del Piero, Francesco Totti. „Wir müssen auf der Höhe der Historie sein“, erklärte Spalletti seinen Spielern, während Totti scherzte: „Wenn sie uns nachahmen sollen, wer macht dann die Laufarbeit?“ Immerhin gelacht werden darf also noch auf der patriotischen Mission Germania 2024.

An diesem Sonntag gegen Bosnien werden die Italiener in Empoli ihren letzten Test absolvieren. Das taktische Feintuning, so wichtig angesichts des fehlenden Talents, soll dann besser funktionieren als zuletzt, und ein gutes Resultat würde gewiss auch nicht schaden. Damit es mit Rückenwind nach Iserlohn geht – und damit es später bei der Abreise nicht mehr nur Buffons alte Geschichten aus Duisburg gibt.

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Alle Spiele der Heim-EM im Überblick:
Spielplan der EM 2024 mit allen Ergebnissen
EM-Spielplan als PDF zum Ausdrucken

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema