Legendär war Karl-Heinz Schnellingers Tor im Halbfinale der WM 1970 in Mexiko. In der als Jahrhundertspiel bezeichneten Partie erzielte der Italien-Legionär (AC Mailand) in der 91. Minute das zwischenzeitliche 1:1, das Deutschland in die Verlängerung rettete. Es war das erste und einzige Länderspieltor des Abwehrspielers, der lange Zeit als einer der weltbesten Linksverteidiger galt.
Der Spruch von TV-Kommentator Ernst Huberty „Ausgerechnet Schnellinger!“ ist bis heute Kult. Deutschland verlor die Partie in einem unglaublich dramatischen Spiel mit 3:4 nach Verlängerung und wurde am Ende Dritter der Weltmeisterschaft. Dass Schnellinger auch in einem anderen Klassiker auf dem Platz stand – bei der 2:4-Niederlage im WM-Finale gegen England 1966 – und bei der WM 1958 in Schweden Vierter wurde, damals noch mit Fritz Walter, ist weniger bekannt. Sein letztes Länderspiel bestritt er 1971 gegen Albanien. Als die Bundesrepublik kurz darauf 1972 und 1974 Europa- und Weltmeister wurde, hieß der linke Verteidiger schon Paul Breitner.
Über den Tod des früheren Nationalspielers und Fußballes des Jahres 1962 berichtete zuerst die italienische „Gazzetta dello Sport“. Die Familie Schnellingers bestätigte inzwischen sein Ableben. Der gebürtige Rheinländer lebte bis zuletzt in der Nähe von Mailand.
Am Ostersonntag 2024 wurde Schnellinger 85 Jahre alt. Aus diesem Anlass äußerte er sich enttäuscht über den Deutschen Fußball-Bund (DFB). „Das geht doch drunter und drüber bei denen. Das ist nur noch ein großes Geschäft“, sagte er und glaubte: „Die haben mich vergessen.“ Die EM in Deutschland wollte er sich „am Fernseher anschauen. Zu Hause.“ Also in Italien.
Schnellinger, eine Berühmtheit in Italien
1962 wurde der gebürtige Dürener mit dem 1. FC Köln Deutscher Meister und anschließend Fußballer des Jahres. Er ging nach Italien, wo er zur Berühmtheit wurde. Nach je einer Saison beim FC Mantua und dem AS Rom wechselte er zum AC Mailand, wo er in neun Jahren acht Titel gewann, darunter drei Europapokale.
Schnellinger war einer der ersten Italien-Legionäre in einer Zeit, in der sich nur die wenigsten Fußballer ins Ausland wagten. „Wir haben damals Pionierarbeit geleistet. Im Gegensatz zu Deutschland konnte man in Italien als Fußballer wirklich gut verdienen. Es war das Geld, das mich zum Sprung nach Italien bewogen hat“, sagte Schnellinger einmal.
„Carlo il Biondo“ („Der blonde Karl“), wie er in Italien genannt wurde, ist bis heute einer der erfolgreichsten Auslandsprofis. Aber das Leben in der Ferne brachte es mit sich, dass er zu Hause weniger zur Kenntnis genommen wurde als andere. „Mir kommt es immer so vor, als ob ich in Deutschland Ausländer bin – und in Italien auch. Aber das ist in Ordnung so“, sagte Schnellinger vor zwei Monaten. Er hinterlässt seine Ehefrau, drei Töchter und vier Enkel.