„Waren Sie je in der Sowjetunion? Kommen Sie nach Barentsburg, erleben Sie wie in einer Zeitkapsel die Atmosphäre der UdSSR!“ Mit solchen Parolen werben Veranstalter auf Spitzbergen um Reisende. Jetzt! Die arktische Inselgruppe gehört zwar zum Nato-Land Norwegen, ist aber entmilitarisiert und muss durch einen 1920 geschlossenen internationalen Vertrag Angehörigen aller Unterzeichnerstaaten erlauben, hier wirtschaftlich tätig zu sein.
Dazu gehört auch Russland als Nachfolger der Sowjetunion. Die Russen betreiben seit 1927 Kohlebergbau auf Spitzbergen, ihre Bergarbeiter leben in Barentsburg, das über rund 400 Einwohner, allerlei Plattenbauten, ein Hotel, ein Postamt, eine Schule und eine Leninstatue verfügt. Ein weiterer Leninkopf, der nördlichste der Welt, steht im Bergbauort Pyramiden, der wurde von den Russen aber 1998 aufgegeben und ist heute eine Geisterstadt.
Die Kohleproduktion in Barentsburg ist defizitär, wird aber von Russland subventioniert, denn das sichert Moskau eine strategisch wichtige Präsenz auf dem abgelegenen Archipel, der auf halber Strecke zwischen norwegischem Festland und Nordpol liegt, nach Grönland ist es ungefähr so weit wie nach Russland. Das Wetter ist die meiste Zeit des Jahres über frostig, derzeit liegt noch Schnee auf Spitzbergen, wo die meisten mit Snowmobilen unterwegs sind. Ab Juni sorgen Sonne und Golfstrom dann aber für Plusgrade, der Juli ist mit durchschnittlich 6,5 Grad der wärmste Monat.
Auf Spitzbergen leben Russen und Ukrainer zusammen
Aktuell stellt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine die Menschen auf Spitzbergen vor Probleme. Tourismuschef Ronny Brunvoll sagt, nicht nur in Barentsburg, auch in der Inselhauptstadt Longyearbyen lebten Ukrainer und Russen, „sie sind Nachbarn, Kollegen, Freunde. Das bringt den Krieg sehr nah zu uns. Wir versuchen, die guten Beziehungen zwischen allen, die hier leben, zu erhalten.“
Es gebe keine Kontaktsperre und auch keine Kontrollen, die Russen aus Barentsburg dürften auch weiterhin ins mehrheitlich norwegische Longyearbyen kommen: „Es ist nicht verboten. Genaue Zahlen haben wir nicht, weil sich niemand registrieren muss. Alle können sich überall frei bewegen.“ Als Bedrohung sähen die Insulaner die Russen nicht, „jedenfalls nicht die, die hier bei uns leben“.
In „Svalbardposten“, der örtlichen Tageszeitung, wird die Weltlage heiß diskutiert – und auch die Frage, ob man sich mehr von den Russen abgrenzen sollte. Eine einheitliche Linie ist hier nicht erkennbar: Ein Autor schreibt beispielsweise, so nah am Nordpol müssten alle zusammenhalten, egal welcher Nationalität. Andere betonen hingegen, man dürfe die Russen auf keinen Fall unterstützen.
Das sieht auch Niklas Gerhardsson so. Er bietet mit seiner Firma Better Moments Touren auf Spitzbergen an, inklusive Ausflügen in die beiden russischen Orte mit der Sowjetaura. Seit Kriegsbeginn organisiert er das aber anders. „Alles Geld, das jemand in Barentsburg oder Pyramiden ausgibt, geht direkt an die russische Kohlefirma Trust Arktikugol, die zu 100 Prozent im Besitz des russischen Staates ist.“
Deshalb kaufe er in Barentsburg keine Lebensmittel: „Wir bringen alles mit und essen mittags in der Natur.“ Und er fährt auch nicht mehr mit dem Schiff hinüber, denn die russisch kontrollierten Häfen verlangten eine Gebühr, die wolle er nicht bezahlen. Die Menschen in Barentsburg sieht auch er nicht als Bedrohung: Diese Leute seien ja nicht der russische Staat, „die waren schon immer freundlich, das hat sich bis heute nicht geändert“.