Die Region Harz
Urlaub im Harz – das klingt für viele nicht so spannend. Kenner wissen aber, dass Norddeutschlands höchstes Mittelgebirge zu den am meisten unterschätzten Urlaubsregionen gehört. Gelegen im Dreiländereck von Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, vereint es reiche Geschichte von frühen Siedlungen und dem Mittelalter bis zur DDR-Zeit, teilweise kaum bekanntes kulturelles Erbe und grandiose Natur.
Erleben kann man dies zum Beispiel bei einer Wanderung auf dem 75 Kilometer langen Harzer Grenzweg am Grünen Band, das für die ehemalige innerdeutsche Grenze steht: Fast 40 Jahre waren Ost und West getrennt, auf dem einstigen Todesstreifen entwickelte sich ungestört die Natur mit vielen Tier- und Pflanzenarten.
Für Besucher lange unerreichbar war auch der Brocken, der mit 1141 Metern höchste Berg im Harz – er lag im militärischen Sperrgebiet der DDR. Inzwischen kann und sollte man den legendären Berg, den Johann Wolfgang von Goethe als Hexentreffpunkt in seinem „Faust“ verewigte, persönlich erklimmen. Etwa mit dem Mountainbike oder bei einer Wanderung auf dem Goetheweg, der wahrscheinlichen Brocken-Route des Dichters, der von Torfhaus aus 1777 hinaufstieg. Unterwegs sieht man Blockhalden und mystische Moore, die man bei einer Rangertour erkunden kann.
Romantisch ist eine Fahrt hinauf mit der Brockenbahn, gezogen von einem 700 PS starken Dampfross. Drei Dampflok-Strecken führen durch den Harz, etwa nach Quedlinburg oder zu weiteren Welterbestätten wie dem Bergwerk Rammelsberg, zur Altstadt von Goslar mit über 1500 Fachwerkhäusern und zur Oberharzer Wasserwirtschaft – das weltweit einmalige Wasserleitsystem wurde vor gut 800 Jahren von Zisterziensermönchen angelegt, um Wasserkraft für den Bergbau zu gewinnen.
Quedlinburg ist ein Ort wie aus dem Bilderbuch
Für viele ist sie die malerischste Stadt des Landes, wenn nicht der Welt: Quedlinburg ist ein mittelalterlicher Ort wie aus dem Bilderbuch. Mit über 1300 gut erhaltenen, nach der Wende restaurierten Fachwerkhäusern aus sechs Jahrhunderten, der Stiftskirche und dem Schloss zählt die einstige Königs- und Kaiserpfalz seit 1994 zum Unesco-Welterbe.
Dieses Jahr lohnt sich der Besuch besonders, denn Quedlinburg feiert das 1100. Jubiläum der Ersterwähnung anno 922 mit großem Programm. Die Festzeit (22.4. bis 6.6.) beginnt mit den Hoftagen, einem Mittelalterfest mit abendlicher Illumination berühmter Bauten.
Höhepunkt sind die Königstage am Pfingstwochenende – ein Stadtfest zu Ehren Heinrichs I. (876 bis 936), nach dessen Krönung die königliche Residenz Quedlinburg Hauptstadt des Ostfränkischen Reichs wurde. Harzer Streetfood und besondere Stadtführungen gehören zu den weiteren Attraktionen.
Der Eurasische Luchs ist zurück im Nationalpark
Ein alter Harzer ist zurück: Im Nationalpark Harz ist man stolz darauf, dass wieder Luchse durch deutsche Wälder streifen. Rund 200 Jahre war der Eurasische Luchs nach langer Verfolgung hierzulande ausgestorben. Mit dem Luchsprojekt Harz startete 2000 erstmals ein Versuch, Europas größte Wildkatze wieder anzusiedeln.
24 Pinselohren aus Nachzüchtungen in Tierparks wurden ausgewildert. Mit fantastischem Erfolg: 2002 kamen wild geborene Jungtiere hinzu, dann jedes Jahr erneut, und seit 2010 gibt es auch in umliegenden Gebieten außerhalb des Harzes Nachwuchs. Bei einer Wanderung von der Luchsausstellung im Haus der Natur in Bad Harzburg bis zum Luchsschaugehege an der Rabenklippe kann man Spannendes über die scheuen Tiere erfahren und sie sogar live erleben.
Singende Wurst und Harzer Roller
Nur Insider kennen Stolberger Lerchen – schmackhafte Würste, die schon Fürst von Pückler begeisterten und oft zu Grünkohl und Kartoffeln serviert werden, etwa im Gasthaus „Kupfer“ und im Hotel „Zum Kanzler“ in der Fachwerkstadt Stolberg. Ihr Vogelname verweist nicht auf den Inhalt, sondern auf den „Gesang“ der Würste, wenn die beim Braten entweichende Luft pfeifende Geräusche erzeugt.
Bekannter ist der Harzer Roller, der den typischen Sauermilchkäse der Region bezeichnet. Einerseits. Andererseits heißt so ein spezieller Kanarienvogel, auch Harzvogel genannt. Bergleute züchteten diese Rasse mit dem rollenden Gesang, die im 19. Jahrhundert weltbekannt wurde. Im historischen Bergwerk Grube Samson in St. Andreasberg gibt es das weltweit einzige Harzer-Roller-Kanarien-Museum.
Die größte Rosensammlung der Welt
80.000 Rosensträucher und mehr als 8700 verschiedene Rosensorten und -arten gedeihen im Rosarium Sangerhausen – es beherbergt die größte Rosensammlung der Welt. Wildrosen, historische Sorten, Raritäten, neue Züchtungen und Attraktionen wie die „Grüne Rose“ kann man hier bewundern.
Der 13 Hektar große Garten in der alten Bergbaustadt, 1903 eröffnet, ist aber nicht nur in der Hauptsaison einen Besuch wert, wenn die „Königin der Blumen“ ihn mit Millionen Blüten ziert. Ganzjährig geöffnet, bietet der Park auch eine Gehölzsammlung mit 300 verschiedenen Baum- und Straucharten sowie Skulpturen. Wie es sich gehört, gibt es im Café Rosentorte und andere blumige Spezialitäten.
Das Zitat
„Wie im Leben überhaupt geht’s uns auch auf dem Harze“
Heinrich Heine wanderte 1824 als Student durch den Harz – wo er sich prompt verirrte. Es sei geradezu sinnbildlich für das gesamte Leben: „Man schlägt immer Seitenwege und Fußsteige ein und glaubt dadurch näher zum Ziele zu gelangen“, sinniert er in seinem herrlich ironischen, aber auch romantischen Bericht „Die Harzreise“.
Zum Glück gebe es „immer gute Seelen, die uns wieder auf den rechten Weg bringen“ und „mit selbstgefälliger Miene“ erklären, wie groß die Umwege waren, „in welche Abgründe und Sümpfe wir versinken konnten und welch ein Glück es sei“, sie getroffen zu haben. In Heines Fall war der Retter „ein wohlgenährter Bürger von Goslar, ein glänzend wampiges, dummkluges Gesicht; er sah aus, als habe er die Viehseuche erfunden“.
Die Einheimischen haben es dem Dichter nicht übel genommen und ihm einen Wanderpfad gewidmet, den gut zehn Kilometer langen Heinrich-Heine-Weg, der an den malerischen Wasserfällen des Flusses Ilse vorbei hinauf zum Brocken führt.
Skurriles, Rekordverdächtiges, Typisches: Weitere Teile unserer Länderkunde-Serie finden Sie hier.