WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Reise
  3. Deutschland
  4. Nordsee: Eine Wattwanderung zur Kormoraninsel erfordert Mut – ein Zurück gibt es nicht

Deutschland Nordsee

Eine Wattwanderung zur Kormoraninsel erfordert Mut

Vor einigen Jahren gab es die Kormoraninsel in der Nordsee noch gar nicht. Heute kann man das Eiland bei einer geführten Wattwanderung von Amrum nach Föhr erkunden. Ein Zurück gibt es nicht, die Flut schneidet den Weg ab.
Strömumgsrippel im weiten Sand: Wattwanderungen vor Amrum sind vor allem im Winter ein kleines Abenteuer Strömumgsrippel im weiten Sand: Wattwanderungen vor Amrum sind vor allem im Winter ein kleines Abenteuer
Strömumgsrippel im weiten Sand: Wattwanderungen vor Amrum sind vor allem im Winter ein kleines Abenteuer
Quelle: Michael Amme/ laif
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Wir stehen an einem trüben Wintermorgen an der Amrumer Odde, der Landspitze im Norden der Insel. Es ist noch dämmerig, ein fahles Licht flutet über das Watt. Dark Blome greift zum Mobiltelefon. „Ich melde uns jetzt bei den Rettungsdiensten an und gebe die Strecke durch; so wissen die Leute auf dem Rettungskreuzer und die Feuerwehren auf Föhr sowie hier auf Amrum, dass wir unterwegs sind und sich niemand verirrt hat.“ Gut zu wissen, dass jemand Bescheid weiß.

Unser Ziel ist eine Insel, die es vor einigen Jahren noch gar nicht gab. Dreieinhalb Kilometer müssen wir durchs wintersteife Watt wandern, um sie zu erreichen. Es ist die Kormoraninsel zwischen Amrum, Sylt und Föhr. Wobei es sich eher um eine Sandbank handelt, die dem Meer entstieg und seitdem Sturm und Flut trotzt. Der Amrumer Nationalpark-Wattführer Dark Blome führt Gäste dorthin, sogar im Winter.

Den Kompass hat er dabei, GPS-Navigation, Telefon, Erste-Hilfe-Set. Wir stecken bis zu den Achseln in wasserdichten Watthosen und tragen warme Sachen drunter. Verpflegung ist eine Selbstverständlichkeit und auch ein solides Zeitfenster für diesen Trip, denn man weiß nie, was da draußen auf dem Meeresboden kommt. Ein Grund, diese Tour im Winter zu machen, ist gewiss auch Abenteuerlust.

Die Flut macht den Rückweg nach Amrum unmöglich

Das Loslaufen ist ein Moment des Loslassens. Sich bei Eiseskälte und schneidender Brise von der Kante zu entfernen, in das unendliche Unbekannte hinauszugehen, das erfordert einen klaren Willen. Ja, es braucht eine Portion Mut für diesen Moment. Für manchen Gast ist dies die größere Hürde als der tiefe Priel, vor dem wir nach ein paar Minuten stehen.

Doch wir packen es an und stehen kurz darauf bis zu den Hüften im eiskalten Wasser. Die Rucksäcke im Arm, tasten wir uns vorsichtig Schritt für Schritt voran und passieren eine gelbe Metallboje, die in den Wellen tanzt.

Als wir auf der anderen Seite dieses Flüsschens am Meeresboden ankommen, spüren wir: Wir haben die Demarkationslinie zur Einsamkeit überschritten. Auf einer ausgedehnten Wattfläche laufen wir tropfend weiter, queren Sandbänke und Wasserläufe. Es mögen viele davon sein, doch wir sind in absoluter Menschenleere unterwegs. Und jetzt gibt es kein Zurück mehr.

Kormoraninsel in der Nordsee
Quelle: Infografik WELT

Die Wanderung ist eine Art Einbahnstraße Richtung Föhr. Der Rückweg nach Amrum ist nur kurze Zeit später durch Priele abgeschnitten, die mit der Flut im Rücken volllaufen. Wir blicken uns um.

Anzeige:
Mit WELT günstiger verreisen: Deutsche-Bahn-Gutschein

Anzeige

Die Nordspitze Amrums ist im Dunst verschwunden, wir sind auf uns allein gestellt, und die große Leere vor uns, einer Wüste gleich, ist nicht gerade verheißungsvoll, und Oasen sind nicht in Sicht. Gleichwohl verspricht die Kormoraninsel einen besonderen Zwischenhalt.

Es ist sonderbar still. So still, dass man diese Stille förmlich spürt. Kein Wellenschlag, kein Möwenschrei, gar nichts außer unseren Schritten verursacht Geräusche. Wo sonst kommt eigentlich noch das Gefühl auf, wirklich draußen zu sein?

Die Kormoraninsel scheint auf dem Watt zu schweben

Eine gute Stunde nachdem wir den breiten Priel in unserer Gummikluft gequert haben, ändert sich der Meeresboden. Der Sand ist nun strukturierter, die Verspülungen sind knietief. Sie gleichen einem verwirrenden Muster aus ebenso hohen Sandverwerfungen.

Die Strömung bewegt ständig riesige Sandmengen und verändert den Meeresboden. Hier bewegt sich etwas, vielleicht sieht so das allererste Entstehen einer Insel aus, eine Verwerfung in der Gleichförmigkeit. Vorstellbar.

Das versunkene Doggerland

Nur knapp 10.000 Jahre ist es her, als weite Teile der Nordsee noch nicht von Wasser bedeckt waren. Damals verband das Doggerland Großbritannien noch mit dem Kontinent. Forscher suchen dort nun nach Siedlungsspuren.

Quelle: marum.tv

Wattführer Blome blickt mit dem Fernglas nun häufiger nach Norden: Der Dunst wird lichter, es schimmert ein Stück fernen Meeresbodens heller als seine Umgebung. Aber ist das überhaupt Meeresboden? Nein.

Mit jedem Schritt, den wir näher kommen, wird klar: Das muss die Kormoraninsel sein, was Blome auch gleich bestätigt. Man sieht sie beim Anmarsch, wie sie auf dem Watt zu schweben scheint. Eine schöne Illusion.

Ein fragiles Gebilde mitten in der Nordsee

Anzeige

Selbst bei dem so routinierten Dark Blome, einem ruhigen Mann, der seit Jahrzehnten in den Gefilden immer wieder unterwegs ist und durch seine Art seinen Gästen die Sorgen auf so einem Wattabenteuer nimmt, ist die Freude groß, als wir den festeren Grund der Insel unter den Füßen spüren.

Das Eiland ist winzig, geschätzt 120 mal 20 Meter. Ohne Kompass wäre es kaum zu finden, denn es liegt inmitten dieser unermesslichen Weite. Dort anzukommen vermittelt ein Gefühl, dass man sich auf sich verlassen, dass man es schaffen kann. Es ist auch ein Gefühl von Freiheit dabei, vor allem im Winter mit seinem unkalkulierbaren Wetter.

Unter unseren Schritten klirren Muschelschalen. Wir stehen auf einem Strand, der vielleicht vier, fünf Meter breit ist. Der Sandrücken der Insel hebt sich um einen Meter vom Watt ab. Jeder Dezimeter an Höhe verschafft Distanz zum Untergang.

Der Sand strahlt und führt den Blick entlang der geschwungenen Insel hinaus auf die See; dorthin also, wo diese Insel einst herkam und wohin sie möglicherweise wieder verschwinden wird. Es gibt nichts, woran sich der Blick festmachen könnte. Aber es schärft den Blick dafür, wo man ist: auf einem fragilen Gebilde im Nirgendwo, wo die stetige Veränderung die einzige Konstante zu sein scheint.

Die „Insel“ ist mehr eine Art höhere Sandbank

Die Kormoraninsel begann sich vor mehr als 20 Jahren zu erheben, seitdem verändert sie permanent Lage und Umfang. Im Jahr 2000 wurde sie erstmals auf Seekarten verzeichnet. Zurzeit verkleinert sie sich, sagt Dark Blome. 500 Meter lang war das Eiland schon mal.

Dünen haben sich bislang nicht gebildet, auch Pflanzen sich noch nicht angesiedelt, aber ein Paar Austernfischer und einige Seeschwalben. Die haben vor ein paar Jahren hier gebrütet, wie Blome sich erinnert. Manchmal machen es sich Seehunde bequem. Ansonsten deutet nichts auf Leben hin.

Der Begriff „Insel“ scheint unpassend, zumindest aber etwas voreilig gewählt. Denn sie ist genau genommen ein Hochsand, eine Art höhere Sandbank, die nur seltener von der Nordsee überspült wird. Ist dieses Stück Neuland von Dauer, oder wird es wieder untergehen?

Dass es existiert, hat sich zumindest unter den Kormoranen noch nicht herumgesprochen, denn die gibt es hier nicht. So umgibt die Namensgebung ein kleines Geheimnis, das auch Wattexperte Blome nicht lüften kann.

Beim Wattwandern Seehunde entdeckt

Wir setzen uns in den Sand und blicken auf eine surreale Sandlandschaft. Vor uns liegt eine weit geschwungene Bucht: Die Kormoraninsel hat gerade die Form einer nach Nordost geöffneten Sichel, ebenso schmal ist sie zudem.

Dieses Neuland lockt unweigerlich zu Erkundungen. Obwohl doch nichts darauf wächst oder sonst etwas von offensichtlichem Interesse ist. Es ist nur Sand, unterwegs in Raum und Zeit; tatsächlich stammen die Körner größtenteils von der Insel Sylt, wie Untersuchungen ergeben haben.

Es hellt auf – und auch dies macht den Reiz einer Wattwanderung im Winter aus; alles ist frisch und klar. Tang, Holzstücke und Muscheln sind angespült, wir suchen Bernstein. Gehen wir weiter, blickt Blome immer wieder durch das Fernglas. Wozu? „Ich halte Ausschau nach Seehunden, wir wollen sie nicht unnötig stören.“

Würden wir sie erspähen, wir schlügen einen großen Bogen. In den vergangenen Sommern war am östlichen Ende der Sandbank ein tiefer Kolk, eine Lagune. Dort spielten sie und sonnten sich. Heute sehen wir Robben weiter westlich.

Eine halbe Stunde lassen wir uns Zeit, dann müssen wir weiter Richtung Föhr. Vor Amrum, wo wir am Morgen losgegangen sind, strömt längst die Nordsee mit gewaltiger Kraft durch die Priele. Sie flutet den Meeresboden, sie bewegt ihn und baut ihn um.

Ein letzter Blick zurück auf diesen sonderbar schimmernden Sand. Blome peilt mit dem Kompass; Kurs 106 Grad Ostsüdost. Muntere Vögel trippeln über das Watt – nun sind sie bald wieder unter sich, die wenigen Residenten der Kormoraninsel, die keine ist. Irgendwo da draußen auf 54° Nord 44’ und 8° Ost 21’ und ein paar Sekunden.

Aber was heißt das schon so genau. Denn heute ist die Kormoraninsel hier, und eines Morgens ist sie vielleicht schon wieder fort.

Diese Robben können singen

Forschern der schottischen Universität St. Andrews ist eine kleine Sensation gelungen. Sie haben Kegelrobben das Singen beigebracht. Und die Ergebnisse können sich hören lassen.

Quelle: WELT

Tipps und Informationen

Anreise: Mit dem Auto über die A23 von Hamburg über Heide, weiter auf der Bundesstraße 5 nach Dagebüll, wo die Fähre nach Amrum abfährt. Wer sein Auto mit auf die Insel nehmen möchte, sollte einen Fährplatz bei der Wyker Dampfschiffsreederei reservieren (faehre.de). Dagebüll Mole erreicht man auch mit dem Zug (bahn.de). Auf Amrum pendeln zwischen den Inseldörfern Busse, außerdem gibt es viele Rad- und Wanderwege. Auf der Insel gibt es eine Tankstelle.

Unterkunft: Im Friesendorf Nebel in der Inselmitte etwa im empfehlenswerten „Hotel Friedrichs“ ab rund 100 Euro für die Übernachtung im Doppelzimmer (hotel-friedrichs.com). Schöne Ferienwohnungen, ebenfalls in Nebel, können im reetgedeckten Haus „Rauag Huk“ bei Familie Isemann angemietet werden, ab 80 Euro in der kalten Saison (rauaghuk.de).

Wattwandern: Niemals allein ins Watt gehen! Nationalpark-Wattführer Dark Blome bietet die beschriebene Wattwanderung im Winter von Amrum zur Kormoraninsel (und weiter nach Föhr) für Einzelne oder kleine Gruppen an, Kosten: 27 Euro pro Person (Watthosen werden gestellt). Für die Strecke von rund 13 Kilometern werden inklusive Aufenthalt auf der Kormoraninsel etwa vier bis fünf Stunden veranschlagt, eine sportliche Kondition ist daher erforderlich. Die Rückfahrt von Föhr nach Amrum erfolgt mit der Fähre, Fährkosten und Transfers gehen extra. Wem diese Tour zu beschwerlich erscheint, kann an einer kürzeren Wattwanderung teilnehmen, die jedoch nicht zur Kormoraninsel führt, Dauer: 2,5 Stunden, Strecke: acht Kilometer, Anmeldung jeweils erforderlich (der-inselläufer.de).

Aufwärmen: Nach der Wattwanderung kann man in Norddorf zum Beispiel im „Café Schult“ einkehren – es warten Waffeln oder hausgemachte Friesentorte. Gut gekocht wird im „Hotel Seeblick“ im gleichen Ort (seeblicker.de). In Wittdün gibt es die deutschlandweit bekannte Whiskybar „Blaue Maus“ (blauemaus-amrum.de).

Auskunft: amrum.de

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von Nordsee-Tourismus-Service/Tourismus und Stadtmarketing Husum/Amrum Touristik. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter axelspringer.de/unabhaengigkeit.

Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2020 veröffentlicht.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema