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Fernreisen Indien

Am Ganges sind Kreuzfahrt-Passagiere die Sensation

Der Ganges ist ein Mythos, eine Wasserwelt voller Magie. Eine Kreuzfahrt auf dem heiligen Strom von Varanasi nach Patna entführt die Besucher in ein ursprüngliches Indien. Tourismus gibt es hier so gut wie gar nicht, und so werden die Urlauber selbst zur Sehenswürdigkeit.
Das „Mekka der Hindus“ in Indien: In der Stadt Varanasi am Ganges befindet sich das geografische und spirituelle Herz Nordindiens Das „Mekka der Hindus“ in Indien: In der Stadt Varanasi am Ganges befindet sich das geografische und spirituelle Herz Nordindiens
Das „Mekka der Hindus“: In der Stadt Varanasi am Ganges befindet sich das geografische und spirituelle Herz Nordindiens
Quelle: Getty Images
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Es gibt Flüsse, die aus dem tiefsten Dunkel der Menschheitsgeschichte strömen, deren Namen Mythos sind. Der Nil etwa, ohne den es Ägyptens Hochkultur, deren komplexen Götterkosmos und die Pyramiden nie gegeben hätte. Der Styx der griechischen Antike, die sagenhafte Schwelle zwischen Welt und Unterwelt, zwischen Lebendem und Jenseits. Oder der Ganges, ebenfalls uralt und legendär – und für mehr als eine Milliarde Hindus der heiligste aller Flüsse auf Erden. Erst seit wenigen Jahren kann man dieses Gewässer als Tourist stilvoll und komfortabel erkunden: auf einer Flusskreuzfahrt. Am exotischsten ist der mittlere Flusslauf zwischen Varanasi und Patna.

Das Geschäft mit Kreuzfahrten boomt nach dem Einbruch während der Pandemie wieder, nicht nur auf Europas Wasserstraßen. Auch auf Asiens Flüssen steigt die Zahl der Kreuzfahrten stetig. Inzwischen tourt allein auf dem Ganges ein Dutzend Flussschiffe.

Dabei ist dieser Strom, auf dem Subkontinent Ganga genannt, mit seinen 2500 Kilometern nicht einmal ansatzweise Rekordhalter in der Erdkundefibel. Es gibt etwa 30 längere Flüsse, in Europa Donau und Wolga, auf dem Subkontinent selbst Indus (der großteils durch Pakistan fließt) und Brahmaputra (der in Bengalen auf den Ganges stößt).

Aber es kommt nicht auf die Länge an. In Gangas Einzugsbereich leben mehr Menschen als in Europa – halb Indien, fast ganz Nepal, ein Großteil Bangladeschs. Insgesamt um die 800 Millionen, ein Zehntel der Menschheit. Und für die meisten von ihnen, die Hindus, ist der Wasserlauf heilig. Ganga Ma – das ist der personifizierte Strom, die große Flussgöttin, die fürsorgliche Mutter aller Gläubigen. Geliebt, weil sie reinigt. Gefürchtet, weil sie, wenn schlecht gelaunt, Unordnung hinterlässt.

Indien
Quelle: Infografik WELT

Das Allerheiligste an Gangas Gefilden ist wiederum Varanasi. Hier befindet sich das geografische und spirituelle Herz Nordindiens, „das Mekka der Hindus“, wie Suvendu Mukherjee, ein Guide, erklärt. Der Name der uralten Millionenstadt geht auf die Flüsschen Varuna und Assi zurück, die hier in den Ganges münden. „Schon zu Buddhas Zeiten“, schrieb Jawaharlal Nehru, der erste Ministerpräsident der Republik Indien, „war sie alt und für ihr Alter berühmt.“ Das war vor zweieinhalbtausend Jahren.

Die Kreuzfahrt führt von Varanasi durch tiefste Provinz

Wer den Mittellauf des Ganges per Kreuzfahrtschiff erkunden will, muss so eine Tour im August oder September machen, denn es braucht ausreichend Wasser unter dem Kiel. Nur in diesen Monaten sind üblicherweise die Wasserhöhen ausreichend; der Flusspegel liegt im Winter bis zu 15 Meter tiefer als während des Monsuns zur Jahresmitte. Dann regnet es zwar noch ab und an tropisch warm und manchmal auch heftig, aber nie den ganzen Tag. Und diese Monate zählen zur reisetechnisch unaufgeregten Nebensaison in Indien.

Trendsetter für Ganges-Kreuzfahrten ist die „ABN Rajmahal“, ein schwimmendes Boutiquehotel, das 2014 in Kolkata, dem früheren Kalkutta, vom Stapel lief. „ABN“ steht für Assam Bengal Navigation, eine Reederei in Guwahati, einer am Brahmaputra gelegenen Großstadt im Bundesstaat Assam. „Rajmahal“ wiederum ist ein Städtchen am Ganges, bedeutet aber auch so viel wie „Fürstenpalast“, was ein bisschen dick aufträgt – das 50 Meter lange Flussschiff mit drei Decks ist gediegen-komfortabel, aber kein Superluxusdampfer. 22 Gästekabinen, alle mit Duschbad und französischem Balkon; geräumig, aber nicht palastprächtig.

Das Flussschiff „ABN Rajmahal“ hat drei Decks und 22 Kabinen
Gediegener Komfort: Das Flussschiff „ABN Rajmahal“ hat drei Decks und 22 Kabinen
Quelle: Michael Braun Alexander

In Sichtweite der Altstadt von Varanasi schiffen sich hier die meist aus Delhi oder Kolkata eingeflogenen Passagiere auf einem schwarz-weiß gestrichenen Holzboot ein, während am Flussufer 20 Wasserbüffel bis zu den Nüstern im lehmbraunen Wasser stehen und sich mittags bei schwülen 30 Grad abkühlen. Die Kreuzfahrt führt stromabwärts von Varanasi (im Bundesstaat Uttar Pradesh) nach Patna (in Bihar) – es ist eine Tour quer durch tiefste Provinz, quasi durch touristisches Zonenrandgebiet.

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Kernige Australier und originelle Briten dominieren die Gästetruppe, überwiegend Reiseveteranen mit zig Kreuzfahrten im Lebenslauf, die in der Beschnupperungsphase der ersten Tage an Bord abgespult werden. Liz und Tony aus Nottinghamshire zum Beispiel betreiben einen Handel mit historischen Postkarten, motivisch sind sie spezialisiert auf Kolkata – was zu ihrer liebenswerten Schrulligkeit passt.

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Ein Endachtziger aus Sydney sieht mit Schnurrbart, Bluthundeaugen und Khakishorts aus wie der stramme britische Colonel von einst und hat die Welt gesehen: „Jemen! 19 Mal!“ Seine Gattin beschreibt beim Kennenlernlunch als Allererstes ihre persönliche Vision der Apokalypse, „ein Kreuzfahrtschiff voller Chinesen“, und löst mit ihrer politischen Unkorrektheit ringsum Spontanstille aus, in der man schön das zarte Klimpern des feinen Salonbestecks hören kann.

Die Crew wiederum, 28 Männer, null Frauen, stammt vor allem aus Assam und Bengalen, ist im Schnitt unter 30 und auf leise Art fürsorglich – was auch daran liegt, dass das Englisch bei vielen nicht allzu gut ist und sie lieber den Mund halten.

„Leute kommen aus ganz Indien, um hier zu sterben“

In Varanasi macht der Ganges, vom überdachten Sonnendeck des schwimmenden Fürstenpalasts aus gut zu sehen, einen Knick. Er fließt hier ein Stück gen Norden, sodass das westliche Flussufer der aufgehenden Sonne zugewandt ist. An diesem Abschnitt liegen auf einer Länge von vier Kilometern die berühmten Ghats: Das sind spezielle Treppenanlagen, die es Pilgern erlauben, in den heiligen Fluss hinabzusteigen, um sich von Sünden freizuwaschen.

Varanasi bei Sonnenaufgang: Hindus nehmen gern ein rituelles Bad im Ganges, das soll von Sünden reinwaschen
Varanasi bei Sonnenaufgang: Hindus nehmen gern ein rituelles Bad im Ganges, das soll von Sünden reinwaschen
Quelle: Getty Images

Zehntausende nutzen diese religiösen Badeanstalten an jedem Morgen. Viele von ihnen füllen mitgebrachte Plastikcontainer mit Ganga jal, Gangeswasser, das später daheim bei wichtigen Ereignissen als Weihwasser zum Einsatz kommt, vielleicht bei einer Hochzeit oder einem nahenden Tod.

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Das höchste Glück liegt für viele gläubige Hindus indes darin, an diesem göttlichen Ort ihr Leben zu vollenden und so Erfüllung und Seelenfrieden zu finden. „Die Leute kommen aus ganz Indien, um hier zu sterben“, wie ein Stadtführer erklärt – empathielos, weil er es vermutlich schon viele hundertmal aufgesagt hat und weil Tod und Jenseits in Varanasi nicht tabu sind, sondern alltäglich, für jeden sichtbar. Am Ufer des Ganges verbrannt zu werden, gilt Millionen Hindus als Gnade. Die Asche wird dem Ritus gemäß in den Fluss gestreut und so wieder Teil des Großen und Ganzen, des Weltenstroms. Einswerden mit Ganga Ma.

Die Strömung des Ganges ist ungeheuerlich

Die ersten zwei Tage haben die Gäste überwiegend in und um Indiens heiligste Stadt verbracht, danach werden die Schiffsetappen etwas länger, doch es bleibt viel Zeit für Landgänge, denn die Entfernung zwischen Varanasi und Patna beträgt nur rund 300 Flusskilometer. Wichtig ist von nun an die „Information für den Flussreisenden“, die vor dem Dining Room öffentlich aushängt. Kernbotschaft: „In Indien unterliegt alles plötzlichen und unerwarteten Veränderungen!“

Das passt, denn Ganga Ma, die große Flussgöttin, gibt sich launisch; sie zickt. „Eigentlich besteht das größte Risiko darin, dass der Fluss um diese Jahreszeit zu wenig Wasser führt“, sagt Romeet Kashyap, der Kreuzfahrtdirektor. Dann könne es passieren, dass das Schiff, obwohl es nur 1,4 Meter Tiefgang hat, auf Grund schubbert. Das sei an und für sich ungefährlich, beruhigt Romeet, weil das Flussbett sandig sei, aber doch so rumpelig, dass es die Salzstreuer vom Tisch fegen könne und ältere Herrschaften von der Reling.

Flusskreuzfahrt auf dem Ganges in Indien: Eine hinduistische Götterfigur darf an Bord des Schiffs natürlich nicht fehlen
An Bord des Schiffs: Eine hinduistische Götterfigur darf natürlich nicht fehlen
Quelle: Michael Braun Alexander
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Doch auf dieser Tour spielt das Wetter verrückt. Es regnet und regnet, der Monsun will in diesem Jahr kein Ende finden. Ganga ist zum Teil über die Ufer getreten und mancherorts drei, vier Kilometer breit. Mangobäume, Häuser, Dorfstraßen, Reisfelder stehen unter Wasser. Die Strömung ist ungeheuerlich, vom Ufer aus kaum erkennbar, auf dem Wasser dafür umso mehr.

Das Schiff wirft eine hohe Bugwelle, selbst vor Anker liegend. Lange bleibt unklar, ob eine Brücke stromabwärts überhaupt passierbar ist, weil der Wasserpegel derart hoch steht, dass es auf Zentimeter ankommt. Es klappt dann aber, nachdem auf dem Oberdeck kurzerhand das Sonnendach abmontiert wurde.

Dorfbewohner freuen sich über die drolligen Senioren

So geht es nass, aber frohgemut, durch platte Landschaft, eine der ärmsten und zugleich dichtest besiedelten Regionen Indiens. Sehenswertes gibt es reichlich, wenngleich nichts, was an die Opulenz Agras, Jaipurs oder Delhis heranreichen könnte. Da ist Jaunpur mit einer hübschen Brücke aus dem 16. Jahrhundert, erbaut in der Ära des Großmoguls Akbar. In Ghazipur kann das Mausoleum von Lord Cornwallis, einem Großtäter der Briten zu Kolonialzeiten, bestaunt werden. Und in Buxar das Monument einer Schlacht von 1764 – eine marode Betonstele, die Liebhaber brutalistischer Architektur betören wird.

Diese entlegene Weltgegend ist ursprüngliches Indien, Reisende sind hier unterwegs weitab von touristischen Trampelpfaden. Massentourismus? Keine Spur. Im Gegenteil: Es gibt hier so gut wie keinen Tourismus. Es dauert ein paar Tage, bis die Kreuzfahrer kapieren, was eigentlich Sache ist: Die größte Sensation, die Top-Sehenswürdigkeit entlang des heiligen Ganges sind sie selbst – das mondäne Schiff und die drolligen Senioren in kurzen Hosen. Die Anteilnahme der Bevölkerung in den Uferdörfern ist überwältigend. Sobald der schwimmende Fürstenpalast aufkreuzt, geht ein Laufen, Lachen, Johlen, Winken los – jeder Landgang ein Jubelfest.

In Jaunpur und Ghazipur kommt die Kleingruppe nicht um zwei spontane Pressetermine mit rasenden Reportern umhin, die auf dem Moped herbeipreschen, um die Sensation auf keinen Fall zu verpassen: komische Ausländer in dieser abgelegenen Gegend! Fotos werden gemacht und in Lokalzeitungen gedruckt. „Das ist hier nicht so entwickelt“, wie Guide Suvendu etwas peinlich berührt sagt. „Wenn Touristen kommen, dann ist das für die Leute hier sehr aufregend.“

Trotz des Hochwassers steuert die „ABN Rajmahal“ planmäßig auf Patna zu. Kurz vor Ende der Fahrt macht sich nochmals Aufregung breit. Plötzlich tauchen neben dem Schiff quietschfidele Gangesdelfine auf, von denen heute nur noch wenige Tausend die wasserreichen Flusssysteme Südasiens durchpflügen. Ein Gänsehautmoment von berückender Magie. Ganga Ma meint es gut mit allen, egal ob gläubige Hindus oder reisende Kreuzfahrer.

Tipps und Informationen:

Anreise: Nonstopflug zum Beispiel mit Lufthansa, Air India oder Vistara von Frankfurt/Main nach Delhi, von dort weiter mit dem Zug (wenige Euro) oder mit einem Inlandsflug nach Varanasi (ab 50 Euro one-way); innerindische Flüge bieten beispielsweise Air India, IndiGo oder Vistara an. Touristen müssen vor Reiseantritt eine gebührenpflichtige Einreiseerlaubnis (E-Visum) einholen (indianvisaonline.gov.in).

Ganges-Kreuzfahrten: Die Flusskreuzfahrtgesellschaft Assam Bengal Navigation bedient mit vier Schiffen verschiedene Routen auf Ganges und Brahmaputra. Die nächsten Abfahrten zwischen Patna und Varanasi sind der 13. September 2024 und der 20. September 2024 von Varanasi nach Patna. Die einwöchige Reise kostet umgerechnet ab 2830 Euro pro Person in der Doppelkabine inklusive Verpflegung und Exkursionen, ohne Flüge. Später im Jahr sind andere Ganges-Touren weiter flussabwärts im Programm zwischen Patna und Kolkata (assambengalnavigation.com). Buchbar sind Kreuzfahrten auf Ganges und Brahmaputra auch über andBeyond im Rahmen individuell zusammengestellter Indienreisen (andbeyond.com). Geoplan hat Reisen auf beiden Strömen mit luxuriös ausgestatteten Schiffen von Pandaw Cruises im Programm, etwa „Indiens große Flüsse im Doppelpack“, 15 Tage ab 6450 Euro pro Person in der Doppelkabine inklusive Verpflegung, Ausflügen, Inlandsflug, aber ohne internationale Füge (geoplan-reisen.de).

Weitere Infos: Tourism India, incredibleindia.org

Die Teilnahme an der Reise wurde unterstützt von andBeyond und Assam Bengal Navigation. Unsere Standards der Transparenz und journalistischen Unabhängigkeit finden Sie unter go2.as/unabhaengigkeit.

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