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Fernreisen Urlaub im Irak

Mit einem Partybus durch Mossul

Urlaub im Irak? Für viele unvorstellbar. Nicht so für den Hamburger Reiseveranstalter Jochen Szech, der gerade durch das von Krieg und Terror geprägte Land gereist ist – und überrascht ist von Gastfreundschaft und Aufbruchstimmung. Schon 2024 will er Reisen dorthin anbieten.
Die Menschen, die Jochen Szech im Irak traf, freuten sich über Gespräche mit ausländischen Besuchern Die Menschen, die Jochen Szech im Irak traf, freuten sich über Gespräche mit ausländischen Besuchern
Die Menschen, die Jochen Szech im Irak traf, freuten sich über Gespräche mit ausländischen Besuchern
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

Menschenleere antike Denkmäler, unberührte Natur und überall gastfreundliche Menschen: So hat Jochen Szech gerade den Irak erlebt. Er ist Geschäftsführer des Hamburger Veranstalters Go-East Reisen und plant, bald Reisen in den Irak anzubieten.

Im Juni hat er das Land zwei Wochen lang auf seine Urlaubstauglichkeit hin geprüft – und ist begeistert. Seine Reise führte ihn in einer Kleingruppe vom südlichen Basra über Babylon und Bagdad bis in den kurdischen Norden nach Mossul und Erbil. Mit WELT spricht er über ein Land, das sich im Aufbruch befindet.

WELT: Muss man als Irak-Tourist lebensmüde sein? Das Auswärtige Amt und viele andere Länder sprechen klare Reisewarnungen aus – da ist von Kidnapping, bewaffneten Konflikten und Terroranschlägen die Rede.

Jochen Szech: Wenn Sie die Reisewarnungen lesen, dann denken Sie: „Wow, ganz schön schlimm.“ Aber wenn Sie dann da sind, ist das völlig anders. Wir hatten einen polnischen Kollegen dabei, der hat immer zu mir gesagt: „Guck mal, Irak ist so gefährlich: Jeder will mit dir Tee trinken, jeder will mit dir ein Pläuschchen halten, jeder will mit auf dein Foto.“ Da war eher die Gefahr, dass man einfach das Programm nicht schafft, weil man zu viele Leute trifft, die mit einem reden wollen.

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WELT: Also halten Sie die Reisewarnungen für übertrieben?

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Szech: Das Außenministerium muss ja immer vor allen Möglichkeiten warnen. Und ich denke schon, dass es noch irgendwelche Vorfälle geben könnte. Aber wir haben unseren irakischen Begleiter dabeigehabt und mit dem waren wir wirklich sehr sicher unterwegs. Zusätzliche Security hatten wir keine. Unser Begleiter hat zum Beispiel mit den Leuten an den Checkpoints gesprochen. Das ist wichtig, weil wir dort sonst lange hätten warten müssen. Aber für die Sicherheit ist so jemand nicht unbedingt nötig; eher für die Organisation der Reise, die praktischen Dinge eben.

Quelle: Infografik Die Welt

WELT: Vor einigen Wochen wurde nach Koranverbrennungen in Schweden die schwedische Botschaft in Bagdad von Radikalen gestürmt. Muss ich als westlicher Tourist Angst haben, dass Gewalt auch gegen mich verübt wird?

Szech: Ich glaube, dass das gezielte Provokationen einer kleinen Gruppe von Leuten sind. Aber wenn sie auf normale Leute treffen, ist das anders. Wir waren zum Beispiel auf einem Basar. Dort haben uns die Leute gefragt, woher wir kommen – und als ich gesagt habe, aus Deutschland, kamen immer die gleichen Reaktionen: „Deutschland ist super. Deutschland ist toll.“ Es gab keine einzige negative Äußerung zu Deutschland.

Wir hatten allerdings einen Kanadier in der Gruppe. Der hat dann immer vorsichtshalber gesagt: „I’m from Canada“, um nicht als US-Amerikaner gesehen zu werden. Ich kann Ihnen aber nicht sagen, wie genau das Verhältnis der Einheimischen zu den Amerikanern ist. Wir hatten keinen dabei.

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WELT: Also sind Alltagsbegegnungen positiv?

Szech: Als wir unterwegs waren, hatten alle Iraker das große Bedürfnis, mit uns zu reden. Davon wurden wir fast überrumpelt. Und ich hatte immer den Eindruck, die waren total ausgehungert danach, mit Menschen aus dem Ausland zu sprechen.

WELT: Der Irak ist in den vergangenen Jahrzehnten von Krieg und Terror gebeutelt worden. Wie haben Sie die Stimmung im Land wahrgenommen?

Szech: Die Stimmung war überraschend gut. Wir waren zum Beispiel in Mossul, im kurdischen Norden Iraks. Die Altstadt ist immer noch von der Schlacht zur Rückeroberung vom Islamischen Staat zerstört, aber die Außenbezirke nicht. Und wenn sie am Tigris sind, da gibt es überall Restaurants, Bars, Cafés.

Als wir abends ankamen, wurden wir von Studenten in einem Doppeldecker-Partybus abgeholt und sind dann am Flussufer entlanggefahren. Die Stimmung war ausgelassen, nach dem Motto: „Wir haben überlebt und jetzt machen wir Party.“ Oben auf dem offenen Deck haben sie Musik gemacht und gesungen. Das war super und die Leute an der Straße haben alle den Daumen gehoben oder gewinkt, und waren begeistert.

Irak: Wenn der Partybus in Mossul unterwegs ist, herrscht eine ausgelassene Stimmung
Wenn der Partybus in Mossul unterwegs ist, herrscht eine ausgelassene Stimmung
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

WELT: Was macht den Irak als Reiseland besonders im Vergleich zu anderen muslimisch geprägten Ländern?

Szech: Die ungeheure Menge an Sehenswürdigkeiten. Im Irak, dem alten Mesopotamien, liegt sozusagen die Wiege unserer westlichen Zivilisation. Sie haben nahe Euphrat und Tigris antike Städte wie Uruk, Ur, Babylon, und Hatra. Die unglaublichen Ausgrabungsstätten dort wären hierzulande komplett überlaufen. Wenn Sie in Westeuropa eine Sehenswürdigkeit dieses Kalibers besuchen, müssen Sie sich mittlerweile ja meistens schon im Voraus anmelden – in die Alhambra kommen Sie ohne Online-Ticket oder vorgebuchtes Zeitfenster fast gar nicht mehr rein. Und es ist natürlich sehr voll. Im Irak stehen Sie allein vor den sensationellen Bauwerken.

Irak: Hier herrscht kein Gedränge an den Sehenswürdigkeiten: Jochen Szech in Babylon
Hier herrscht kein Gedränge an den Sehenswürdigkeiten: Jochen Szech in Babylon
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen
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WELT: Sind die Ausgrabungsstätten und Denkmäler denn alle intakt, gab es keine Zerstörungen durch Krieg oder IS?

Szech: Dort, wo der IS nicht war, ist alles so wie vor dem Krieg – aber da, wo der IS war, sind die Denkmäler teilweise in Mitleidenschaft gezogen oder sogar zerstört worden. Die Altstadt von Mossul liegt immer noch in Trümmern. Denkmäler in Ninive und Nimrud ebenfalls – dort waren wir allerdings nicht.

Die antiken Ruinen von Hatra haben der Zerstörungswut des IS jedoch glücklicherweise standgehalten. Ich habe vor Ort einige Einschusslöcher von Maschinengewehren gesehen, aber die alten Baumeister haben so gut gebaut, dass es dem IS nicht gelungen ist, Hatra zu zerstören. Das hat auch irakische Archäologen erstaunt.

WELT: Was sind Ihre persönlichen Irak-Highlights?

Szech: Fangen wir mit der Natur an: Da gibt es etwa die mesopotamischen Sümpfe bei Basra im Süden des Landes nahe der iranischen Grenze. Diese riesige Sumpflandschaft ist wieder renaturiert worden, nachdem Saddam Hussein sie trockengelegt hatte, um sich an den Einwohnern zu rächen.

Irak: Mit einem Boot geht es durch die mesopotamischen Sümpfe im Süden des Landes
Mit einem Boot geht es durch die mesopotamischen Sümpfe im Süden des Landes
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

Dann fand ich die antiken Denkmäler von Ur und Hatra besonders beeindruckend. Auch sehr zu empfehlen sind das Nationalmuseum in Bagdad und die lebendige Innenstadt. Dort wirkt alles sehr ursprünglich und authentisch. Im Irak fehlt diese ganze Entwicklung der letzten 20, 30 Jahre. Es ist nicht so kommerzialisiert, es gibt kaum Ketten wie McDonald’s oder Starbucks, und die Gastfreundschaft ist einmalig.

Ich habe zum Beispiel in einer kleinen Stadt einen Bäcker fotografiert, der auf traditionelle Weise sein Brot buk. Da hat er mir zum Dank, dass ich ihn fotografiert habe, gleich ein frisches Brot geschenkt und sich herzlich verabschiedet.

Irak: Spontan schenkte dieser Bäcker Jochen Szech ein Brot
Spontan schenkte dieser Bäcker Jochen Szech ein Brot
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

WELT: Wie unterscheidet sich das Reisen im autonomen Kurdistan vom Rest des Landes?

Szech: Kurdistan ist von der Entwicklung bestimmt zehn Jahre weiter, weil die Leute dort mehr investieren und das Gemeinwesen besser organisiert ist. Es gibt moderne Autohäuser, Hochhäuser, Wohnblöcke und so weiter, vor allem in Erbil. Im Süden des Iraks finden Sie mehr von den großen Sehenswürdigkeiten wie Babylon, nicht in Kurdistan – dort haben Sie mehr Natur und Berglandschaften, durch die man wandern kann.

Es gibt dort auch sehr schöne kleine Orte, die gerade im Sommer bei irakischen Touristen beliebt sind, weil es kühler ist als im Rest des Landes. Kleine Bäche fließen durch die Dörfer und Sie können sich einen Tisch im Restaurant reservieren und mit den Füßen im Wasser zu Mittag essen.

WELT: Inländische Touristen und Pilger aus muslimischen Nachbarländern machen im Irak bereits wieder Urlaub. Wie groß schätzen Sie das Potenzial für Irak als Reiseland für andere Nationen ein?

Szech: Es sind so viele Sachen, die jetzt in Angriff genommen werden. Ich habe gesehen, dass aktuell viele Hotels gebaut werden und die touristische Infrastruktur wächst. Die Deutschen sehen ja meist nur sich selbst als Reisende. Aber inzwischen gibt es auch viele Gruppen aus China, Malaysia, Thailand und anderen asiatischen Ländern. Auch die Inder werden eine immer größere Reisegruppe.

Deswegen wäre meine Prognose: In zehn Jahren, vielleicht auch schneller, könnte der Irak ein richtiges Reiseland sein – vielleicht eine Mischung aus Jordanien und der inländischen Türkei. Die Gastfreundschaft und die Freundlichkeit der Iraker können das beschleunigen. Wir von Go-East Reisen wollen Irak bereits 2024 in unser Programm aufnehmen.

Irak: das sich spiralförmig in den Himmel drehende Minarett der Großen Moschee von Samarra, einst die größte Moschee der Welt
52 Meter hoch: das sich spiralförmig in den Himmel drehende Minarett der Großen Moschee von Samarra, einst die größte Moschee der Welt
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

WELT: Erzählen Sie ein wenig von der praktischen Seite Ihrer Reise. Wie kommt man hin?

Szech: Ich bin mit Turkish Airlines über Istanbul geflogen, mit denen man die besten Verbindungen hat. Es gibt drei Städte, die angeflogen werden: Erbil, Bagdad und Basra. Das heißt also, man hat gute Möglichkeiten, eine Rundreise zu machen, ohne wieder zum Ausgangspunkt zurückzumüssen.

WELT: Und die Einreise?

Szech: Ist einfach. Da gibt es für aktuell umgerechnet 64 Euro ein „Visa on Arrival“, mit dem man einen Monat lang als Tourist im Land bleiben kann. Auch der Übergang nach Kurdistan ist nicht mehr als ein gut ausgebauter Checkpoint, das irakische Visum reicht da.

WELT: Wie einfach ist es, im Land umherzureisen?

Szech: Es gibt sehr viele Checkpoints von Polizei und Militär. Wir sind mit einem Kleinbus unterwegs gewesen, den unsere Partner zur Verfügung gestellt hatten. Hotels haben wir uns sehr viele angeschaut, auch aus professioneller Neugier. Da gibt es große Unterschiede; wer Qualität möchte, sollte auf jeden Fall in Richtung vier oder fünf Sterne gehen. Man merkt, dass die Iraker seit 20 Jahren so gut wie keine internationalen Kunden hatten. Mit Englisch kommt man aber trotzdem im ganzen Land recht gut durch.

Jochen Szech (l.) mit einem irakischen Soldat
Jochen Szech (l.) mit einem irakischen Soldat
Quelle: Jochen Szech/Go East Reisen

WELT: Stichwort Islam im Alltag. Darf man Alkohol trinken? Wenn ja, wo? Müssen Frauen eine Kopfbedeckung tragen?

Szech: Offiziell ist Alkohol nicht gestattet, man bekommt ihn allerdings in einigen Hotel-Bars in Bagdad. In Kurdistan ist Alkohol kein Problem; es gibt sogar einen deutschen Biergarten in Erbil. Frauen sollten im Süden des Landes beachten, dass die Kleiderordnung dort an den heiligen Orten strenger geregelt ist. Frauen, die etwa die Pilgerstätte Kerbala besuchen, müssen auf jeden Fall einen Tschador oder zumindest ein Kopftuch überziehen, sonst kommen sie da einfach nicht rein.

Ab Bagdad und weiter nördlich ist das eigentlich relativ egal. Miniröcke habe ich zwar nicht gesehen, aber man muss ja als Tourist nicht unbedingt provozieren. Als Reisender sollte ich wissen: Der Irak ist ein in großen Teilen streng muslimisches Land.

WELT: Gibt es Orte, die nur für Muslime zugänglich sind?

Szech: Unsere Gruppe, alles keine Muslime, durfte überall rein, auch in alle Pilgerorte und Moscheen – im Gegensatz etwa zu Saudi-Arabien, wo man Mekka nicht betreten darf. Es wurde nur immer darauf hingewiesen, die Leute nicht direkt zu fotografieren oder zu filmen. Das macht man in einer Kirche bei uns aber auch nicht.

WELT: Und was kostet eine Irak-Rundreise mit einem Veranstalter?

Szech: Für eine 14-tägige Reise mit Flug, Programm und Übernachtung inklusive Verpflegung muss man mit Kosten zwischen 5500 und 6000 Euro rechnen.

WELT: Klingt ziemlich teuer.

Szech: Das liegt vor allem daran, dass Reiseveranstalter darauf achten werden, hochwertige Hotels zu buchen. Und Sie haben diese vielen Checkpoints, die müssen auch immer eingerechnet werden – dieser „Service“ ist dann im Preis inklusive, damit es schneller vorangeht.

Zur Person:

Jochen Szech, Jahrgang 1962, ist Geschäftsführer des Reiseveranstalters Go-East Reisen mit Sitz in Hamburg, der sich auf östliche Länder spezialisiert hat (go-east.de/). Nach der Schule reiste Szech lange Zeit durch Asien und studierte später in Deutschland Russisch. Bei Go-East begann er mit Russlandreisen, später kamen andere Länder in Osteuropa und Asien hinzu. Ihm ist wichtig, möglichst ursprüngliche und authentische Reiseerfahrungen anzubieten. Im Irak war er dieses Jahr zum ersten Mal.

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