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Literatur

"Gefangen in Hohenschönhausen"

Autorenprofilbild von Sven-Felix Kellerhoff
Von Sven-Felix KellerhoffLeitender Redakteur Geschichte
Veröffentlicht am 31.05.2007Lesedauer: 3 Minuten

Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis, hat die Stimmen von 24 früheren Häftlingen in Hohenschönhausen in einem handlichen Band versammelt.

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Das Gefängnis Hohenschönhausen war eine ganz normale Untersuchungshaftanstalt, nicht anders als ähnliche Einrichtung in der Bundesrepublik. Das behauptet zumindest Siegfried Rataizick, Stasi-Oberst und immerhin 27 Jahre Chef dieser Anstalt. Nicht wenige Menschen glauben dieser Lüge, und zwar keineswegs nur alte SED-Kader. Höchste Zeit also, die Wahrheit über einen der übelsten Orte der Nachkriegsgeschichte gebündelt als Buch vorzulegen.

Hubertus Knabe, Direktor der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis, hat jetzt die Stimmen von 24 früheren Häftlingen in Hohenschönhausen in einem handlichen Band versammelt. Am 31. Mai stellten Zeitzeugen des Haftregimes in Hohenschönhausen das Buch vor.

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20 der 24 in dem Band gedruckten Berichte sind schon früher veröffentlicht worden - doch oft an verstreuten Stellen. Es ist richtig und wichtig, dass Knabe diese eindringlichen Schilderungen nun zusammen vorlegt. Der Band ist eine Grundlage für die öffentliche Aufarbeitung des Stasi-Systems, das für die DDR so charakteristisch war wie sonst nur noch das mörderische Grenz-Regime. In Hohenschönhausen begegneten sich diese wesentlichen "Eigenschaften" der DDR, denn von geschätzt 20.000 Häftlingen 1951 bis 1989 dürfte ein großer Teil wegen Vorbereitungen zur "Grenzverletzung" eingeliefert worden sein.

Deutlich unterscheidet der Band zwischen den verschiedenen Phasen der Anstalt Hohenschönhausen. Zuerst, 1945/46, war auf dem Areal ein sowjetisches Speziallager eingerichtet, in dem echte und vor allem vermeintliche Nationalsozialisten eingesperrt wurden, aber fast von Beginn an auch Gegner der geplanten kommunistischen Machtübernahme. Das Gelände, mit eigenem Bahnanschluss und trotzdem relativ schwer einsehbar, hatte sich dabei so gut "bewährt", dass der sowjetische Geheimdienst hier seine zentrale Haftanstalt einrichtete, die bis 1951 Bestand hatte.

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Erst danach übernahm die Stasi das Areal und den im Keller einer Großküche errichteten Zellentrakt. Zu den besonders beeindruckenden Zeugnissen über diese Zeit zählen die Berichte von Karl Wilhelm Fricke und Hans-Eberhard Zahn. Fricke saß mehr als ein Jahr in Hohenschönhausen, nachdem er in Schöneberg mit K.O.-Tropfen betäubt und nach Ost-Berlin entführt worden war. Insgesamt vier Jahre verbrachte er hinter DDR-Gefängnismauern - weil er gewagt hatte, in westdeutschen Zeitungen die Wahrheit über Ulbrichts Staat zu schreiben. Hans-Eberhard Zahn, später als Psychologe an der Freien Universität tätig, bringt in seinem Bericht das "Prinzip Hohenschönhausen" auf den Punkt: "Man weidete sich an meiner Hilflosigkeit. Allerdings: Körperlich misshandelt wurde ich nicht."

Bei der Lektüre der beiden Berichte über die 70er-Jahre fällt auf, dass man einmal die Haftbedingungen der aus politischen Gründen Inhaftierten in Hohenschönhausen (seit 1959 in einem neuen Zellenblock) vergleichen müsste mit jenen, unter denen die vermeintlich "politischen Gefangenen", in Wirklichkeit kriminellen Terroristen von RAF und "Bewegung 2. Juni" in West-Berliner Gefängnissen einsaßen. Gegen deren vermeintliche "Isolation" protestierten zum Beispiel Ende 1974 bekannte Schauspieler und andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens. Für die Leiden der wenige Kilometer weiter östlich isolierten Menschen in Hohenschönhausen aber interessierte sich zur selben Zeit kaum ein West-Intellektueller.

"Gefangen in Hohenschönhausen" ist im List Verlag erschienen. 382 Seiten, 8,95 Euro