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Deutschland Claus Ruhe Madsen

„Diese Bundesregierung hat die Menschen schlicht nicht ernst genommen“

Korrespondent
Claus Ruhe Madsen, Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister (CDU) Claus Ruhe Madsen, Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister (CDU)
Claus Ruhe Madsen, Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister (CDU)
Quelle: Bertold Fabricius
Schleswig-Holsteins dänischstämmiger Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) lässt kein gutes Haar an der Ampel-Koalition. Ein bestimmtes Vorgehen der Regierung nennt er gefährlich. Gerade der liberale Verkehrsminister Wissing habe ein verheerendes Signal zur Lage der Infrastruktur gesandt.
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Claus Ruhe Madsen wurde 1972 in Kopenhagen geboren. Nach dem Abitur kam er für ein Auslandsjahr nach Deutschland – und blieb. Madsen arbeitete als Möbelverkäufer, eröffnete dann selbst ein Möbelhaus. 2019 wurde er zum Rostocker Oberbürgermeister gewählt. 2022 holte ihn Schleswig-Holsteins Regierungschef Daniel Günther (CDU) als Wirtschaftsminister in das schwarz-grüne Kieler Kabinett.

WELT: Herr Madsen, was hat Sie in Ihren ersten beiden Amtsjahren am meisten geärgert?

Claus Ruhe Madsen: Zwei Punkte. Zum einen hat mich das wiederkehrende öffentliche, sich gegenseitig widersprechende Brainstorming der Berliner Ampel-Koalition stark irritiert. An dem einen Tag dies zu sagen, am nächsten das, dieser irrlichternde Politikstil verunsichert die Menschen und nimmt ihnen die Zuversicht. Die Leute brauchen aber diese Zuversicht, gerade in Krisenzeiten. Das gilt erst recht für die Wirtschaft.

Die Folge der verkorksten Ampel-Politik ist, dass die Leute aufhören zu konsumieren und zu investieren. Ich sehe das gerade bei den kleinen und mittelständischen Betrieben. Die gehen nicht gleich Pleite, aber sie hören auf zu investieren. Und am Ende bricht das ganze System zusammen.

WELT: Ein Beispiel?

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Madsen: Leider viel zu viele. Nehmen Sie die plötzliche Streichung der Fördermittel für die E-Mobilität. So etwas wirkt verheerend. Oder nehmen Sie den Zwölf-Punkte-Wirtschaftsplan, mit dem die FDP wochenlang in die Öffentlichkeit gegangen ist. Eine Regierungspartei sollte ihre Vorschläge nicht in die Medien einbringen, sondern ins Kabinett – und dann möglichst viele davon umsetzen.

WELT: Ihr zweiter Ärger-Punkt?

Madsen: Die größte Ernüchterung war für mich, feststellen zu müssen, dass Bürokratieabbau zunächst nur neue Bürokratie produziert. Es ist ein bisschen wie mit dem Übergewicht. Das bekommt man nicht über Nacht, aber man wird es eben auch nicht über Nacht wieder los. Wir haben uns die Bürokratie über Jahrzehnte angefuttert. Und wir werden leider Jahrzehnte brauchen, um sie wieder abzubauen.

WELT: Gab es in den vergangenen zwei Jahren auch etwas, das sie positiv überrascht hat?

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Madsen: Eindeutig: Die offene und freundliche Art der Schleswig-Holsteiner. Die haben mich sofort als einen der ihren aufgenommen. Das hat mich sehr gefreut.

WELT: Sie sind seit einem Jahr auch CDU-Mitglied. Hat die Partei sie auch gut aufgenommen?

Madsen: Die schleswig-holsteinische CDU-Familie unbedingt. Ich fühle mich hier ausgesprochen wohl.

WELT: Heißt das, dass Sie mit der Union im Bund noch fremdeln?

Madsen: Nein, das heißt, dass ich mit der Bundes-CDU noch nicht so viel Kontakt gehabt habe. Ich bin wenig in Berlin und tatsächlich sehr von der Daniel-Günther-CDU geprägt.

WELT: Glauben Sie, dass eine unionsgeführte Bundesregierung das Land besser führen würde als die Ampel-Koalition?

Madsen: Davon bin ich überzeugt. Jedes Kabinett, das auf die Ampel folgt, wird aus deren Scheitern gelernt haben. Diese Bundesregierung hat die Menschen schlicht nicht ernst genommen. Sie hat die Bauern nicht ernst genommen. Sie hat die Wirtschaft nicht ernst genommen. Sie nimmt die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger bis heute nicht hinreichend ernst. Das gilt für das Thema Migration, für das Bürgergeld, für das Heizungsgesetz, für die Energiewende insgesamt.

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Die Ampel vermittelt den Leuten jederzeit das Gefühl: Ihr müsst gar nichts sagen, wir wissen schon, wie es geht. Das ist gefährlich. So verliert man die Menschen. Man kann es nicht allen recht machen, klar. Aber man muss mit allen reden, auf Augenhöhe bleiben. Das wird die nächste Bundesregierung besser machen.

WELT: Im Grunde stünde ein CDU-Kanzler vor dem gleichen Problem, vor der gleichen knappen Kassenlage wie Olaf Scholz (SPD). Was würden Sie ihm empfehlen, um die Probleme zu lösen?

Madsen: Vor allem anderen: Eine bessere Kommunikation! In einem Kabinett darf man streiten, man darf unterschiedlicher Meinung sein – aber wenn die Sitzung zu Ende ist, spricht eine Regierung mit einer Stimme. So wünschen sich das die Menschen. Im Übrigen steht außer Frage, dass investieren muss, wer in der Zukunft erfolgreich sein will. Wer kein Riesenrad hat, kann auch keine Fahrkarten verkaufen.

WELT: Also sollten Bund und Länder doch die Schuldenbremse reformieren, beziehungsweise über sogenannte Sondervermögen zusätzliche Kredite aufnehmen?

Madsen: Deutschland hat über Jahrzehnte seine Infrastruktur vernachlässigt – Schulen, Bundeswehr, Gesundheitssystem, Verkehr. Das ist eine Riesenlast. Gleichzeitig haben wir die Pflicht, den nachfolgenden Generationen nicht einfach einen gigantischen Schuldenberg zu hinterlassen. Die Debatte, wie man beide Probleme löst, ist deshalb wichtig. Fest steht aber, dass wir nicht länger versuchen sollten, die Menschen über den Sozialhaushalt zufriedenzustellen. Das Bürgergeld in der bisherigen Form können wir uns nicht leisten. Genauso wenig wie die ausufernden Kosten unserer Flüchtlingspolitik.

Wenn wir Investitionsfonds für die Infrastruktur, für Sicherheit, für Bildung auflegen wollen, dann müssen wir an anderer Stelle Kosten einsparen.

WELT: Sie selbst haben vor kurzem angekündigt, auf 18 Strecken des ohnehin ziemlich dünnen schleswig-holsteinischen Bahnnetzes die Zahl der Zugverbindungen zu reduzieren. Warum?

Madsen: Weil es mein Auftrag als Minister ist, mit dem Geld zurechtzukommen, das zur Verfügung steht. Der Bund hat uns leider im Stich gelassen und zahlt den Ländern weniger Geld für den Regionalverkehr, als es nötig wäre.

Dazu kommt ein Deutschlandticket, das uns Länder sehr viel Geld kostet. Die Finanzierungslücke allein für Schleswig-Holstein beträgt rund 50 Millionen Euro jährlich. Verantwortlich Politik zu machen, heißt in so einem Fall dann eben auch, dass bestehende Angebote nicht fortgeführt werden. In diesem Fall Zugverbindungen, die allesamt in die Randzeiten fallen und wenig frequentiert sind.

WELT: Die CDU in Hessen fordert, das Deutschlandticket wegen dieser Finanzierungslücke wieder abschaffen. Ist das für Sie auch ein Weg?

Madsen: Das ist mir zu radikal. Vielleicht sollte man erstmal über den Preis des Deutschlandtickets sprechen. Da würden viele auch bei 59 Euro noch sehr viel Geld sparen gegenüber früheren Preisen. Wir brauchen bei diesem Thema jetzt eine ehrliche Debatte. Aber wenn wir schon bei der Verkehrssituation in Schleswig-Holstein sind – eine Sache brennt mir tatsächlich noch auf den Nägeln.

WELT: Die wäre?

Madsen: Schleswig-Holstein plant seit Jahrzehnten den Weiterbau der Autobahn 20, die derzeit in Bad Segeberg endet. Wir haben jetzt gute Aussichten, dass wir endlich weiterbauen können. Und genau in dem Moment kommen Meldungen aus Berlin, nach denen der Bundesverkehrsminister das Projekt erneut auf den Prüfstand bringen will. Das ist schlicht respektlos.

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WELT: Aber angesichts der Haushaltslage im Bund auch nachvollziehbar, oder?

Madsen: Nein, sorry, das ist kein Umgang miteinander. Die Autobahn steht seit langem als Infrastrukturprojekt mit höchster Priorität im Bundesverkehrswegeplan. Es ist bereits enorm viel Geld geflossen, unter anderem in ökologische Maßnahmen. Die A20 ist das bestuntersuchte Verkehrsprojekt in ganz Deutschland. Wenn das nicht umgesetzt wird, wäre das ein verheerendes Signal für alle Menschen und Unternehmen in Schleswig-Holstein.

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