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Deutschland „Hawala“-System

Bundesregierung kann Höhe umstrittener Geldtransfers im Ausland nicht beziffern

Redakteur Investigation und Reportage
Beschlagnahmte Geldbündel: In Deutschland gilt das „Hawala“-System als illegal Beschlagnahmte Geldbündel: In Deutschland gilt das „Hawala“-System als illegal
Beschlagnahmte Geldbündel: In Deutschland gilt das „Hawala“-System als illegal
Quelle: picture alliance/dpa/Landeskriminalamt NRW/-
In „besonderen Einzelfällen“ wird bei Projekten der Bundesregierung Geld mithilfe des „Hawala“-Systems ins Ausland transferiert. Die Opposition wollte jetzt mehr über das Ausmaß der Praxis wissen. Doch das islamische Geldsystem bleibt ein Dunkelfeld.
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Die Bundesregierung finanziert Entwicklungshilfeprojekte im Ausland, bei denen Gelder mithilfe des „Hawala“-Systems transferiert werden. Dabei handelt es sich um ein informelles Zahlungsnetzwerk. Es kommt ohne Banken aus und ist vor allem in islamisch geprägten Gesellschaften verbreitet. Weltweit wird es auch zur Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung genutzt.

Bei einer „Hawala“-Transaktion wendet sich der Zahlungssender an einen „Hawala“-Agenten, der das Geld entgegennimmt. Der Zahlungsempfänger lässt sich das Geld von einem anderen Agenten auszahlen. Für Behörden sind die Geldgeschäfte schwierig nachzuverfolgen. In der Entwicklungshilfe wird das System vor allem dann genutzt, wenn das Bankensystem in Zielländern zusammengebrochen ist.

Recherchen von WELT AM SONNTAG hatten zuletzt gezeigt, dass das Auswärtige Amt ein Projekt der Welthungerhilfe in Afghanistan finanziert, bei dem Gelder per „Hawala“-Banking verschoben werden. Dabei zahlte das Auswärtige Amt erhebliche Gebühren an die beteiligten Agenten. In dem aufgedeckten Fall betrugen diese Gebühren 245.000 Euro – mehr als sechs Prozent der gesamten Projektsumme.

Eine Kleine Anfrage der Union im Bundestag enthüllt nun: Über das gesamte Ausmaß der Praxis liegen der Bundesregierung keine Informationen vor. Unklar ist also, bei wie vielen Projekten im Ausland das islamische Geldtransfersystem genutzt wird – und wie hoch die Gebühren sind, die für die Bundesregierung dabei anfallen.

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„Die einzelnen Geldtransfers im Zuge der Projektumsetzung durch Zuwendungsempfänger und Durchführungsorganisationen werden von den bewirtschaftenden Ressorts nicht zentral erfasst“, heißt es in der Antwort auf die Anfrage, die WELT vorliegt.

Dass auf das „Hawala“-System nicht nur einmal zurückgegriffen wurde, bestätigt die Regierung grundsätzlich. „In besonderen Einzelfällen, in denen es zur Rettung von Menschenleben oder zur Durchführung von besonders wichtigen Hilfsprojekten mangels verlässlicher Bankensysteme keine alternativen Möglichkeiten für Geldtransfers gibt, wird von einzelnen Ressorts zugelassen, dass geförderte Zuwendungsempfänger und Durchführungsorganisationen nach Abwägung aller Risiken als ultima ratio ein ‚Hawala‘-System nutzen“, so die Antwort.

Der CDU-Politiker Matthias Hauer kritisierte die mangelnde Erfassung. Hauer sagte WELT: „Das ist ein inakzeptabler Zustand, der den erheblichen Risiken des illegalen Hawala-Bankings in keiner Weise gerecht wird.“. Es sei nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung mit ihrer Zustimmung zur Verwendung des „Hawala“-Bankings zum Erhalt dieser illegalen Finanzstrukturen offenbar aktiv beitrage, ohne diese Verwendung als „ultima ratio“ engmaschig zu erfassen und zu kontrollieren.

Unklar, wo das Geld landet

Auch die Gebührenzahlung an „Hawala“-Agenten sorgt für Kritik. Das Auswärtige Amt müsse alles dafür tun, sicherzustellen, dass die Gelder beim richtigen Empfänger landen, hatte zuletzt die Organisation Transparency International angemahnt. „Das gilt besonders für die durchaus erheblichen Hawala-Gebühren. Denn gerade bei diesen lässt sich faktisch nicht ausschließen, dass diese in kriminelle oder terroristische Strukturen fließen“, so Transparency-Vorstandsmitglied Heribert Hirte.

Eine Studie des Büros der UN für Drogen- und Verbrechensbekämpfung hatte zuletzt bestätigt, wie kriminalitätsbelastet das „Hawala“-System in Afghanistan ist. Rund jeder fünfte dafür befragte „Hawala“-Agent gab an, dass Mitglieder des Berufsstandes auch in den Opiumhandel involviert seien. Zudem kam die Studie zu dem Schluss, dass „Hawala“-Agenten wissentlich und unwissentlich Menschenhandel begünstigen würden, indem sie für die illegale Migration wichtige Dienstleistungen anbieten und Migranten mit Schmugglern bekannt machen würden.

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Die Welthungerhilfe erklärte auf Anfrage, die Herausforderungen des Systems zu kennen. Man habe ein „enges Überwachungssystem“, um sicherzustellen, „dass die genutzten Gelder ausschließlich den dafür vorgesehen Zwecken zugutekommt“. Die Welthungerhilfe arbeite mit drei verschiedenen „Hawala“-Agenten in Afghanistan zusammen. Die Firmen tragen die Namen Meezan MSP, Afghan Sharq und Jasmine Sadaat PTY. Sie wähle die beteiligten Agenten über ein reguläres Ausschreibeverfahren aus. „Die Bezahlung erfolgt direkt über Banktransfer auf ein ausländisches Bankkonto“, sagte eine Sprecherin.

„Eklatanter Verstoß gegen Geldwäscherichtlinien“

Innerhalb Deutschlands gilt die Nutzung des „Hawala“-Systems laut der Bankenaufsicht BaFin als „eklatanter Verstoß gegen Geldwäscherichtlinien“. „‚Hawala‘ und andere alternative Überweisungssysteme werden vermehrt von Strafverfolgungsbehörden beobachtet und in Verbindung mit kriminellen Handlungen wie etwa Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Schleusung, Rauschgifthandel, Steuerhinterziehung, Schmuggel und Korruption gebracht“, heißt es vonseiten der Behörde.

Sonderlich viele Fälle werden aber offenbar nicht aufgedeckt. So erklärt die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die kleine Anfrage der Union, im Jahr 2024 seien bisher sechs Fälle festgestellt worden, in denen Dienstleistungen, die dem „Hawala“-Banking zuzurechnen sind, in Deutschland angeboten wurden.

In drei Fällen seien diese von einem Gastronomiebetrieb, in jeweils einem Fall von einem Speditionsbetrieb, einem Einzelhandel und einem Edelmetallhandel angeboten worden. „In vier Fällen wurden Stellungnahmen an Strafverfolgungsbehörden zur Strafbarkeit der Geschäfte abgegeben.“ 2021 deckten die Behörden laut der Bundesregierung 12 Fälle auf, im Jahre 2022 zehn Fälle und im vergangenen Jahr vier Fälle.

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