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Länder melden starken Anstieg häuslicher Gewalt – Deutliche regionale Unterschiede

Reporter Investigative Recherche
Lisa Paus, Bundesministerin fuer Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Nancy Faeser, Bundesministerin fuer Inneres und Heimat, aufgenommen im Rahmen der Bundespressekonferenz zum Thema Lagebild haeusliche Gewalt und Start der Studie LeSuBia. Berlin, 11.07.2023. Lisa Paus, Bundesministerin fuer Familie, Senioren, Frauen und Jugend, und Nancy Faeser, Bundesministerin fuer Inneres und Heimat, aufgenommen im Rahmen der Bundespressekonferenz zum Thema Lagebild haeusliche Gewalt und Start der Studie LeSuBia. Berlin, 11.07.2023.
Die Ministerinnen Lisa Paus (Grüne) und Nancy Faeser (SPD)
Quelle: picture alliance / photothek
Die Ministerinnen Nancy Faeser (SPD) und Lisa Paus (Grüne) sind alarmiert. Denn das neue Lagebild des Bundeskriminalamts zeigt, dass in Deutschland alle zwei Minuten ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt wird. Caritas und Diakonie sehen einen eindeutigen Trend.
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Die Zahl der Opfer häuslicher Gewalt in Deutschland hat im vergangenen Jahr erheblich zugenommen. Wie Recherchen von WELT bei den Innenministerien und Landeskriminalämtern der 16 Bundesländer ergaben, wurden bundesweit mehr als 255.000 Opfer von der Polizei registriert. Das entspricht einem Anstieg von etwa sieben Prozent gegenüber dem Jahr 2022.

Als Täter werden Partner, Ex-Partner und Familienangehörige erfasst. Zwei Drittel der Opfer sind Frauen. Die Dunkelziffer ist hoch, weil sich viele Betroffene nicht trauen, Anzeige zu erstatten.

Innenministerin Nancy Faeser (SPD), Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und die Vizepräsidentin des Bundeskriminalamts, Martina Link, werden den Bericht mit dem Titel „Häusliche Gewalt. Lagebild zum Berichtsjahr 2023“ am Freitag in Berlin vorstellen. Danach hat die Polizei in allen 16 Bundesländern deutlich mehr Opfer von häuslicher Gewalt registriert.

Die Daten der Länder fließen in das Bundeslagebild ein, das vom BKA erstellt wird. Unter häusliche Gewalt fallen etwa Mord, Totschlag, Vergewaltigung und Freiheitsberaubung. Größtenteils handelt es sich aber um Körperverletzung, Bedrohung, Nötigung und Stalking. Letzteres verlagert sich infolge der zunehmenden Digitalisierung teilweise von der analogen in die virtuelle Welt.

Stärkster Zuwachs in Bremen

Beim Vergleich der Länder zeigt sich, dass es bei der häuslichen Gewalt regionale Unterschiede gibt. So verzeichnet das Land Bremen/Bremerhaven mit 34,6 Prozent (3791 Opfer) den stärksten Zuwachs. Dahinter kommen Sachsen-Anhalt (plus 12,4 Prozent, 8238 Opfer) und Baden-Württemberg (plus 9,8 Prozent, 16.436 Opfer).

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Group of teenagers in the street Credit © Luigi Innamorati/Sintesi
Entwicklung der Kriminalität

Es folgen der Stadtstaat Hamburg (plus 9,4 Prozent, 7978 Opfer), Brandenburg (plus 8,9 Prozent, 6673 Opfer), Berlin (plus 8,8 Prozent, 18.784 Opfer) und Niedersachsen (plus 8,7 Prozent, 26.891 Opfer) mit überdurchschnittlich hohen Werten.

Bayern ist ein Sonderfall. Dort können die Jahre 2023 (28.081) und 2022 (26.467 Opfer) nur schwer miteinander verglichen werden, weil der Freistaat eine „Neuerhebung“ der Zahlen gestartet hat. Denn bis Ende 2022 umfasste die häusliche Gewalt dort nur die Gewalt von Partnern und Ex-Partnern.

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Den geringsten Anstieg bei der häuslichen Gewalt haben Thüringen (plus 1,1 Prozent, 6551 Opfer), Saarland (1,4 Prozent, 3224 Opfer) und Rheinland-Pfalz (plus 1,7 Prozent, 13.810 Opfer) erfasst. In allen Bundesländern hat die Polizei rechtliche Möglichkeiten, gewalttätige Personen aus der gemeinsamen Wohnung zu weisen und ein „Betretungsverbot“ auszusprechen.

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Wie definiert das BKA häusliche Gewalt? Dazu rechnet es sowohl die sogenannte „Partnerschaftsgewalt“ als auch die „innerfamiliäre Gewalt“. Zur Partnerschaftsgewalt gehören die Opfer und Tatverdächtigen, die in einer partnerschaftlichen Beziehung waren oder sind – Ehepartner, eingetragene Lebenspartnerschaften, Partner nicht ehelicher Lebensgemeinschaften und ehemalige Partnerschaften.

Caritas: „Häusliche Gewalt hat viele Gesichter“

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Bei der innerfamiliären Gewalt sind es die Opfer und Tatverdächtigen, die in einer verwandtschaftlichen Beziehung zueinanderstehen – etwa Kinder (auch Pflege-, Adoptiv-, Stiefkinder), Geschwister, Enkel, Eltern (auch Pflege-, Adoptiv-, Stiefeltern), Großeltern, Schwiegereltern, Onkel und Cousinen.

„Häusliche Gewalt beinhaltet alle Formen körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt und umfasst familiäre sowie partnerschaftliche Gewalt“, heißt es im Lagebild. Um häusliche Gewalt handele es sich immer dann, wenn die Gewalt zwischen Personen stattfinde, die in einer partnerschaftlichen oder familiären Beziehung zusammenwohnen würden. „Sie liegt auch vor, wenn sie unabhängig von einem gemeinsamen Haushalt innerhalb der Familie oder in aktuellen oder ehemaligen Partnerschaften geschieht“, so das Lagebild.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte WELT: „Häusliche Gewalt hat viele Gesichter: Frauen und Männer aus allen gesellschaftlichen Schichten sind Opfer gewalttätiger Partner. Vergewaltigung in der Paarbeziehung ist so alltäglich wie Schläge oder Misshandlung mit Gegenständen.“ Die Täter seien häufig alkoholisiert. Auch hohe Mietkosten und der knappe Wohnungsmarkt trügen dazu bei, häusliche Gewalt zu „verfestigen“.

Die Frauenhäuser von Caritas und der Sozialdienst katholischer Frauen bestätigen laut der Präsidentin eine „steigend hohe Nachfrage“ nach Frauenhausplätzen und Beratungsterminen in den Fachstellen. „Auch die offizielle Zahl der Männer steigt, die sich wegen Gewalt in Paarbeziehungen Hilfe suchen“, berichtet sie. Die Anfragen in den Männerberatungsstellen seien „anhaltend hoch“.

Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik bei der Diakonie, nannte die Zunahme bei den Opfern erschreckend. „Der erneute Anstieg von häuslicher Gewalt ist erschreckend, kommt aber nicht unerwartet“, sagte Loheide WELT. Sie befürchte, dass die für das nächste Jahr geplante Dunkelfeldstudie mit dem Titel „Lebenssituation, Sicherheit und Belastung im Alltag“ vom BKA „den Trend zur Zunahme häuslicher Gewalt“ bestätigen werde.

Nötig sei jetzt ein „Gewalthilfegesetz, das allen von Gewalt betroffenen Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung garantiert.“ Denn bisher sei Gewaltschutz eine freiwillige Leistung einerseits der Kommunen. „Und andererseits müssen die Opfer von Gewalt teilweise einen Eigenanteil von bis zu 50 Euro pro Tag für den Aufenthalt im Frauenhaus zahlen“, sagt Loheide.

Notruf wird über die App an Polizei gesendet

Für betroffene Frauen gibt es eine App des Vereins „Gewaltfrei in die Zukunft“, die vom Bundesinnenministerium seit Oktober 2023 gefördert wird. Bis Ende 2026 sind dies 3,7 Millionen Euro. Durch einen Druck auf das Handydisplay lässt sich mit der App ein Notruf an die Polizei schicken, ohne mit ihr sprechen zu müssen. So sollen Täter nicht mitbekommen, wenn sich ein Opfer an die Polizei wendet.

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Bislang wird vor allem das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ genutzt, das rund um die Uhr unter der Nummer 116 016 geschaltet ist. Im vergangenen Jahr feierte das Telefon sein zehnjähriges Bestehen: Laut der Bilanz ist die Nutzerzahl so hoch wie nie zuvor.

Der Jahresbericht 2023 zeigt, dass die Beratungskontakte (inklusive online) im Vergleich zum Vorjahr um zwölf Prozent auf rund 59.048 gestiegen sind. Das Angebot ist anonym, kostenfrei und in 18 Fremdsprachen verfügbar. Für Männer gibt es unter der Nummer 0800-1239900 ein eigenes Hilfetelefon.

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