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Deutschland Parteitag der Grünen

Da bedankt sich der Grünen-Chef sogar bei der Polizei

Entsetzen über Messerattacke – So verlief der kleine Parteitag der Grünen

Die Messerattacke auf den Islamkritiker Michael Stürzenberger und jüngste Angriffe auf Politiker überschatteten den kleinen Parteitags der Grünen in Potsdam. Für die derzeitigen wirtschaftlichen Probleme Deutschlands machte Habeck Friedrich Merz und die Union verantwortlich.

Quelle: WELT TV/Achim Unser

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Auf ihrem kleinen Parteitag in Potsdam signalisieren die Grünen Angriffslust im Europa-Wahlkampf. Die Partei steht unter Druck. Nicht nur politischem Druck: Auf einer Veranstaltung in Magdeburg am Samstagabend sichern Scharfschützen das Terrain.

Innere Sicherheit wurde bei den Grünen wohl selten so großgeschrieben wie in diesen Zeiten. Damit ist vor allem der eigene Beritt gemeint. Parteitage, Wahlkampfveranstaltungen, selbst Info-Stände in Fußgängerzonen, wurden noch nie so streng gesichert wie im Superwahljahr 2024.

So war das auch am Samstag in Potsdam, wo die Grünen in der Schinkelhalle ihren Länderrat abhielten. Zwei gestaffelte Einlasskontrollen, viele Herren und wenige Damen in dunklen Anzügen, die Rücksäcke durchsuchen und darauf achten, dass keine Unbefugten aufs Gelände gelangen. Abschirmung und Einlasskontrollen gehören bei der Partei inzwischen wie die Sonnenblume zum gewohnten Bild.

Der ungewohnte Sicherheitskordon ist den Übergriffen, Attacken, körperlichen Angriffen auf grüne Politiker und Politikerinnen geschuldet, die vor allem in den vergangenen Monaten zugenommen hatten, in Göttingen, Dresden und anderswo. Die Attacken kommen meist von ganz rechts, inzwischen mischen auch militante Hamas-Sympathisanten und Palästina-Kämpfer regelmäßig Veranstaltungen der Grünen auf.

Beim Parteitag in Potsdam ging es für die Grünen aber vor allem um den Gegner in Blau, das machte Bundesgeschäftsführerin Emily Büning gleich in ihrer Eröffnungsrede klar: Bei der Europawahl gehe es um die Frage, wer am Ende vorne liegt: „Die Grünen oder die AfD!“ In mehreren Umfragen liegen beide Parteien derzeit mit 14 Prozent gleichauf.

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Kontroversen waren auf diesem Länderrat kaum zu erwarten, auch programmatisch gab es nichts Wesentliches zu klären. Geplant war eine parteiinterne Vitaminspritze in zugigen Zeiten, acht Tage vor der Europawahl, nach dem Motto: Zähne zusammenbeißen – und dann Augen zu und durch.

„Wir kämpfen für ein starkes Europa am 9. Juni, wir werden unter keinen Umständen mit Rechtsextremen zusammenarbeiten im EU-Parlament“, rief die Spitzenkandidatin der Grünen bei der Europawahl, Terry Reintke, den Delegierten zu. Wie hoch der grüne Balken gehe, entscheide darüber, wo die Reise hingehe in Europa. „Die Grünen sind die Zukunftspartei dieses Kontinents“, nun müsse die Partei „alles mobilisieren, dann werden wir mit einem Wahnsinnsergebnis aus der Europawahl gehen“.

Kleiner Parteitag der Grünen in Brandenburg
Robert Habeck, Annalena Baerbock und Ricarda Lang beim kleinen Parteitag in Potsdam
Quelle: dpa/Monika Skolimowska

Das allerdings ist kaum noch zu erwarten. Vor fünf Jahren erzielten die Grünen bei der Europawahl 20,5 Prozent, mit fast sechs Punkten Vorsprung vor der SPD. Es war das beste deutschlandweite Ergebnis der Partei aller Zeiten. Dass man in einer Woche auch nur in die Nähe dieses Spitzenwerts kommt, glaubt in der Partei ernsthaft niemand mehr.

Dennoch war die Stimmung in der Schinkel-Halle alles andere als niedergeschlagen, die Reden der grünen Prominenz wurden immer wieder von Applaus unterbrochen, Robert Habeck und Annalena Baerbock bekamen stehenden Applaus. Die Partei machte sich Mut.

Büning präsentierte neue Mitgliederzahlen, in Deutschland gebe es inzwischen mehr als 134.000 eingetragene Bündnisgrüne, „so viele wie noch nie“ in der Geschichte der Republik. Von Oberwesel bis Gera, von Eimsbüttel bis Rosenheim seien „Tausende im Land unterwegs, um im Gespräch zu sein“. Es gehe um den Schutz der Demokratie, darum, Rechtsextreme in die Schranken zu weisen. „Wir lassen uns nicht einschüchtern!“, sagte Büning.

Nouripours Loblied auf Europa

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Parteichef Omid Nouripour begann seine Rede damit, den Opfern des mutmaßlich islamistischen Attentats in Mannheim alles Gute zu wünschen. „Wir werden nicht zulassen, dass der demokratische Diskurs durch Gewalt kaputtgemacht wird“, sagte er.

Nouripour sang ein Loblied auf Europa, bei Demonstrationen in Georgien und der Ukraine sei die EU-Fahne das Symbol der Freiheit. Die Pläne der AfD, aus der EU auszutreten, kritisierte er scharf: Das sei keine Alternative, sondern bedeute Armut für Deutschland. „Die wollen dieses Land kaputtmachen!“

Mit Blick auf die Hochwasserlagen im Süden Deutschlands sagte Nouripour, Klimaschutz sei kein grünes Thema, „sondern eine Menschheitsaufgabe“. Etwa zeitgleich melden die Agenturen den ersten Dammbruch bei Augsburg. „Wir liefern Lösungen“, sagte Nouripour, „Wir sind nicht fehlerfrei. Aber wir sind die Leute, die dieses Land zusammenhalten.“

Besucher einer Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen in der „Festung Mark“ vor der Bühne
Besucher einer Veranstaltung von Bündnis 90/Die Grünen in der "Festung Mark" vor der Bühne
Quelle: dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Doch gesellschaftlicher Zusammenhalt und grüne Politik passten zuletzt immer weniger zusammen. Denn die Grünen haben ein wachsendes Akzeptanzproblem. Der Dauerstreit in der Ampel-Regierung wird einer Allensbach-Untersuchung zufolge vor allem den Grünen angelastet.

2019 noch erklärten nur 25 Prozent der Bevölkerung, dass ihnen die Grünen kaum oder gar nicht gefallen. Dieser Wert hat sich mehr als verdoppelt, liegt heute bei 56 Prozent. Die Mehrheit der Deutschen steht den Grünen misstrauisch gegenüber. Für die Partei geht es jetzt darum, wenigstens die Kernwählerschaft zu mobilisieren. Nouripour machte aus der Not eine Tugend: Die Partei sei immer dann am stärksten gewesen, „wenn der Wind von vorne kam“.

Der grüne Vizekanzler Robert Habeck erzählte noch einmal, wie sein energiepolitisches Krisenmanagement nach dem russischen Überfall auf die gesamte Ukraine dazu geführt habe, dass die Deutschen nicht frieren mussten im anschließenden Winter. „Die Ursache der Krise war: Es kam kein Gas aus Russland mehr. Wir hätten uns niemals abhängig machen dürfen von Putins Gas“, sagte er.

Diese Abhängigkeit falle aber in die Verantwortung der von CDU und CSU geführten Vorgängerregierung. Die Nicht-Aufarbeitung der Geschichte in der Union sei empörend, die „Union verantwortlich für die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten“.

„Die Klimakrise ist konkret“

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Was das mit der heutigen Situation zu tun habe? „Alles!“, sagte Habeck. Die Union wolle den Ausbau erneuerbarer Energien kaputtmachen, eine „Geisterfahrerpartei!“ Die globale Erwärmung sei keine Fußnote der Geschichte. „Die Klimakrise ist konkret“, das habe man im Ahrtal gesehen, heute in Süddeutschland und im Saarland.

Außenministerin Annalena Baerbock hielt eine Rede zur Zivilcourage. Man müsse den Mund aufmachen, wenn, etwa in der Umkleidekabine im Fußballclub, rassistische Sprüche gemacht würden. „Gewalt ist kein Mittel in der Demokratie, wir dulden keine Angriffe auf Wahlkämpfer, egal, wofür sie stehen“, sagte sie im Hinblick auf das Attentat von Mannheim.

Dann sprach sie über Außenpolitik. Andere Länder, auch osteuropäische Staaten, seien bei der deutschen Wiedervereinigung in Vorleistung gegangen, als es darum ging, den Deutschen zu vertrauen. „So wie Osteuropa für uns da war, müssen wir jetzt für Osteuropa da sein“ sagte sie weiter. Was den Krieg in Gaza betrifft, plädierte sie für eine humanitäre Feuerpause. Es helfe keinem Kind in Gaza, wenn die israelischen Geiseln festgehalten würden, es helfe auch keiner Geisel, wenn Kinder in Gaza verhungern.

Am Nachmittag wurde der Parteitag dann jubelnd beendet, die Delegierten schwärmten in den Wahlkampf aus. Für den habe man noch „196 Stunden Zeit“, mahnte Büning zum Abschied.

Dieser Wahlkampf läuft freilich anders ab als noch vor fünf Jahren oder bei der Bundestagswahl 2021. Sicherheit ist keine abstrakte, sondern eine sehr konkrete Größe. Eine vom Bundesvorstand für das Superwahljahr veröffentlichte neun Seiten lange Handreichung („Veranstaltungen schützen – aber wie“?) erinnert weniger an klassische grüne Themen als an ein Erstsemesterseminar im Strafrecht.

Im Wesentlichen geht es in dem an Parteimitglieder gerichteten Schriftsatz, der WELT vorliegt, darum, Hinweise darauf zu geben, wie man sich in brenzligen Situationen verhalten soll. Die juristischen Ratschläge beziehen sich auf Ausübung von Hausrechten in geschlossenen Räumen und unter freiem Himmel, auf Abwehr von Bedrohungslagen, den Unterschied zwischen Notwehr und Notstand, auf Selbstverteidigungsrechte. Darauf, wie man auf Beleidigung, Verleumdung, Volksverhetzung, „die Verbreitung von Propagandatiteln verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (Paragraf 86 StGB)“ reagieren kann, wann Handydokumentationen erlaubt sind und ein „Selbstfestnahmerecht (Paragraf 127 StPO)“ angemessen erscheint.

Die Nachricht vom Angriff auf Roderich Kiesewetter

Die Probe auf solche Sicherheitsexempel machen grüne Politiker seit Wochen landauf und landab. Nach dem Länderrat etwa fuhren Nouripour, die Europa-Spitzenkandidaten Reintke und Sergej Lagodinsky sowie Vizekanzler Habeck in einer kleinen Autokolonne nach Magdeburg zum nächsten Wahlkampftermin. Auf der Autobahn zwischen Brandenburg und Ziesar lief die Nachricht vom Angriff auf den CDU-Politiker Roderich Kiesewetter über den Ticker. Nouripour durfte sich bestätigt fühlen, der Hass trifft nicht nur die Grünen. Noch auf der Fahrt twitterte er „volle Solidarität“ mit dem „lieben Roderich“.

Die Veranstaltung in Magdeburg fand nicht in geschlossenen Räumen, sondern unter freiem Himmel statt, inzwischen selten genug bei den Grünen, vor allem im Osten. Aus Sicherheitsgründen zieht man dort „Townhall-Formate“ vor. Die „Festung Mark“ hat zwar kein Dach, aber hohe Mauern, der Komplex war früher eine preußische Kaserne.

Auch hier wachten Polizisten und Personenschützer über die Prominenz aus Berlin, auf dem Dach der Festung wurden sogar Scharfschützen gesichtet: grüner Wahlkampfalltag, den man in der Partei vor wenigen Jahren noch für unvorstellbar gehalten hätte.

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Dann aber kamen Habeck, Nouripour und Co. nicht etwa Rechts- oder Links- oder sonstige Extremisten in die Quere, sondern das Wetter. Um Punkt 19 Uhr sollte die Veranstaltung beginnen, was losbrach, war ein Wolkenbruch. Die Gäste, rund 400 Bürgerinnen und Bürger, flüchteten unter schmale Zeltplanen. Die Polizisten auf der Mauer blieben wacker schirmlos auf ihren Posten, die Maschinenpistole griffbereit.

Die Reden, die dann gehalten wurden, ähnelten denen aus Potsdam, die Hauptbotschaft war wenig überraschend: Geht wählen, und zwar am besten uns. Doch bevor Nouripour für seine Partei in die Bütt ging, wich er doch noch vom erwartbaren Text ab und wandte er sich den Polizisten in ihren schwarzen, klatschnassen Uniformen zu.

„Vielen Dank, dass Sie ihren Posten bei diesem Wetter keine Sekunde verlassen haben!“, rief Nouripour. Auch dafür gab es großen Applaus aus dem Publikum. Grüne Wählerinnen und Wähler, die einen Einsatzzug der Bereitschaftspolizei beklatschen: Die Zeiten ändern sich gerade rasant.

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