WELTGo!
Ihr KI-Assistent für alle Fragen
Ihr KI-Assistent für alle Fragen und Lebenslagen
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Politik
  3. Deutschland
  4. EU: Die europäische Angst, russische Milliarden zu beschlagnahmen

Deutschland EU-Sanktionen

Die europäische Angst, russische Vermögen zu beschlagnahmen – und was dahintersteckt

Russlands Präsident Wladimir Putin Russlands Präsident Wladimir Putin
Russlands Präsident Wladimir Putin
Quelle: Mikhail METZEL/POOL /AFP; Kryssia Campos; Sergio Mendoza Hochmann/Moment RF/Getty Images; Montage: Infografik WELT
In der EU lagern blockierte russische Vermögenswerte in Höhe von mehr als 200 Milliarden Euro. Seit Kriegsbeginn streiten die Mitgliedstaaten, ob das Geld genutzt werden kann. Nun kommt Fahrt auf: Zinserträge sollen der Ukraine helfen. Grüne und FDP wollen noch weiter gehen.
Hier können Sie unsere WELT-Podcasts hören
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Im Zuge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine haben die EU und die G-7-Staaten gemeinsam bis dato mehr als 300 Milliarden Euro in russischen Vermögenswerten eingefroren. Nur ein Bruchteil davon sind Privatvermögen, das meiste sind Reserven der russischen Zentralbank.

Insgesamt belaufen sich Russlands Reserven auf circa 548 Milliarden Euro, etwa die Hälfte ist also blockiert. Der Löwenanteil von mehr als 200 Milliarden Euro liegt bei den Zentralverwahrern Euroclear in Belgien und Clearstream in Luxemburg. Und dort liegt das Geld bislang quasi unangetastet; es ist nicht beschlagnahmt, sondern eben nur blockiert. Seit nunmehr zwei Jahren überlegen die EU-Staaten, was sie mit den Vermögenswerten machen sollen und wie sie diese so nutzen können, dass die Ukraine davon profitiert.

Doch während US-Finanzministerin Janet Yellen dafür wirbt, die eingefrorenen Gelder zu konfiszieren und sie der Ukraine in Gänze zukommen zu lassen, hält die Europäische Kommission davon nicht viel. Die EU-Staaten bezweifeln, dass es eine rechtliche Grundlage für eine solche Beschlagnahmung gibt, und halten sie für einen Bruch internationalen Rechts. Die Staatsimmunität Russlands werde damit verletzt und die Optionen diese aufzuheben nicht tragfähig. Große Uneinigkeit also zwischen der Position der Vereinigten Staaten und der EU.

Freilich gibt es auch andere Gründe, warum etwa Deutschland, Italien und Frankreich sich nicht des russischen Vermögens bemächtigen wollen. Erstens könnte ein solcher Schritt den Ruf der Euro-Zone schädigen, internationale Investoren abschrecken und den Finanzmarkt destabilisieren. Zweitens hat Russland angekündigt, seinerseits westliche Vermögenswerte, die noch in Russland liegen, als Vergeltung zu beschlagnahmen. Diese belaufen sich nach Angaben der staatlichen russischen Nachrichtenagentur RIA auf umgerechnet 263 Milliarden Euro.

Was also hat die EU jetzt vor? Die Idee ist, die Gewinne der Zentralverwahrer, die sie mit dem russischen Geld machen, gesondert zu besteuern und dann die Erträge der Ukraine zukommen zu lassen. Diese Steuergewinne lägen allerdings nur im einstelligen Milliardenbereich; ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich zum finanziellen Bedarf der Ukraine. In Belgien werden die Gewinne des Verwahrers Euroclear zwar seit vergangenem Jahr gesondert mit 25 Prozent besteuert. Für die eingenommenen 1,7 Milliarden Euro existiert aber noch kein Mechanismus, das Geld direkt der Ukraine zukommen zu lassen. Aktuell nutzt Belgien die Erträge, um ukrainische Geflüchtete zu unterstützen.

Was sagen die Parteien im Bundestag?

In Deutschland sind laut Bundesfinanzministerium (BMF) derzeit russische Vermögenswerte in Höhe von 3,9 Milliarden Euro sanktioniert. Ein Bruchteil der insgesamt blockierten Vermögenswerte, doch die deutsche Position hat in der EU Gewicht für die weiteren Entscheidungen, wie mit den 200 Milliarden Euro umgegangen werden soll.

Am Rande des G-20-Treffens beharrte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) zuletzt darauf, dass nur Zinsgewinne angefasst werden dürften, nicht aber die Vermögenswerte selbst. Ergo heißt es aus seinem Ministerium dazu: „Entscheidend bleibt für uns, dass jede Lösung rechtlich tragfähig sein muss und damit zusammenhängende Risiken sorgfältig beleuchtet werden.“ Die Gewinne könnten „perspektivisch zugunsten des Wiederaufbaus der Ukraine genutzt werden“. Von direkten finanziellen Zuwendungen oder einer Verwendung des Geldes für Waffen ist nicht die Rede.

Lesen Sie auch

Trotzdem wünscht sich die FDP, dass es möglich wäre, darüber hinauszugehen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Michael Georg Link weist zwar darauf hin, dass eine Konfiszierung des Gesamtvermögens aktuell zu hohe rechtliche Risiken berge. Er will diese aber in Zukunft überwinden: „Dort, wo die rechtssichere Enteignung von Vermögenswerten eines Aggressors wie Putin heute noch nicht möglich ist, sollte das Völkerrecht so weiterentwickelt werden, dass zukünftig die Konfiskation von Vermögenswerten legal machbar wird.“

Lesen Sie auch

Auch die Grünen-Fraktion im Bundestag macht Druck, den Weg für eine Beschlagnahmung zu ebnen. „Russland muss für den illegalen Krieg zahlen. Das geht über die Zinserträge hinaus. Die G 7 zeigen, dass die Umwidmung der Gelder eine verhältnismäßige Gegenmaßnahme gegen die russischen Verbrechen ist“, sagt Robin Wagener, der im Auswärtigen Ausschuss sitzt. Deutschland solle die Initiative der USA unterstützen und die erforderlichen Rechtsgrundlagen schaffen.

Anzeige

Die SPD im Bundestag sieht dabei hingegen Probleme. Der außenpolitische Sprecher Nils Schmid mahnt: „Die Idee, die russischen Vermögenswerte der Ukraine zur Verfügung zu stellen, klingt zwar verlockend, hat aber einen Haken. Sie wäre nicht völkerrechtskonform, solange es keinen Beschluss des UN-Sicherheitsrats dazu gibt. Diesen wird es wegen des mit Sicherheit zu erwartenden russischen Vetos nicht geben.“ Wenn man von Russland erwarte, zum internationalen Recht zurückzukehren, dürfe die EU nicht selbst Gefahr laufen, mit einer Konfiszierung internationales Recht zu brechen.

Für die Unionsfraktion ist klar, dass die aktuellen Pläne zur Verwendung der Kapitalerträge nur „ein erster Schritt“ sein könnten, dem „weitere Schritte folgen müssen“. Matthias Hauer (CDU), der für die Union als Obmann im Finanzausschuss sitzt, betont gegenüber WELT: „Aus unserer Sicht muss das Ziel sein, eine rechtssichere Lösung dafür zu schaffen, dass eingefrorene russische Vermögenswerte – wie auch von den USA vorgeschlagen – der Ukraine direkt zugutekommen können.“

Anders sieht dies die AfD, die die Wirtschaftssanktionen gegen Russland ablehnt. Matthias Moosdorf, Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, ist der Auffassung, dass eine Beschlagnahmung kein rechtsstaatlicher Weg sei: „Nur im Falle von zweifelsfrei erwiesener Schuld als Kriegsverbrecher oder ähnlichem wären solche Maßnahmen möglich.“ Und er warnt: „Eine Beschlagnahmung von Eigentum aus vorrangig moralischen Erwägungen wird dem Finanz- und Investitionsplatz Europa zudem massiv schaden.“

Auch die Linke-Gruppe im Bundestag warnt davor, dass eine Enteignung keine Lösung sei, sondern das „Ur-Vertrauen in das internationale Finanzsystem“ zerstören könne. „Deutschland als Exportweltmeister kann sich das nicht leisten“, sagt ihr finanzpolitischer Sprecher Christian Görke. „Die Ukraine-Hilfen sollten unabhängig von dem Russland-Vermögen gemacht werden. Wer der Ukraine helfen will, sollte Prioritäten im Haushalt setzen, statt auf rechtliche Fingerhakelei zu setzen.“

Beschlagnahmung nur in einem Szenario

Die Ukraine fordert erwartungsgemäß, dass die russischen Vermögenswerte sofort konfisziert und der Ukraine für Wiederaufbau und Verteidigung zur Verfügung gestellt werden sollten. Die Grundlage dafür sei schon jetzt gegeben.

In einem Gastbeitrag für das Newsportal „Politico“ stellt der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba die rechtlichen Zweifel der EU als unbegründet dar: „Der rechtliche Mechanismus für die Beschlagnahmung russischer Vermögenswerte kann auf den spezifischen Fall der Aggression gegen die Ukraine zugeschnitten werden, sodass die Weiterentwicklung des bestehenden internationalen Rechts keinen rückwirkenden Effekt hätte.“

An dieser Stelle finden Sie Inhalte von Drittanbietern
Um eingebettete Inhalte anzuzeigen, ist deine widerrufliche Einwilligung in die Übermittlung und Verarbeitung von personenbezogenen Daten notwendig, da die Anbieter der eingebetteten Inhalte als Drittanbieter diese Einwilligung verlangen [In diesem Zusammenhang können auch Nutzungsprofile (u.a. auf Basis von Cookie-IDs) gebildet und angereichert werden, auch außerhalb des EWR]. Indem du den Schalter auf „an“ stellst, stimmst du diesen (jederzeit widerruflich) zu. Dies umfasst auch deine Einwilligung in die Übermittlung bestimmter personenbezogener Daten in Drittländer, u.a. die USA, nach Art. 49 (1) (a) DSGVO. Mehr Informationen dazu findest du hier. Du kannst deine Einwilligung jederzeit über den Schalter und über Privatsphäre am Seitenende widerrufen.

Mit dem Geld könne die Ukraine etwa ihre Verkehrsinfrastruktur reparieren, zerstörte Bildungseinrichtungen wieder errichten, neue Wasserkraftwerke bauen und einen großen Teil der Verteidigungsausgaben abdecken.

Solange sich aber an der ablehnenden Haltung der EU gegenüber einer Konfiszierung nichts ändert, bleibt das Geld blockiert, bis Russland nach Kriegsende Reparationen an die Ukraine gezahlt hat. Die EU will es nur dann beschlagnahmen, wenn Russland sich weigern sollte, den Wiederaufbau der Ukraine zu finanzieren.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema