Aus dem Hausarrest ins Europaparlament: Die italienische Lehrerin Ilaria Salis, die derzeit in Ungarn wegen eines Überfalls auf Rechtsextremisten vor Gericht steht, ist bei der Europawahl in ihrer Heimat zur Abgeordneten gewählt worden. Als Kandidatin des linksgrünen Bündnisses AVS bekam die 39-Jährige so viele sogenannte Vorzugsstimmen, dass ihr ein Mandat sicher ist. Das Bündnis verdoppelte sein Ergebnis im Vergleich zur Europawahl 2019 zudem auf 6,7 Prozent.
Saris sei eine der sechs künftigen EU-Abgeordneten der Allianz, sagte AVS-Chef Nicola Fratoianni. „Jetzt wollen wir, dass Ilaria hier in Italien ist – frei, mit Immunität und bereit, ihr Mandat zu erfüllen“.
AVS und Salis‘ Familie forderten bereits am gestrigen Montag ihre sofortige Freilassung. Die linke Aktivistin genieße als EU-Abgeordnete künftig Immunität, sagte ihr Anwalt Eugenio Losco der römischen Tageszeitung „Il Messaggero“. Sobald Salis‘ Status als Abgeordnete bestätigt sei, werde er einen Antrag auf Freilassung stellen. Dieser Schritt könne noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen EU-Parlaments am 16. Juli erfolgen.
Teil einer linksextremen Schlägertruppe?
Der Fall belastet seit einiger Zeit auch die Beziehungen zwischen den EU-Partnern Ungarn und Italien. Saris soll im Februar vergangenen Jahres zusammen mit anderen Gegendemonstranten auf Teilnehmer eines SS-Gedenkens mit Schlagstöcken, Hämmern und Bleihandschuhen losgegangen sein.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurden sechs Menschen schwer verletzt. Auch zwei deutsche Links-Aktivisten sollen beteiligt gewesen sein, WELT hatte berichtet. Der Mann und die Frau aus Deutschland gehören der Anklage zufolge der Gruppe der deutschen Linksextremistin Lina E. an. Diese war im Mai 2023 von einem Gericht in Dresden wegen mehrerer Angriffe auf Rechtsextreme zu fünf Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt worden.
Salis wurde bei Prozessbeginn im Januar in Hand- und Fußschellen ins Gericht geführt, was in ihrer Heimat für Empörung sorgte. Ihr drohen bis zu elf Jahre Haft. Nach Zahlung einer Kaution sitzt sie nicht mehr im Gefängnis, sondern ist in Hausarrest. Rund um den 11. Februar versammelt sich in Budapest jedes Jahr eine große Zahl ungarischer und ausländischer Rechtsextremisten, um einer Militäraktion der deutschen Waffen-SS am Ende des Zweiten Weltkriegs zu gedenken.