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Ausland EU-Parlament

Was eine Europawahl so besonders macht

Korrespondent in Brüssel
Europa hat die Wahl – Heute wählt Deutschland

Die Wahlen zum EU-Parlament sind in vollem Gange. Rund 360 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Parallel werden heute in acht Bundesländern die Kommunalparlamente gewählt. Mit welchen Überraschungen ist zu rechnen?

Quelle: WELT TV

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360 Millionen EU-Bürger wählen in den nächsten Tage ein neues EU-Parlament. Von den Spitzenkandidaten bis zum Einfluss der Abgeordneten ist vieles anders als bei Wahlen in Deutschland. Ein Blick auf die Eigenheiten der Europawahl.

Die Wahl zum EU-Parlament hat schon begonnen: Die Niederlande stimmten bereits am Donnerstag ab, am Freitag geben die Wähler in Irland ihre Stimme ab, am Samstag folgen Malteser, Letten und Slowaken. Die Bürger Tschechiens und Italiens wählen an zwei Tagen, alle anderen Länder, wie Deutschland, nur am Sonntag. Die Unterschiede resultieren aus den jeweiligen nationalen Traditionen bei Wahlterminen.

Insgesamt sind 360 Millionen EU-Bürger aus 27 Ländern wahlberechtigt. Sie wählen 720 Abgeordnete (bisher 705), deren Namen auf nationalen Listen aufgeführt sind. Die Wahlergebnisse werden erst dann veröffentlicht, wenn im letzten Mitgliedsland die Wahllokale schließen: um 23 Uhr in Italien. Bis dahin werden nur Prognosen bekannt gegeben.

In Deutschland stehen insgesamt 1413 Kandidaten zur Wahl. Erstmals dürfen auch 16- und 17-Jährige in Deutschland wählen – das sind 1,4 Millionen junge Bürger. Als größtes Land der EU stellt Deutschland die meisten Abgeordneten in Brüssel und Straßburg: 96. Jeder Abgeordnete verdient 10.075 Euro brutto im Monat (7853 Euro netto). Ab 63 Jahren können die Volksvertreter ein Ruhegehalt beziehen, es kann bis zu 70 Prozent ihres Gehalts betragen.

In Deutschland gilt bei der Europawahl aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts – anders als bei Bundestags- und Landtagswahlen – keine Sperrklausel für den Einzug einer Partei ins Parlament. Darum können auch Mini-Parteien, wie etwa die Ökologisch-Demokratische Partei, einziehen. In zahlreichen EU-Ländern gibt es dagegen Mindesthürden von 1,8 bis fünf Prozent.

Ungleiche Sitzzahl

Jedes Land entsendet eine bestimmte Zahl von Politikern in das EU-Parlament: Die Mindestzahl liegt bei sechs (Malta, Luxemburg, Zypern), die Höchstzahl bei 96 (Deutschland). Bei der Anzahl der Sitze gilt das Prinzip der sogenannten degressiven Proportionalität. Im Klartext: Kleinere Länder erhalten mehr Sitze pro Einwohner als größere Staaten. Überspitzt ausgedrückt: Die Stimme eines Luxemburgers ist bei der Europawahl in gewisser Weise mehr wert als die Stimme eines Deutschen.

Spitzenkandidaten

Obwohl über nationale Listen gewählt wird, hat fast jede europäische Partei einen EU-weiten Spitzenkandidaten aufgestellt. Dies soll den Wahlkampf länderübergreifend erscheinen lassen und zugleich Wähler mobilisieren. Das Prinzip des Spitzenkandidaten ist nirgendwo in den EU-Verträgen verankert, es wurde vielmehr vor Jahrzehnten von zwei Deutschen erfunden: dem ehemaligen EU-Abgeordneten Elmar Brok (CDU) und dem früheren Brüsseler Spitzenbeamten Klaus Welle.

Die Logik des Spitzenkandidaten besagt: Die Partei, die die Wahl gewinnt, soll ihren Spitzenkandidaten zum Chef der EU-Kommission machen. Das dürfte dieses Mal Ursula von der Leyen sein, obwohl sie nirgendwo auf dem Wahlzettel steht.

Von der Leyen ist Spitzenkandidatin der EVP, während etwa der Luxemburger Nicolas Schmit Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten ist. Für eine erneute Wahl als Präsidentin der Europäischen Kommission benötigt von der Leyen die Mehrheit der EU-Regierungen und die Mehrheit im Europäischen Parlament.

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Das klappt nicht immer: 2019 wurde der damalige EVP-Spitzenkandidat Manfred Weber (CSU) von der früheren Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron im Kreis der Staats- und Regierungschefs schon vor einer Abstimmung im Parlament frühzeitig aus dem Rennen geworfen, obwohl Weber und seine Partei die Wahl zuvor klar gewonnen hatten.

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Mit der Wahl von der Leyens soll das Spitzenkandidaten-Prinzip dieses Mal – wie im Jahr 2014 bei der Wahl des siegreichen EVP-Politikers Jean-Claude Juncker – wieder zur Geltung kommen. 2019 hatte von der Leyen dagegen noch von der Aushebelung des Spitzenkandidaten-Prinzips profitiert: Sie hatte damals eigentlich nichts zu tun mit der Europawahl und kam nach der Wahl nur durch einen Überraschungscoup von Merkel ins Amt.

Mächtiges Parlament

Das Europäische Parlament ist das einzige EU-Organ, das direkt von den Bürgern gewählt wird. In den vergangenen 40 Jahren haben die Abgeordneten deutlich an Kompetenzen und Macht gewonnen. Dominierten früher die EU-Regierungen und die Kommissionsbehörde in enger Abstimmung die Gesetzgebung, so ist das Parlament heute ein weitgehend gleichberechtigter Mitspieler.

Kritiker sagen allerdings, das Parlament hätte immer noch zu wenig Einfluss, weil es selbst keine Gesetzesvorschläge machen, sondern die Kommission lediglich auffordern kann, einen Legislativvorschlag zu machen. Nur die EU-Kommission kann einen Gesetzesvorschlag vorlegen, obwohl die Präsidentin und die 26 Kommissare nicht direkt gewählt werden. Die Kommissare werden von ihren jeweiligen Regierungen benannt und müssen einzeln vom Parlament bestätigt werden.

Zuvor werden sie aber in individuellen Anhörungen von den Abgeordneten aus den jeweiligen Fachausschüssen des Parlaments „gegrillt“. Regelmäßig lassen die Parlamentarier dabei ein bis zwei Kandidaten durchfallen. Weitere Befugnisse des Parlaments sind: Es beschließt zusammen mit dem Europäischen Rat, in dem alle 27 Regierungen der Mitgliedsländer vertreten sind, die jährlichen und langfristigen Haushaltspläne und hat seit 2005 dabei auch ein Veto-Recht. Es überwacht die EU-Kommission und kann gegebenenfalls ihren Rücktritt veranlassen.

Das Parlament hat als sogenannter Mitgesetzgeber auch verschiedene Gesetzgebungsbefugnisse: Im Rahmen eines „ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens“ entscheiden die Abgeordneten zusammen mit dem Europäischen Rat über die Gesetzesvorschläge der Kommission und verändern diese dabei teilweise sehr stark.

Die „Zustimmung“ des Parlaments ist bei internationalen Handels- und Klimaabkommen und beim Beitritt neuer EU-Mitgliedsländer erforderlich. Ausgenommen von den Mitentscheidungsrechten sind lediglich Steuern, das Wettbewerbsrecht und die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Hier werden die Abgeordneten nur konsultiert.

Neue Allianzen

Manch ein Wähler fragt sich möglicherweise: Unterstütze ich indirekt im EU-Parlament eine rechtspopulistische Partei, wenn ich in Deutschland CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne wähle? Das kann durchaus passieren. Denn die jeweiligen deutschen Abgeordneten sind im Parlament in Fraktionen vertreten. Die großen Fraktionen (EVP, Sozialdemokraten, Liberale) bilden in der Regel eine informelle große Koalition.

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In Einzelfällen kann diese Koalition aber auch mal die Unterstützung von einigen rechtspopulistischen Parteien, wie den Fratelli d’Italia aus Italien oder der ODS aus Tschechien, suchen, um einen Gesetzesvorschlag nach ihren Vorstellungen mit der entsprechenden Mehrheit zu verändern. Die EVP hat das ja auch schon angekündigt. Solche Allianzen bei einzelnen Abstimmungen hat es aber immer schon gegeben. Sie sind manchmal nötig, weil sich die Fraktionen nicht immer auf ihre eigenen Abgeordneten verlassen können.

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Einen Fraktionszwang wie im Bundestag gibt es faktisch im EU-Parlament nicht. Die Abgeordneten weichen bei der Stimmabgabe regelmäßig von ihren Fraktionen ab und werden dafür auch nicht sanktioniert. Diese Freiheit macht Abstimmungen aber auch unkalkulierbar.

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