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Ausland Finnland

Das Land, das jederzeit auf Kriegswirtschaft umstellen kann

Redakteur im Ressort Außenpolitik
Finnischer Soldat bei einer Schießübung Finnischer Soldat bei einer Schießübung
Finnischer Soldat bei einer Schießübung
Quelle: picture alliance / dpa
In Deutschland dürfte es noch Jahre dauern, bis die Rüstungsindustrie ausreichend Munition produziert. Auch die Europäische Union verfehlt ihre Ziele. Das neue Nato-Mitglied Finnland dagegen ist viel flexibler – besonders bei einem entscheidenden Waffensystem.
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Finnland sehe sich im Nato-Bündnis mehr als Sicherheitsgeber, denn als Sicherheitsnehmer, sagte der neue Staatspräsident Alexander Stubb kurz nach seiner Ernennung vor wenigen Tagen. Um diesem Statement Genüge zu tun, leisten die Nordeuropäer tatsächlich mehr als die meisten anderen Nato-Mitglieder.

Indem es 2,4 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Verteidigung ausgibt, gehört das Land zu den Top-Nettozahlern der Allianz. Und damit nicht genug: Finnland, das die schlagkräftigste Artillerie in Westeuropa kommandiert, ist dabei, zum größten Produzenten entsprechender Munition aufzusteigen. Genaue Zahlen hält Helsinki geheim – man will sich vor dem gefährlichen Nachbarn Russland keine Blöße geben.

Doch Aussagen von Regierung und Streitkräften lassen keinen Zweifel daran, dass die Produktionskapazitäten bereits mit dem Beginn des Krieges in der Ukraine vervielfacht wurden. „Im Moment stellen wir vielleicht fünfmal mehr schwere Artilleriemunition her als noch vor zwei oder drei Jahren, aber das bedeutet nicht, dass wir auch nur annähernd das Maximum erreicht haben. Und das gilt nur für einen einzigen Munitionsartikel“, sagte Generalleutnant Miko Heiskanen, der die Kriegswirtschaftsabteilung der finnischen Streitkräfte leitet, der Tageszeitung „Helsing Sanomat“.

Ende vergangenen Jahres kündigte die Regierung an, die Produktion bis zum Jahr 2027 noch einmal verdoppeln zu wollen – und selbst dann sei das „Maximum“, ergänzt Heiskanen im Gespräch mit WELT, erst zur Hälfte erreicht. Möglich ist das wegen eines sorgfältig ausgearbeiteten Netzes aus Institutionen und Strukturen zur Vorbereitung auf Krisenzeiten, einem „Konzept der umfassenden Sicherheit“, wie es in einem WELT-Beitrag der finnische Botschafter Kai Sauer beschreibt.

Dank diesem gelingt es den Nordeuropäern aktuell wohl besser als jedem anderen Nato-Land, sich auf einen möglichen Konflikt mit Russland vorzubereiten. Dabei überlässt Finnland nichts dem Zufall – und will nun testen, wie effektiv das Land in den Modus der Kriegswirtschaft umschalten kann.

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„Wir haben eine Tradition der Versorgungssicherheit und deshalb schon vor Jahrzehnten damit begonnen, auch private Unternehmen in unsere Verteidigung einzubeziehen“, sagt Heiskanen. So wurden etwa Maschinen zur Herstellung von Waffen, Munition und militärischer Ausrüstung finanziert oder bezuschusst und wichtige Materialien eingelagert. Wenn, wie aktuell, Bedarf besteht, können diese „Produktionsreserven“ sofort aktiviert werden.

Im Fall der Munitionsproduktion trägt dieses System bereits maßgeblich dazu bei, dass Finnland seine Vorräte seit dem russischen Überfall auf die Ukraine stark ausbauen konnte. Heiskanen betont, dass man allerdings noch weit vom Modus der Kriegswirtschaft entfernt ist, die bei Weitem nicht nur die Waffenproduktion einbezieht, sondern etwa auch die Versorgung mit Lebensmitteln, Medikamenten und vielem mehr.

„Ein Vorreiter in der Nato“

Um zu testen, wie gut die nationale Verteidigung mit den rund 1000 teilnehmenden Unternehmen harmoniert, sollen in den nächsten Monaten alle Vereinbarungen überprüft werden. Ein Konzept, dass Finnland einen entscheidenden Vorteil verschafft. In puncto Kriegswirtschaft sei Finnland „deshalb gewissermaßen ein Vorreiter in der Nato“, so Heiskanen.

Das wird deutlich beim Blick auf Länder wie Deutschland, wo etwa die Herstellung der so wichtigen Artilleriemunition erst zwei Jahre nach Beginn des Krieges in der Ukraine allmählich hochfährt. Erst vor Kurzem besuchte Kanzler Olaf Scholz den größten Waffenproduzenten Rheinmetall.

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Im niedersächsischen Unterlüß betonte der Kanzler, wie wichtig eine „flexible, moderne und tüchtige Verteidigungsindustrie“ sei. Ab 2025 soll dort eine neue Munitionsfabrik jährlich 200.000 Schuss Artilleriemunition herstellen.

Ob die Ukraine, die abhängig ist von Waffen- und Munitionslieferungen aus dem Westen, bis dahin noch gegen Russland wird bestehen können, ist mehr als fraglich. Das Land wäre ohne den Einsatz von massenhaft schwerer Munition im Abwehrkampf gegen Russland verloren. Tausende Granaten verschießen Kiews Truppen jeden Tag.

Zuletzt gab es aber kaum noch Nachschub durch westliche Partner und die EU-Verteidigungsminister mussten Ende Januar kleinlaut zugeben, dass das geplante Ziel von einer Million Schuss Artilleriemunition bis März gerade einmal zur Hälfte erfüllt wird.

Deutschland hat mit dem 100-Milliarden Euro schweren Sondervermögen zwar einen wichtigen Schritt hin zur eigenen Verteidigungsfähigkeit gemacht. Doch bis entsprechende Waffensysteme geliefert, Munition hergestellt und die Infrastruktur der Bundeswehr ausgebaut ist, werden zum Teil Jahre vergehen. Von Überlegungen, nach dem Vorbild der Finnen auch in die private Rüstungsindustrie zu investieren und eine umfassende Verteidigungsstrategie auszubauen, davon ist nichts bekannt.

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Quelle: WELT TV

Auf eine Anfrage der CDU-Bundestagsabgeordneten Katja Leikert zu konkreten Plänen zur Produktionssteigerung bei Artilleriemunition antwortete die Bundesregierung jüngst vage, dass man plane, „durch langfristig angelegte, kontinuierliche Abrufe über entsprechende Rahmenverträge in den nächsten Jahren die wirtschaftliche Grundlage für die deutsche Rüstungsindustrie zum Auf- bzw. Ausbau von Fertigungskapazitäten in Deutschland zu schaffen.“

Minna Alander, Politikwissenschaftlerin am Finnish Institute for International Affairs, weist darauf hin, dass Europa trotz der offenkundigen Rückstände auf einem guten Weg sei, die eigene Verteidigungsfähigkeit auf so auszubauen, dass die Abschreckung gegenüber Russland funktioniere. „Mittlerweile ist klar, dass das Russlandproblem auch über das Ende des Krieges in der Ukraine hinaus bestehen bleibt. Man bereitet sich auf den schlimmsten Fall vor“, sagt Alander.

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Das zeige sich besonders deutlich am Beispiel von Deutschland, wo mit dem lange gehegten „Tabu“ gebrochen worden sei, über Worts Case Szenarien zu sprechen. Dies weiche nach und nach dem Bewusstsein, dass die Vorbereitung auf einen Krieg nicht diesen herbeiführen solle, sondern ihn im Gegenteil zu verhindern, so Alander. „In Finnland war das schon immer die Annahme. Deshalb sind wir jetzt der Lage, bestmöglich auf die Situation zu reagieren und ein starkes Signal Richtung Moskau zu schicken.“

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