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Kranker Mann Skandinaviens? Warum die Schweden sich plötzlich nach dem Euro sehnen

Das Rekordtief der Krone macht die Schweden nervös Das Rekordtief der Krone macht die Schweden nervös
Das Rekordtief der Krone macht die Schweden nervös
Quelle: Getty Images/Moment RF/Javier Ghersi
Während der Euro-Krise lehnte eine große Mehrheit der Schweden eine Abschaffung der Krone zugunsten der Gemeinschaftswährung ab. Doch inzwischen hat sich das Bild komplett gewandelt. Das hat auch mit einer deutschen Erfolgsgeschichte zu tun.
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Es ist eine Geschichte, die man sich heute in Schweden häufiger erzählt. Sie beginnt in Deutschland in den frühen Nullerjahren: Hohe Arbeitslosigkeit, geringes Wachstum und wenig Vertrauen in die Zukunft belasten das Land. Unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) werden mehrere Sparprogramme und Einschnitte in den Sozialstaat vorgenommen.

Im Ausland nennt man die Bundesrepublik wenig schmeichelhaft den „Kranken Mann Europas“. Die Euro-Einführung 2002 macht vielen Deutschen das Leben noch schwerer. Brot, Fleisch und Gemüse werden über Nacht teurer. Die Vision der Politiker von einem vereinten Europa hat einen hohen Preis – und zahlen müssen ihn die Bürger.

Doch im Laufe der Zeit erholt sich die deutsche Wirtschaft. Schröders Reformen zahlen sich aus, und seine Nachfolgerin Angela Merkel (CDU) erntet die Früchte. Auf dem Höhepunkt der Euro-Krise Anfang der 2010er-Jahre erweist sich die deutsche Wirtschaft als sicherer Hafen für Europas Investoren.

Jetzt stellt sich die gemeinsame Währung als Vorteil für die Deutschen heraus. Die Exportindustrie floriert. Deutschland ist der Gewinner des Kontinents, gelobt von Wirtschaftswissenschaftlern und Businessmagazinen gleichermaßen.

Zu Beginn des Jahrtausends hatten sich die Schweden in einem Referendum noch klar gegen die gemeinsame Währung ausgesprochen, doch heute, im Jahr 2023, hat das deutsche Beispiel eine neue Euro-Debatte entfacht. Der Grund: Die schwedische Krone ist auf ein Rekordtief gefallen. In den letzten zehn Jahren hat die Landeswährung 30 Prozent ihres Wertes gegenüber dem Euro und sogar 70 Prozent gegenüber dem Dollar verloren.

Probleme auf dem Immobilienmarkt

Dafür könnten mehrere Faktoren verantwortlich sein, sagen Experten. Ein unruhiges globales Umfeld angesichts des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine führt dazu, dass sich die Anleger von kleineren Währungen wie der Krone ab- und dem Dollar und dem Euro zuwenden.

Ein weiterer Grund dürfte die Sorge internationaler Beobachter um den schwedischen Immobilienmarkt sein. Die Schweden gehören zu den am höchsten verschuldeten Völkern der EU, und nach Jahren sehr niedriger Zinssätze müssen sich viele Haushalte nun an eine härtere wirtschaftliche Realität gewöhnen. Das gilt auch für die Unternehmen. Zahlreiche Immobilienfirmen stehen wegen der gestiegenen Zinssätze vor Problemen.

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Vor diesem Hintergrund hat sich die Einstellung der Schweden zum Euro verändert: Nach Angaben des Wirtschaftsmagazins „Dagens Industri“ befürwortet inzwischen eine Mehrheit der Wirtschaftsvertreter, nämlich 57 Prozent, die Einführung des Euro in Schweden.

In der Bevölkerung ist die Skepsis noch etwas größer – aber inzwischen stellen auch hier die Euro-Befürworter die Mehrheit. Laut dem aktuellen Euro-Barometer der Europäischen Kommission stehen in diesem Jahr 54 Prozent der Schweden einer Euro-Einführung positiv gegenüber – neun Prozentpunkte mehr als noch im Jahr zuvor. Der Anteil derjenigen, die den Euro ablehnen, ist um neun Prozentpunkte auf 43 Prozent gesunken.

Quelle: Infografik WELT
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Während der Euro-Krise waren noch 80 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gegen die Einheitswährung. Das hat sich nun geändert. Und während die Schweden über den Sommer ihre Lieblingsreiseziele in Spanien, Italien und Griechenland ansteuern, deutet die Schwäche der schwedischen Krone darauf hin, dass die Unterstützung für den Euro noch zunehmen wird.

Der rekordverdächtig niedrige Wert der Krone begünstigt sicherlich die Exportindustrie. Die schwedische Wirtschaft ist klein und sehr abhängig von der Außenwelt. Wirtschaftsexperten weisen jedoch darauf hin, dass die Exportindustrie des Landes bereits stark ist.

Schwierige Debatte für die Regierung Kristersson

Eine zu schwache Krone birgt daher die Gefahr, dass notwendige strukturelle Veränderungen aufgeschoben werden, die letztlich die Wettbewerbsfähigkeit Schwedens beeinträchtigen. Dies war die kostspielige Erfahrung der 1970er- und 1980er-Jahre, als die Regierung mehrere drastische Abwertungen der Krone vornahm.

Außerdem lässt sich nicht von der Hand weisen, dass der Wert der Währung auch ein Gradmesser für den weltweiten Ruf des Landes ist. Berichte über Bandenkriminalität, mangelnde Integration und sinkende Bildungsleistungen dürften kaum zur Stärkung der Krone beigetragen haben.

Das Unglück der Schweden ist indes das Glück der Deutschen. Der starke Euro macht Schweden in diesem Jahr zu einem besonders interessanten Urlaubsziel. Die Tourismusbranche bereitet sich auf einen Rekordsommer vor. Der ADAC habe Schweden kürzlich als eines der günstigsten Länder zum Campen bezeichnet, berichtet der öffentlich-rechtliche Sender SVT.

Für den liberalkonservativen Ministerpräsidenten Ulf Kristersson könnte eine Debatte über den Euro indes kompliziert werden. Sein Kooperationspartei Liberalerna ist derzeit die einzige Partei, die sich ausdrücklich für die Einführung des Euro ausspricht, falls es nach der nächsten Wahl eine Mehrheit im Parlament dafür geben sollte. Gleichzeitig ist der Euro bei den Schwedendemokraten, auf deren Unterstützung die Regierung Kristersson angewiesen ist, sehr unpopulär.

Da es keine Anzeichen dafür gibt, dass die Krone in naher Zukunft wieder stärker wird, hat die Euro-Debatte im Land an Fahrt aufgenommen. Denn wenn sich nicht bald etwas ändert, riskiert Schweden, den Titel „Kranker Mann Skandinaviens“ verliehen zu bekommen.

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