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Politik Geschichte

Wie die Luftbrücke die Prostitution blühen ließ

Leitender Redakteur Geschichte
Die Blockade Berlins sorgte nicht nur in der eingeschlossenen Stadt, sondern auch anderswo für einen Ausnahmezustand: Rund um die großen Luftwaffenstützpunkte blühte die Prostitution. Ganz normale Bürger gestalteten ihr Heim um und boten schnellen Sex an. So manchem Nachbarn passte das allerdings gar nicht.

"Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, schon seit längerem musste ich das schamlose Treiben gewisser weiblicher Personen beobachten. Und ich konnte meine tiefe Beschämung darüber nicht beruhigen, wie weit die Moral bei uns Deutschen abgesunken ist." Voll Empörung schrieb ein Bürger aus Celle 1948 diese Zeilen an die Stadtverwaltung - natürlich anonym. Er erregte sich darüber, dass viele Einwohner der niedersächsischen Stadt auf eine ganz spezielle Weise von der Luftbrücke profitierten.

Denn in und um Celle lagen gleich mehrere große Luftwaffenstützpunkte, auf denen viele Tausend Soldaten aus den USA und Großbritannien hart arbeiteten, um West-Berlin aus der Luft mit Kohlen und Lebensmitteln zu versorgen. Und weil hier so viele junge Männer unter sich leben, entstand das Bedürfnis nach käuflicher Liebe - wie wohl schon zu allen Zeiten. Bis zu 2000 leichte Mädchen befriedigten 1948/49 die Bedürfnisse der britischen und vor allem der - gemessen am deutschen Lebensstandard jener Zeit hervorragend versorgten - amerikanischen Piloten, Ingenieure und Lademeister.

Ganz normale Bürger in Celle, Fassberg und anderen Gemeinden stellten Zimmer und vor allem Betten in ihren vom Krieg verschonten Eigenheimen zur Verfügung. Manchmal sollen sogar ganze Familien in Kellerräume gezogen sein, um mehr Platz für schnellen Sex anbieten zu können - und dafür zu kassieren. In zahlreichen ansonsten ruhigen Wohnstraßen muss es damals zugegangen sein wie sonst nur in Stundenhotels im Rotlichtviertel. Davon zeugen zahlreiche Denunziationsbriefe im Stadtarchiv Celle, auf die die Stadtverwaltung schließlich mit Strafverfahren wegen "Kuppelei" reagierte. Teilweise wurden sogar Haftstrafen ausgesprochen.

Das 1944 erlassene Fraternisierungsverbot, wonach sich US-Soldaten nicht mit Deutschen "verbrüdern" durften, galt während der Luftbrücke zwar schon lange nicht mehr. Im Gegenteil, 1948 war eine feste deutsche Freundin für viele GIs bereits selbstverständlich. In US-Zeitungen wurde zwar über die "Frauleins" meistens schamhaft geschwiegen, aber dennoch wussten auch die Familien jenseits des Atlantiks, was vor sich ging. Doch während der Luftbrücke wurden zahlreiche US-Soldaten in Sammelquartiere weitab von den normalen Stationierungsorten verlegt - und konnten ihre Freundinnen natürlich aus dem amerikanisch besetzten Teil Deutschlands nicht einfach mitnehmen. Also konnte rund um die großen Stützpunkte das älteste Gewerbe der Welt aufblühen wie wohl selten zuvor.

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Durchaus begründet war die Sorge vor Geschlechtskrankheiten. Mit Informationsbroschüren und Plakaten warnten die Militärverwaltung vor "veneral diseases" (abgekürzt "VD"). Doch das störte viele Soldaten nicht weiter - im Gegenteil: Sie deuteten die US-typische Abkürzung einfach um zu "Veronica, Danke schön". So jedenfalls lautet eine Erklärung für das Rätsel, warum die deutschen Prostituierten jener Zeit von ihren Kunden schlicht "Veronicas" genannt wurden.

Auch vor dem Flughafen Tempelhof standen während der Blockade junge Frauen und warteten auf amerikanische Freier. Doch dort lief das Geschäft bei Weitem nicht so gut. Denn die im Durchschnitt 27 Jahre jungen Piloten hatten meist gar keine Gelegenheit, das Flugfeld zu verlassen: Sie sollten ja so schnell wie möglich wieder starten, um die nächste Ladung abzuholen und nach Berlin zu bringen. Es soll sogar Prostituierte gegeben haben, die West-Berlin verließen und sich quer durch die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands nach Niedersachsen durchschlugen, um dort ihrem Geschäft nachzugehen. Doch Genaueres darüber weiß man nicht. Viel mehr als Hörensagen und mitunter wenig vertrauenswürdige Erinnerungen von Zeitzeugen gibt es nicht.

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