Die Welt ist ungerecht. Besonders für Messeveranstalter. Während den Machern des Pariser Automobilsalons, der am 4. Oktober beginnt, ein Aussteller nach dem anderen abspringt und mittlerweile ein Dutzend Marken ihre Teilnahme abgesagt haben, können sich die Organisatoren der Monterey Car Week vor Anfragen kaum retten. Eine Woche lang wird der berühmte 17-Mile-Drive, zwei Stunden südlich von San Francisco, zum Laufsteg für PS-Pretiosen.
Auf dem Rasen von Golfplätzen, in luxuriösen Villen oder auf den Dorfmeilen von Monterey, Pacific Grove oder Carmel feiert man rund um den Concours d’Elegance von Pebble Beach eine Autoparty, wie es sie kein zweites Mal gibt: Oldtimer aller Preis- und Altersklassen, Supersportwagen, Luxuslimousinen und sogar rostige Kleinwagen – alles was schnell, schön, skurril oder selten ist, präsentierte sich hier. Der kleinste gemeinsame Nenner ist die Begeisterung für das Auto.
Das Hochamt der Automobilkultur wird jedoch nicht nur von Sammlern, Klubs und Fans gefeiert. Auch die Hersteller drängen jedes Jahr auf die Monterey Car Week. Sie nutzen die angenehme Atmosphäre und das gute Licht für zahlreiche Premieren: Vor allem Studien und Supersportwagen glänzen mit den Oldtimern unter der kalifornischen Sonne um die Wette.
„Das Konzept der klassischen Automesse ist überholt“, hat VW-Chef Herbert Diess schon am Rande der letzten IAA in Frankfurt gesagt. Kurz darauf hat er den VW-Auftritt beim Pariser Salon im Oktober storniert.
Dass die Hersteller lieber nach Pebble Beach wollen als nach Paris, liegt nicht allein an der schönen Kulisse, der lockeren Atmosphäre und der großen Begeisterungsfähigkeit frei von Kritik und lästigen CO2-Diskussionen. Es liegt vor allem daran, dass das Geld dort besonders locker sitzt.
Die USA sind für Premium- und Luxusmarken noch immer einer der wichtigsten Märkte, nirgendwo ist die Dichte an Millionären größer als an der amerikanischen Westküste. Jeder dritte McLaren wird nach Amerika verkauft, bei AMG nennen sie Los Angeles gern Los Affalterbach, und für Porsche ist Kalifornien seit Jahrzehnten eine Art zweite Heimat.
Beim Klassik-Gipfel in Pebble Beach hat Mercedes nicht nur den größten Pavillon, die Schwaben haben auch die prächtigste Villa in den Hügeln hinter Monterey gemietet und zeigen dort das spektakulärste Showcar. Inspiriert vom Weltrekordwagen W125, der 1938 mit 432,7 km/h über die Autobahn zwischen Frankfurt und Darmstadt raste, haben sie einen futuristischen Elektro-Renner auf die Räder gestellt.
„Wo sonst kann man Träume und Fantasien ausleben und auch mal über die Stränge schlagen, wenn nicht in Pebble Beach“, sagt Designchef Gorden Wagener über den EQ Silver Arrow. Hier gäbe es auch genügend reiche Raser, die ohne mit der Wimper zu zucken einen Blanco-Scheck ausstellen würden, um diesem neuen Silberpfeil zu bekommen. Wagener muss sie alle enttäuschen: „Eine Serienfertigung wird es nicht geben.“
Emotionen und Visionen statt Ausblicke auf Serienmodelle gibt es auch bei Audi. Der PB18 e-tron soll zeigen, wie ein elektrischer Le-Mans-Prototyp mit Straßenzulassung und einem gewissen Maß an Alltagstauglichkeit aussehen könnte. Und bei Infiniti, der noblen Nissan-Schwester, wird ein elektrischer Roadster im Retrolook präsentiert, mit dem die jüngste aller Nobelmarken offenbar ein bisschen Geschichtsbewusstsein demonstrieren möchte.
Die italienische Designschmiede Automobili Pininfarina sieht sich da gleich doppelt im Vorteil. Erstens, weil sie 88 Jahre Geschichte vorzuweisen hat, und zweitens, weil sie es nicht bei Visionen belassen wollte. Den Sportwagen PF0, der nur ausgewählten Petrolheads hinter verschlossener Tür in einer Villa oberhalb des 18. Greens gezeigt wurde, soll es Ende 2019 tatsächlich zu kaufen geben.
Ihre Handys musste die geschlossene Gesellschaft am Eingang abgeben, allen anderen bleibt bislang nur das Datenblatt: Elektromotoren mit zusammen rund 1900 PS und 2300 Nm werden den Wagen auf Geschwindigkeiten jenseits von 400 km/h katapultieren. Der PF0 soll zum stärksten und schnellsten Sportwagen werden, der jemals in Italien gebaut wurde. Mit einem Preis von zwei Millionen Dollar war er aber nicht der teuerste Auto in Pebble Beach.
„Der Geist einer Messe ist es, Besonderes zu sehen“
Diese Rolle übernimmt in Kalifornien der Bugatti Divo. Die französische VW-Tochter will damit beweisen, dass man selbst den als ultimativen Supersportwagen avisierten Chiron noch toppen kann. Das gilt für das deutlich aggressivere Design, und das gilt auch für den Preis. Obwohl der Divo genau wie der Chiron 1500 PS hat und das Spitzentempo sogar von 420 auf 380 km/h sinkt, verdoppelt sich der Preis beinahe: 5,95 statt drei Millionen Dollar verlangen die Franzosen für ihr neues High-End-Modell.
Dagegen wirken der der 720 PS starke Rennwagen Ferrari 488 Pista Spider oder das neue Lamborghini-Flaggschiff Aventador SVJ mit 770 PS und einem neuen Nordschleifenrekord für Serienfahrzeuge fast schon gewöhnlich. Und der BMW Z4, der in Pebble Beach ebenfalls seine Premiere feiert, gleicht einem besseren Spielzeugauto.
Puristen mögen beklagen, dass die Showcars und Angeberautos der Hersteller bei einem Oldtimertreffen fehl am Platz sind. Marcus Herfort, der die Classic Days auf Schloss Dyck am Niederrhein ausrichtet, sieht das anders: „Die Concours d’Elegance wurden in der Gründerzeit des Automobils vor allem ins Leben gerufen, um in einem besonderen Rahmen die Kauflust jener zu wecken, die eigentlich schon genügend Autos hatten.“
Auch der Kölner Designprofessor Paolo Tumminelli sieht in Formaten wie der Monterey Car Week eine gute Bühne für Neuheiten: „Der Geist einer Messe ist es, Besonderes zu sehen, auf Gleichgesinnte zu treffen und das Gefühl zu haben, Teil eines einmaligen Events zu sein.“
Die Messen in Frankfurt, Genf oder Paris können das nicht bieten. „Veranstaltungen wie Pebble Beach übernehmen die ursprüngliche Funktion des Autosalons, bei dem man mit Klasse konfrontiert wird und sich sein Auto bei Bedarf nach maßschneidern lassen kann.“
Aber auch für die Präsentation von Durchschnittsautos wie Fiat Panda oder VW Polo gäbe es Alternativen zur herkömmlichen Automesse, findet Tumminelli: „In Goodwood oder auf Schloss Dyck versammeln sich Massen von Menschen, die das Auto feiern. Auf einer normalen Automesse ist man am Ende des Tages einfach nur müde, aber dort macht man sich glücklich auf den Heimweg.“