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Medien „Wo wir sind, ist oben“

Warum diese brillante ARD-Serie auch ein Skandal ist

Redakteur Feuilleton
Im Aufzug an die Spitze: Helgi Schmid und Nilam Farooq als Lobbyisten-Paar Im Aufzug an die Spitze: Helgi Schmid und Nilam Farooq als Lobbyisten-Paar
Helgi Schmid und Nilam Farooq als Lobbyisten-Paar
Quelle: ARD Degeto/Isarstraßen Film/Nik
So glamourös und genau ist noch kein deutscher Fernsehmehrteiler in die Untiefen der Berliner Republik getaucht wie „Wo wir sind, ist oben“. Es geht um Lobbyismus und die wahren Strippenzieher der Demokratie. Man sieht und staunt. Hat aber einen gewaltigen Haken.
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Vielleicht sollten wir mit einer Produktenttäuschung anfangen. Die Leute, die hinten, in den Kulissen unserer Demokratie, nicht ganz unbeteiligt daran sind, dass die scheinbar Mächtigen tun, was sie tun, sehen in der Regel ganz unglamourös aus. Lobbyisten haben lichtes Haar, tragen durchschnittliche Kleidung, sind von relativ durchschaubarer Eloquenz und leben gutbürgerliche Leben. Ihre Kinder werden Ärzte.

Daraus lässt sich natürlich kein Drama machen. Deswegen – das ist jetzt die zentrale Produktenttäuschung – verhandelt „Wo wir sind, ist oben“, die neue ARD-Lobbyisten-Serie, in der es vor allem um den Handel von Geschichten geht, die das Handeln von Politikern und Wählern beeinflussen, vor allem eben auch nur eine Geschichte, die, wie alle Geschichten in „Wo wir sind, ist oben“, nur von begrenztem Wahrheitsgehalt ist. Aber schon der reicht aus, es mit der Angst zu tun zu bekommen.

„Wo wir sind, ist oben“ ist nicht der erste Versuch, die zumindest tendenziell demokratiegefährdende Tätigkeit der prinzipiell grauen Strippenzieher mit Mitteln der Unterhaltungsindustrie zu analysieren, nicht mal in Deutschland. Und der erste Versuch, dem „House of Cards“-Vorbild folgend halbwegs spannend und glamourös ins Innere jenes Getriebes zu tauchen, von dem die graue Berliner Politikmaschine angetrieben wird, ist der Achtteiler auch nicht.

Ging halt alles meistens schief. Konnte sich von der entsetzlichen Schwerkraft des sehr deutschen Polit-Betriebs einfach nicht befreien. Dass „Wo wir sind, ist oben“ schwerelos über all jene Mühen der politischen Ebene fliegt, von denen Grimmepreisträger Christian Jeltsch im Drehbuch erzählt, elektrisiert einen von der ersten Sekunde an.

Jeltschs Fortsetzungsroman nimmt einen filmisch und musikalisch mit einer Macht an die Hand, wie sie ziemlich selten ist im nicht nur deutschen Fernsehen. Und das ist auch dringend nötig.

Thinktank der anderen Art in der Lobbyagentur
Thinktank der anderen Art in der Lobbyagentur
Quelle: ARD Degeto/Isarstraßen Film/Nik

„Wo wir sind, ist oben“ – die eigentlich letzte Sky-Serie, die ARD hat sie in der Postproduktion übernommen, nachdem Sky sich vom deutschen Serienmarkt verabschiedet hat – läuft im linearen Fernsehen zu einer derart nachtschlafenden Zeit, dass nur Menschen sie sehen, die vor lauter Frustration über die erste Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft bei der Europameisterschaft nicht in den Schlaf finden. Es ist ein Skandal. (Sendetermin 1. Folge: Freitag, 23.35 Uhr)

Aber das nur nebenbei. Man kann „Wo wir sind, ist oben“ dank der ARD-Mediathek zum Glück immer schauen, wenn im Sommermärchen 2.0 mal wieder die Schafskälte über die Fanmeilen der Republik pfeift.

Die Geschichte handelt von den beiden Politikkontaktarbeitern Max Lentor und Valerie Hazard. Politikkontaktarbeiter würden sie sich nie nennen, weil das ziemlich anzüglich klingt. Dass sie ihr Hirn an immer genau den verkaufen, der gerade das meiste zahlt oder dem Ruhm des jeweils eigenen Public-Affairs-Betriebs gut tut, würden sie nicht in Abrede stellen.

Im Aufzug um die Wette

Max arbeitet für ABC, Valerie für Pegasus. Beide Meinungssöldner-Unternehmen befinden sich in einem Haus ganz nah an der Mitte der Macht. Max und Valerie fahren viel Aufzug miteinander. Sie wollen ganz nach oben. Möglichst schneller als der jeweils andere, was natürlich in einem Aufzug eher schwierig ist.

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Das ist eins der wunderbaren Metapher-Netze, die Jeltsch auswirft über der politischen Gegenwart. Dass da gern Schach gespielt wird, ist ein andres. Dass es vor Box-Bildern wimmelt. Und das allerherrlichste ist das muschelartige Floating-Becken, in das sich Maxens Chef zurückzieht und deutsche Reden hört von Willy Brandt und so. Ein Think-Tank der anderen Art.

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Max und Valerie sehen übrigens so wirklich gar nicht aus wie der durchschnittliche Spree-Lobbyist. Helgi Schmid – schlank, feiner Anzug, Mitte Dreißig, sexuell fluid, keine Kinder, manischer E-Rollerfahrer – rast mit einem der coolsten und enigmatischsten Gesichter der gegenwärtigen Schauspielerlandschaft durch Berlin. Und Nilam Farooq – schlank, feine Klamotten, Mitte Dreißig, sexuell fluid, keine Kinder – bewirbt sich sowieso mit jeder Hauptrolle, die sie spielt, für die nächsthöhere Aufgabe, was wiederum dem Charakter ihres „Wo wir sind, ist oben“-Charakters ziemlich genau entspricht.

Max und Valerie verkaufen jeweils gegensätzlich Geschichten. Über den pharmazeutisch bedingten Hormonspiegel im Trinkwasser, über die Zukunft des Braunkohleabbau. Sie könnten morgen auch die Rollen tauschen. Sie sind Söldner im Debattenkrieg. Wes Brot ich ess, des Kampagne ich führ’. Wahrheit ist wurscht. Was Wahrheit ist, bestimmt, wer das Geld hat. Wo Max und Valerie sind, ist nicht nur oben. Wo sie sind, ist das Geld. It’s Kapitalismus, Baby.

Wie man Aktivisten missbraucht zeigt die Serie auch
Wie man Aktivisten missbraucht zeigt die Serie auch
Quelle: ARD Degeto/Isarstraßen Film/Nik

Das hätte vor nicht allzu langer Zeit dazu geführt, Max und Valerie als Ausgeburten der gesellschaftspolitischen Gegenwartshölle vorzuführen. Christian Jeltsch lässt sie gelten, lässt ihnen ihre eigenen Abgründe. Folgt ihnen in die Strukturen. In ihre biografischen. In die Strukturen des Betriebs.

Zeigt, wie sie nach alter Kissinger-Sitte Pendelpolitik, Postengeschacher betreiben, wie sie skrupellos noch die aufrichtigste Aktivisten-Gruppe zum Spielball ihres Meinungsverdrehens machen, sich verheddern in den Fallen ihres eigenen Intrigantenstadls. Stellt sie aber nicht bloß. Das ist bis in die letzte Nebenrolle perfekt besetzt und gespielt. Aufregend gefilmt. Musikalisch geschnitten. Man will gar nicht aufhören zu schauen. Was hoffentlich auch auf die deutsche Fußballnationalmannschaft zutrifft

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