„Meinen lieben Eltern. Den treuen Freunden und Helfern“ lautete die Widmung in einem Buch mit dem Titel „Über den Prozess der Zivilisation“, das 1939 im Baseler Verlag „Haus zum Falken“ erschien. Dreißig Jahre später hieß die Widmung der zweiten Auflage: „Dem Andenken meiner Eltern. Hermann Elias, gest. Breslau 1940. Sophie Elias, gest. Auschwitz 1941 (?)“. In der Epoche des europäischen Zivilisationsbruchs schrieb der Autor Norbert Elias (1897-1990) sein grundlegendes Werk über die Entwicklung der abendländischen Zivilisation.
„Über den Prozess der Zivilisation“ blieb lange Zeit unbeachtet, das Buch war für den Verleger ein Verlustgeschäft. Nach dem Erscheinen der zweiten Auflage 1969 wurde es zum Bestseller, 1998 zählte es die International Sociological Association zu den zehn bedeutendsten soziologischen Werken des 20. Jahrhunderts. Der Autor aber führte lange Zeit eine „akademische Schattenexistenz“, er blieb ein Unbekannter. Die autobiografischen Äußerungen von Elias waren unvollständig und zum Teil unzuverlässig. Die Lücken in seinem Lebenslauf hat jetzt der Soziologe Adrian Jitschin geschlossen. Zehn Jahre hat Jitschin dafür in Archiven geforscht. Ebenso überraschend und riskant wie die Reise von Elias nach Breslau im Jahre 1935 war der Besuch, den ihm seine Eltern 1937 in London abstatteten.