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Film Antisemitismus

Die offenen Fragen nach der Berlinale

Filmredakteur
„Claudia Roth hätte etwas tun sollen, es hat uns das Herz gebrochen“

Während der Abschluss-Gala der Berlinale kam es zu mehreren antisemitischen Ausfällen. Regisseure sprachen von einem Genozid der Israelis an den Palästinensern. Roni Roman ist Angehörige von Opfern des Hamas-Terrors und sagt: „Das war eine Plattform für Hass und Antisemitismus.“

Quelle: WELT TV

Autoplay
Drei Wochen nach der Berlinale und ihrem Antisemitismus-Skandal stellt sich die Frage: Hat eine Aufarbeitung stattgefunden? Wer lud die antisemitischen Kacheln auf dem Instagram-Account hoch? Währenddessen sitzt ein Darsteller eines Berlinale-Films immer noch in Geiselhaft in Gaza.
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Man schreibt den 14. Februar 2013, Berlinale-Schmuddelwetter, um den Gefrierpunkt. Vor dem Kino International stehen Menschenan , die hoffen, noch einen Platz für den Geheimtipp des Festivals zu ergattern: „Youth“ stammt aus Israel und schildert, wie zwei halbwüchsige Brüder einen wahnwitzigen Plan schmieden, um zu verhindern, dass ihre Familie die Wohnung verliert. Der Regisseur Tom Shoval ist ganz überwältigt von dem Empfang; seine Hauptdarsteller Eitan und David Cunio konnten nicht kommen, sie leisteten den Armeedienst ab, man hatte ihre Einberufung schon verschoben, damit sie den Film drehen konnten.

David Cunio ist nicht Schauspieler geworden, sondern Elektriker in dem Kibbuz Nir Oz in der Negev-Wüste. Als die Hamas am 7. Oktober ihren Überfall startete, flüchteten er und seine Familie in den Keller ihres Hauses. Es gab es keine Möglichkeit, ihn zu versperren, David blockierte mit seinem Körper die Tür. Als die Terroristen das Haus in Brand setzten und die Familie zu ersticken drohte, kletterte sie aus dem Fenster. Sie wurde in den Gaza-Streifen entführt.

David Cunio (links) und Eitan Cunio im Film „Youth“
David Cunio (l.) und Eitan Cunio im Film „Youth“
Quelle: picture alliance/dpa/Tom Shoval

Bereits im Dezember, recherchierte die „Süddeutsche Zeitung“, wurde die Berlinale auf Cunios Schicksal aufmerksam gemacht. Normalerweise ist sie sehr schnell, sich für bedrängte Künstler einzusetzen, sei es, dass sie vom iranischen Regime inhaftiert wurden wie die Regisseure Jafar Panahi und Mohammad Rasoulof, oder „nur“ die Pässe entzogen bekamen, wie Maryam Moghaddam und Behtash Sanaeeha von dem diesjährigen Wettbewerbsfilm „Keyke mahboobe man“ („Mein Lieblingskuchen“). Eine Solidaritätsadresse für Cunio gab es nicht, auch nicht, als Kulturstaatsministerin Claudia Roth und die Berliner Staatskanzlei am 6. Februar per Mail an den Fall erinnert wurden.

Bis heute hat sich keiner der Beteiligten dazu erklärt. Ebenso wenig dazu, wie im Instagram-Kanal der Berlinale-Sektion Panorama die Parole „Free Palestine – from the River to the Sea“ (ein Synonym für die Vernichtung Israels) auftauchen konnte. Die Berlinale-Leitung ließ den Aufruf zwar löschen und erstattete Strafanzeige, doch eine Erklärung gibt es drei Wochen danach weiterhin nicht, obwohl sich technisch ohne große Probleme feststellen lässt, ob die Webseite von außen gehackt oder von innen missbraucht wurde.

Nun muss man unterscheiden zwischen Vorgängen, die im direkten Einfluss der Berlinale liegen und solchen, auf die sie nur begrenzten Einfluss hat. Zu letzteren gehören die Dankesreden der Preisträger, die selbstverständlich nicht vorher vorgelegt werden müssen. Bei der Preisgala gab es diverse Vorwürfe gegenüber Israel, darunter den des „Völkermords“ (US-Regisseur Ben Russell), der „Apartheid“ (Israelischer Regisseur Yuval Abraham) und des „Abschlachtens“ (Palästinensische Regisseur Basel Adra).

Zwei Bären-Gewinner trugen das Palästinensertuch, mehrere hatten die Aufforderung nach sofortigem Waffenstillstand an ihre Abendgarderobe geheftet, einer (Adra) forderte den sofortigen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel und erhielt dafür den stärksten Beifall des Abends – von einem Publikum, das zu einem erheblichen Teil aus den internationalen Crews der Preiskandidaten bestand. Niemand buhte.

Keine Patentlösung

Claudia Roth saß in der ersten Reihe und applaudierte, wie sie danach feststellte, bei Abrahams Appell für eine politische Lösung, nicht jedoch bei Adra. Sie verließ nicht demonstrativ den Saal oder stürmte zur Gegenrede auf die Bühne (was man ihr wohl als Einmischung der Politik in die Kunst ausgelegt hätte). Es fand sich auch niemand von der Festivalleitung, der interveniert hätte. Die Co-Direktorin Mariette Rissenbeek hatte zu Beginn der Gala das Massaker der Hamas benannt – danach Schweigen. Laut Christian Petzold, deutscher Regisseur und Jury-Mitglied, habe er die umstrittenen Äußerungen gar nicht mitbekommen, weil er zu dieser Zeit in der Maske für seinen Auftritt gewesen sei. Das mag man ihm abnehmen, aber waren sämtliche Verantwortlichen gleichzeitig in der Maske?

Am Montagabend wurde die Berlinale-Leitung zum Rapport in ihren Aufsichtsrat bestellt. Die Berlinale müsse ein Ort bleiben, wo „für Gäste einerseits Meinungs- und Kunstfreiheit innerhalb des grundgesetzlich geschützten Rahmens gewährleistet bleiben, für die Berlinale andererseits aber Raum für politische Einordnung und Gegenrede bleibt“, hieß es danach. Dass Letzteres in den entscheidenden Momenten der 76. Festspiele unterblieb, wird an der alten Leitung von Carlo Chatrian und Mariette Rissenbeek hängen bleiben. Ihre Nachfolgerin Tricia Tuttle hat bereits den „Aufbau eines starken Leitungsteams“ angekündigt, was ja nur heißen kann, dass es bisher kein solches gab.

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Eine Patentlösung gibt es nicht, zumal man in Deutschland zur Kenntnis nehmen muss, dass ein Gutteil der internationalen Künstlerszene den Palästinakonflikt anders sieht als die offizielle deutsche Politik. Was, wenn Jonathan Glazer folgende Worte nicht bei den Oscars, sondern bei der Berlinale gesagt hätte? „Wir stehen hier als Menschen“, so der Regisseur des Auschwitz-Dramas „The Zone of Interest“, „die sich weigern, dass ihre jüdische Identität und der Holocaust von einer Besatzung gekapert werden, die zu Konflikten für so viele unschuldige Menschen geführt hat­ – seien dies die Opfer des 7. Oktober in Israel oder des andauernden Angriffs auf Gaza.“

David Cunios Frau und Kinder wurden im Zuge des ersten Abkommens am 27. November aus der Geiselhaft in Gaza entlassen. Er selbst ist weiterhin dort gefangen, nun schon 200 Tage.

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