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Film Peter „Easy Rider“ Fonda †

Vom Biker zum Bienenzüchter

Chefkorrespondent Feuilleton
Der Easy Rider war der wahre Held des Woodstock-Sommers 1969. Im gleichnamigen Film war Peter Fonda einer der ersten seiner Art. Nun ist er gestorben. Auf die Freiheit!

Beim amerikanischen Superbowl lief vor zwei Jahren eine bemerkenswerte Werbung. In einer Bikerkneipe irgendwo im Nirgendwo vergnügen sich Biker in traditioneller Bikerkluft und mit Bikerfrisuren bei klassischen Bikerspielchen wie Armdrücken und Anrempeln. Plötzlich geht die Tür auf, ein Biker kommt rein und sagt: „Zugeparkt.“ Die anderen gucken verächtlich bis entsetzt und wiederholen, als könnten sie es gar nicht fassen: „Zugeparkt?“

Die Biker stürmen raus und sehen vor ihren Harleys einen Mercedes-Benz AMG GT Roadster stehen, also ein edles, schnelles Cabrio. Während sie den Anblick noch verarbeiten, schlendert von den nahen Zapfsäulen ein älterer Mann heran. Auch er trägt Lederkluft, die aber selbst aussieht, wie von AMG veredelt. Auf dem Rücken der Jacke, das wird man gleich sehen, wenn er einsteigt und wegfährt, prangt eine amerikanische Flagge. „Schöne Räder“, sagt er mit selbstgewissem Lächeln. Hinter der getönten Brille blitzen die Augen. Eine Bikerin sagt anerkennend: „Sieht immer noch gut aus.“

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Sie hat ihn erkannt, den alten Peter Fonda, der vor genau 50 Jahren in „Easy Rider“ den Wyatt spielte, neben Dennis Hoppers Billy. Das mag lange zurückliegen, aber andererseits ist es, als wäre es gestern gewesen. Der Film, für schlappe 325.000 Dollar produziert und von Fonda mitgeschrieben, hat das moderne Kino verändert wie kaum ein anderer. Durch den künstlerischen Erfolg – er war offizieller Beitrag bei den Filmfestspielen in Cannes – und das sensationelle wirtschaftliche Ergebnis – er spielte 16 Millionen Dollar ein – veränderte sich genau das Hollywood maßgeblich, das gerade in Quentin Tarantinos neuem Film „Once Upon a Time in Hollywood“ zu sehen ist.

Die konservativen, unpolitischen Geschichten, die die Studios bis dato am liebsten erzählten, wurden von wilderen, experimentelleren, härteren, realistischeren Stoffen abgelöst. Dennis Hopper (als Regisseur), Francis Ford Coppola, Martin Scorsese, George Lucas, das ganze sogenannte New Hollywood nahm seinen Ausgang mit „Easy Rider“. Vielleicht wäre es auch ohne ihn unvermeidlich gewesen. Aber der Film erschien zur rechten Zeit, ein Brennglas aller damaligen Energien von Flower-Power, Hippies, Drogenbegeisterung und Gegenkultur.

Born to be old: Peter Fonda vor 50 Jahren in „Easy Rider“
Born to be old: Peter Fonda vor 50 Jahren in „Easy Rider“
Quelle: COLUMBIA / Kobal Collection

Brillant war sein unverklärter Blick. Die Kamera mochte träumerisch über die kargen Landschaften von Arizona streifen oder sich in bunten LSD-Trips mit Prostituierten auf einem Friedhof in New Orleans verlieren – der Film beschönigte nichts. Nicht die Heuchelei, die im Hippiegeist steckte, nicht die düstere Seite der Drogen und vor allem nicht die Vereinigten Staaten, in denen große Reden auf die Freiheit geschwungen wurden, die aber im Herzen kleinlich waren, böse und gemein. Unvergesslich ist die Szene aus „Easy Rider“, als der von Jack Nicholson gespielte zynische Anwalt von eifersüchtigen, bis zur Mordlust spießigen Hillbillys totgeprügelt wird.

Peter Fonda spielte also den Wyatt, der nach dem Revolverhelden Wyatt Earp benannt war (während Hoppers Billy nach Billy the Kid hieß). Ins kollektive Gedächtnis ist er aber vor allem als Captain America eingegangen. Die alte Harley, in deren Tank er die Geldscheine schmuggelt, die aus dem Handel mit Kokain stammen, trägt die Farben der amerikanischen Flagge. Genauso Fondas Motorradhelm, was die Anspielung auf den Marvel-Superhelden Captain America überdeutlich macht. Der war in den Comics – übrigens durch Drogen induziert – zum Supersoldaten geworden, der das Amerika des Zweiten Weltkriegs gegen Nazispione verteidigte.

In „Easy Rider“ hatte also eine geniale Umdeutung stattgefunden: Der Staatsdiener war zum Hippie geworden, der Soldat zum Outlaw. Die Verwandlung war nötig, weil die Werte die Seite gewechselt hatten. Vor allem die Freiheit, aber auch der Mut, der sie erst möglich macht, waren nach Ansicht von Fonda, Hopper und Nicholson nun eher bei den Hippies zu finden, bei den Langhaarigen, denen, die mit Drogen experimentierten. „Ein Mann suchte Amerika“, stand nach Art eines Romanmottos auf den Filmplakaten, „doch er konnte es nirgends mehr finden.“

Die Mercedes-Werbung – deshalb ist sie so lustig und respektlos – spielt mit einer ähnlichen Umdeutung. Die Outlaw-Biker haben sich nicht nur in Brandenburg am Wochenende verspießert, sondern auch im Heartland der USA. Frischer Wind kommt diesmal vom gestriegelten Fonda im 150.000-Dollar-Auto.

Nach dem sensationellen Start des 28-Jährigen kam nicht mehr viel Vergleichbares. Durch ihre zahlreichen und vielfältigen Arbeiten überstrahlten Vater Henry und die ältere Schwester Jane Peters Ruhm. Als Regisseur drehte er Filme wie „Der weite Ritt“ (1970) oder den Science-Fiction „Expedition in die Zukunft“ (1973). Als Schauspieler wurde er erst im Jahr 1998 mit dem späthippiesken „Ulee’s Gold“, in dem er einen Bienenzüchter spielte, für den Oscar als bester Hauptdarsteller nominiert.

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Jetzt ist er im Alter von 79 Jahren in seinem Haus in Los Angeles an den Folgen von Lungenkrebs gestorben. Die Familie teilte mit, sie trauere um den „liebenswerten und gütigen Mann“ und feiere zugleich seinen „unbeugsamen Geist und seine Lebenslust“. Die Mitteilung schließt mit dem Wunsch: „Zu Ehren von Peter, bitte erhebt ein Glas auf die Freiheit.“

Dieser Text erscheint in der WELT AM SONNTAG vom 18. August 2019. Wir liefern sie Ihnen gerne regelmäßig nach Hause.

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