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  4. Trailer&Kritik: Goebbels’ Sektretärin erinnert sich in „Ein deutsches Leben“

Film Zeitzeugin

Die Sekretärin von Goebbels erzählt. Ein bisschen

Leitender Redakteur Geschichte
„Ein deutsches Leben“

Brunhilde Pomsel kam einem der größten Verbrecher der Geschichte so nah wie kaum jemand sonst. Sie war Sekretärin von Joseph Goebbels und saß von 1942 bis zum Mai 1945 in dessen Vorzimmer.

Quelle: Salzgeber

Autoplay
Wollt ihr die totale Erinnerung? Der Dokumentarfilm „Ein deutsches Leben“ rückt Brunhilde Pomsel, die langjährige Sekretärin von Joseph Goebbels, in ein spektakuläres neues Licht.

Wie war es möglich? Diese Frage schwebt über der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts: Wie war es möglich, dass ein Volk, das schon Jahrzehnte in einem Rechtsstaat gelebt hatte, wenn auch nur wesentlich kürzer in einer Demokratie, ab 1933 in die Abgründe der Barbarei versank?

Natürlich wurde nicht jeder Deutsche zum direkten Profiteur, erst recht nicht zum Mörder. Dennoch waren praktisch alle Erwachsenen Mitwisser der Ausgrenzung und der Kriegspolitik. Wie das möglich war und wie Menschen sich damit im Rückblick auseinandersetzten, ist das Thema der Dokumentation „Ein deutsches Leben“.

Dieser Film ist ein Ereignis – wegen seiner über 100-jährigen Protagonistin, genauer: wegen des Lichtes, in das sie gerückt wird. Das ist ganz konkret gemeint: Vor allem Ausleuchtung und Kameraführung sorgen dafür, dass Brunhilde Pomsels vom Alter gezeichnetes Gesicht den Zuschauer fesselt.

Geboren 1911 und gestorben erst Ende Januar dieses Jahres, war Pomsel im ganz wörtlichen Sinne eine Zeugin des Jahrhunderts. Interessant sind dabei weniger ihre stilisierten Erinnerungen an die rund drei Jahre als Sekretärin von Joseph Goebbels. Viel mehr beschäftigen den Zuschauer die allgemeinen Aussagen, die sie aus der Distanz von fast 70 Jahren macht. Sie belegen, wie die Generation der Zeitgenossen vielfach mit ihrer Vergangenheit umging. Menschlich verständlich ist die Verdrängungsleistung, moralisch verständlich ist sie natürlich nicht.

Goebbels-Sekretärin im Alter von 106 Jahren gestorben

Brunhilde Pomsel, frühere Sekretärin des NS-Propagandaministers Joseph Goebbels, starb im Alter von 106 Jahren in München. Die gebürtige Berlinerin erlernte ihren Beruf bei einem jüdischen Rechtsanwalt.

Quelle: N24

Eine eindrucksvolle Produktion

Die ästhetische Leistung der Filmemacher Christian Krönes, Olaf S. Müller, Roland Schrotthofer und Florian Weigensamer verdeutlicht der Vergleich mit dem Interview, das die 105-jährige Pomsel auf dem Münchner Filmfest 2016 gab, gut drei Jahre nach dem Dreh der Dokumentation. Man glaubt kaum, dass es sich um dieselbe Frau handelt.

Außerdem lohnt ein Rückblick auf André Hellers Interviewfilm „Im toten Winkel“, in dem 2002 Hitlers letzte Sekretärin Traudl Junge über das Leben im Führerhauptquartier berichtete. Junge hatte deutlich mehr zu erzählen, äußerte sich reflektierter, als Pomsel wirkt – zumindest in den meist kurzen aneinandergefügten Schnipseln von „Ein deutsches Leben“. Trotzdem ist die aktuelle Produktion als Film wesentlich eindrucksvoller.

Wer glaubt, mit dem Ansehen von „Ein deutsches Leben“ das Dritte Reich verstehen zu können, wird enttäuscht werden. Man braucht viel Vorwissen, um die dargebotenen Tatsachen und Bewertungen einzuordnen.

Kinofilm: Ein Deutsches Leben
Kinofilm: Ein Deutsches Leben
Quelle: Blackbox Film & Medienproduktion

Das gelingt dem Film weniger gut als Lutz Hachmeister und Michael Kloft in ihrer aus Originalbildern und Zitaten aus dem Goebbels-Tagebüchern kompilierten Dokumentation „Das Goebbels-Experiment“, immer noch der wohl eindruckvollsten filmischen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus. „Ein deutsches Leben“ ist demgegenüber sehenswert in erster Linie wegen der Unmittelbarkeit von Brunhilde Pomsel.

„Nein, ich würde mich nicht als schuldig betrachten“, sagt sie – und hat im strafrechtlichen Sinne selbstverständlich recht. Sie war eben nur eine Bürokraft. Wie es tatsächlich gewesen sein mag, ziemlich nahe am Zentrum der düsteren Macht zu arbeiten, offenbart Pomsel nicht. Sie sagt nur: „Es war einfach ein bisschen Elite. Deshalb war es schon ganz nett, da zu arbeiten. Nett angezogene Menschen, freundliche Menschen.“ Und sie entschuldigte sich gleich: „Ja, ich war halt auch sehr äußerlich in der Zeit noch, sehr dumm.“

Äußert sie sich wirklich ganz ehrlich?

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In manchen Passagen blitzt dennoch durch, dass sie eben doch nachgedacht hat über das, was sie seinerzeit antrieb. Etwa in ihrer Schilderung der Goebbels-Rede „Wollt Ihr den totalen Krieg?“ von 1943. Dazu gibt sie vor der Kamera erstaunlich reflektiert Auskunft. Die Zuhörer, darunter auch sie selbst, hätten „nicht geschrien, weil sie schreien mussten, weil man es ihnen gesagt hat. Nein, die haben in dem Moment geschrien, weil da vorn einer ihnen etwas verkündete, was sie bejahten.“

Um diese Zeitzeugin zu verstehen, muss man den Film mehrfach sehen – und liest am besten noch das Begleitbuch, das der Publizist Thore D. Hansen zusammengestellt hat (Europa-Verlag, Berlin). Denn natürlich zeigt der Film nur einen Ausschnitt des Gesamtinterviews.

Hansen stellt zu Recht fest: „Streckenweise hat man angesichts von Brunhilde Pomsels Schilderungen das Gefühl, dass sie sich nicht ehrlich äußert.“ Genau das ist der Kern von Film und Buch – eine Frage, die nicht beantwortet wird und wohl auch nicht beantwortet werden kann. Allein auf diese Lücke in enorm eindrucksvollen Bildern hinzuweisen, macht „Ein deutsches Leben“ unbedingt sehenswert.

Adolf Hitlers perverse Fantasien

Nachdem der Freistaat Bayern eine Wiederveröffentlichung von Hitlers „Mein Kampf“ lange verhindert hatte, erschien im Januar 2016 eine kritische Edition des Instituts für Zeitgeschichte. WELT-Geschichtsredakteur Sven-Felix Kellerhoff kennt die Abgründe der antisemitischen Hetzschrift.

Quelle: Die Welt

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