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Kultur So war der Wiener „Tatort“

Können diese Augen morden?

Redakteur Feuilleton
Harald Krassnitzer ist Moritz Eisner Harald Krassnitzer ist Moritz Eisner
Harald Krassnitzer ist Moritz Eisner
Quelle: ORF/Petro Domenigg/ARD Degeto/Programmplanung und P
Harald Krassnitzer jagt seit 25 Jahren Mörder in Wien. Jetzt feiert Moritz Eisner, der Kommissar, den er im „Tatort“ spielt, seinen Sechzigsten und gerät unter Verdacht. Über einen endlich wieder einmal klassischen Sonntagabendkrimi.

Um gleich mit der Tür in den Text zu fallen: Können sie natürlich nicht, diese Augen. Also morden. Natürlich nicht. Weil der Mann, dem sie eisblau aus dem Gesicht leuchten, das nicht kann.

Moritz Eisner, Kiberer (für Menschen nördlich von Wien: Polizist) unseres Herzens und Kommissar im Wiener „Tatort“-Revier seit 25 Jahren, mag zwar ein Grantler sein, ein Eigener, einer, der auch mal krumme Wege geht, wenn er hinter Mördern her ist, und sich von seinen Oberern ungern einhegen lässt – Selbstjustiz kommt in seinem Verhaltensportfolio nicht vor.

Bei dem, was ihm in seinem Jubiläumsfall da von seiner Heimatredaktion angetan wird, muss es sich also um eine ganz spezielle Form von Materialtest handeln. Um die Einsatzfähigkeit des Chefinspektors Eisner für die 2,8 Jahre, die ihm in Österreich noch bis zum Erreichen des Renteneintrittsalters bleiben, auszuprobieren. „Dein Verlust“ heißt der Fall.

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Und man schaut sich das an, durch das der Moritz von Thomas Christian Eichtinger und Samuel Schultschik geschickt wird, als ob man selbst den Kater hätte, den der Chefinspektor nicht los wird nach der Feier seines Sechzigsten, mit der alles anfängt, und der gefühlt alle Farben, in denen „Dein Verlust“ leuchtet, ins Eisblaue kippt.

Der Fall ist folgender: Der Moritz wird also sechzig. Das ist für manche Männer ein verhältnismäßig schlimmer Moment. Der Moritz schaut sich am Anfang im Spiegel in seine eisblauen Augen und kann es einfach nicht fassen. „Bist du deppert“, sagt er zu seinem Spiegelbild. Alle sind sie da. Der Chef, die Tochter, deren neuer Lebensabschnittsbegleiter mit dem besorgniserregenden Oberlippenbart.

Und natürlich die Bibi Fellner, mit der er mehr als dreißig Mörder hinter Gitter gebracht hat. Es gibt Torte. Es wird getanzt. Es wird getrunken. Alle gehen. Bibi bleibt. Auf dem Sofa. Und als es endlich zu jenem Kuss kommt, auf den wir seit Jahren warten und der alles ändert, schläft der Moritz ein. Als dann aufwacht auf aus unruhigen Träumen, erinnert er sich an nichts, hat ein Bohren im Hirn. Und die Welt hat sich gegen ihn gewendet.

Die üblichen Verdächtigen

Ein Nachtclubbesitzer liegt in seinem Blut. Erschossen in der Nacht von Eisners Ohnmacht. „Miramar“ heißt dessen eisblaustichiges Etablissement. Es befindet sich natürlich nicht am Meer, sondern unterm Pflasterstrand von Wien. Im Untergrund. Es gibt die üblichen Verdächtigen, die es bei Mordfällen im Milieu so gibt. Dumm für den Moritz, dass es Zeugen gibt, die ihn im Club gesehen haben. Am Tatort. Es gibt Spuren. Unter den Tisch kehren, was ihm der Chef anbietet, will er sie nicht. Er ist eine ehrliche Haut. Wir lieben ihn dafür.

Das Leben zerrinnt ihm zwischen den Fingern, rinnt aus ihm geradezu heraus in der Zelle, in der er irgendwann landet. Nie war Harald Krassnitzer, der ihn spielt, mehr gefordert. Nie war er besser. Und Adele Neuhauser, die Bibi ist, war es auch nicht. Die muss den Moritz raushauen, die verzweifelt, trauert, liebt. Soviel Gefühl ist noch nie in Wien über die Gesichter seiner Kiberer gehuscht. Es ist ein mörderisches Hochvergnügen, das zu sehen, so traurig wie die Geschichte ist.

Apropos Geschichte. „Dein Verlust“ ist ein geradezu mustergültiger klassischer Sonntagabendkrimi, wie es ihn schon lange nicht mehr gegeben hat. Einer, der keine Genregrenzen austestet, der keine Politik betreibt, keine Spökenkiekerei, keine sozialen Missstände aufklärt, der nicht witzig sein, keine horizontalen Erzählungen weitertreiben muss, nicht zwei Fälle aufhäuft, weil er einem nicht vertraut.

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Es ist eine Geschichte über Vertrauen und über Liebe und über Ehrlichkeit zu sich selbst. Katharina Mückstein bringt in ihrem „Tatort“-Regie-Debüt das dramaturgisch meisterhaft geschnittene, immer wieder perfekte Haken schlagende Buch zu einem eisblauen Leuchten.

„Schaust super aus“, sagt des Moritz Tochter zum Spiegelbild ihres Vaters. Dem können wir nur zustimmen. So kann es weitergehen. Auch wenn Moritz und die Bibi, also der Krassnitzer und die Neuhauser, die sie spielen, längst die Pensiongrenze für österreichische Kiberer überschritten haben. Mögen sie endlich glücklich werden.

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