Es hat was von Safari. Anne-Grit Reichelt setzt den Rangerhut auf und öffnet die staubige Autotür. Im Dienstfahrzeug staut sich die Hitze, obwohl nur die Morgensonne darauf brennt. Die Fahrt geht vorbei an savannengelben Wiesen und am Großen See, der ohne Wasserfläche kaum als solcher zu erkennen ist.
In der trockenen Ebene liegt ein noch belaubter Ast, den eine Orkanbö abgerissen hat. Manche Bäume strecken blattlose Kronen in den Himmel. Der alte Buchenhallenwald, der die Hänge des 77 Meter hohen Babelsbergs bekleidet, ist licht geworden.
Reichelt kennt ihr Potsdamer Revier wie keine Zweite. Anders als die Verwalter der historischen Gebäude der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten kann sie sich zwar nicht mit dem Titel Kastellan schmücken, doch als Fachbereichsleiterin verantwortet sie ein lebendiges Weltkulturerbe: den Schlosspark Babelsberg. Und den „hat der Klimawandel mit voller Wucht getroffen“, erzählt sie – mit heftigen Stürmen, langen Trockenheitsperioden, plötzlich starken Regenfällen.
Seit gut 15 Jahren arbeitet sie in dem 124 Hektar großen Park und beobachtet spätestens seit 2015/16 eine zunehmende „Komplexschädigung“. Viele denkmalgeschützte Parks mit altem Baumbestand betrifft dies.
„Wenn der Nachbar wegbricht, dann haben es die Rotbuchen besonders schwer“, erklärt Reichelt bei der Fahrt. Wo einst das Hallendach des Waldes eine Dauerschattenzone bildete, scheint nun das Sonnenlicht hinein. Das habe vielfältige Auswirkungen, nicht nur auf die Buchen selbst, deren dünne Rinde keine Sonne verträgt. Auch auf ihre Sämlinge, die nur im Schatten gedeihen können oder auf eingeschleppte Arten wie die Robinie oder die Späte Traubenkirsche, die sich ausbreiten, oder den Eichenprachtkäfer, der sich neuerdings hier prächtig wohlfühlt.
Viele Bäume haben die Kraftreserve verloren
Reichelt zeigt auf eine vertrocknete Krone. Bäume sterben von oben her: „Seit zwei Jahren sind sogar Eichen von Absterbeprozessen betroffen“, sagt sie, während eine Drohne über uns schwirrt, die Schäden aus Vogelperspektive aufzeichnet. „Bäume haben eigentlich eine gute Kraftreserve, aber jetzt haben viele sie verloren, weil sie den veränderten Klimabedingungen trotzen müssen.“
Besonders die unerwartet auftretenden Grünholzabbrüche bereiten ihr Sorge, schon aus Gründen des Besucherschutzes. Wenn Bäume „merken“, dass sie ihre Krone nicht mehr ausreichend versorgen können, werden eigentlich gesunde Äste „abgeworfen“, klagt Reichelt.
Diese Klage, „dass Bäume absterben, vor allem die Solitäre“, hört Norbert Kühn überall. „Aber wir kennen den Umfang der Schäden nicht.“ Der Professor für Vegetationstechnik und Pflanzenverwendung an der Technischen Universität Berlin erhebt zurzeit einen Parkschadensbericht. Ähnlich dem jährlichen Waldzustandsbericht soll er erstmals deutschlandweit „Bilanz ziehen, wie sich die vergangenen vier Hitze- und Trockenjahre auf den Zustand der Bäume in den öffentlichen Parks und Gärten ausgewirkt haben“.
Die Erfassung sei noch nicht abgeschlossen, aber es stelle sich heraus, dass um die 60 Prozent der untersuchten Bäume in irgendeiner Weise geschädigt sind, berichtet Kühn. Anders als im Wald oder Forst, wo die „Bäume beerntet“ werden, gibt es im Park sehr alte Pflanzen.
Die Rotbuchen, darauf weist auch Anne-Grit Reichelt hin, kommen mit mehr als 160 Jahren bereits in die kritische Phase ihres Lebenszyklus. Besonders die alten, alleine stehenden Bäume seien zudem dadurch gefährdet, dass sie eine große Biomasse haben, die ernährt werden will. „Dazu muss ständiger Saftfluss gewährleistet sein“, erklärt Norbert Kühn, „aber der in unseren Breiten gewöhnliche Tiefenwasserspeicher ist vielerorts aufgebraucht.“
Als Prinz Wilhelm von Preußen, der spätere erste Deutsche Kaiser, den Babelsberger Park als Garten seiner Sommerresidenz anlegen ließ, war das Gelände noch durch die Abholzungen während der französischen Besatzung geprägt. Probleme bei der Aufforstung hatte auch schon der erste Planer, der königliche Gartendirektor Peter Joseph Lenné. Ab 1833 mit dem Entwurf und der Gestaltung befasst, kam er weder mit der hügeligen Topografie und dem kargen Sandboden zurecht, noch mit dem Wassermangel und der schlechten finanziellen Ausstattung.
Letzteres besserte sich erst mit der Prinzgemahlin Augusta von Sachsen-Weimar-Eisenach – und dem genialischen Fürst Herrmann von Pückler-Muskau, der die Chefplanung ab 1843 von Lenné übernahm. Er baute ein Wasserreservoir auf dem Babelsberg und ließ ein 25 Kilometer langes Netz von gusseisernen Röhren im Park verlegen, das mehrere Seen und Wasserfälle speiste – pragmatisch und prophetisch.
180 Jahre später ist das Geld wieder knapp. Erst wenige Teile des maroden Röhrennetzes sind restauriert, 85 Prozent des Parks können nur mit mobilen Wasserwagen bewässert werden. Nötige Nachpflanzungen werden da zum heiklen Thema. Um die Widerstandskraft des Parks mit all seinen Biotopen zu stärken, sind sie im Klimawandel dringender denn je.
Doch wie? Und was pflanzen? In dieser Frage können Gartendenkmalpfleger und Parkverantwortliche, Ökologen und Naturschützer grundverschiedene Ansichten haben. Die eigentlich im Mittelmeerraum heimische Zerreiche und Edelkastanie seien an den Klimawandel besser angepasst als Birke und Blutbuche, sagt auch Anne-Grit Reichelt. Sehen möchte sie diese Gehölze in ihrem Revier aber trotzdem nicht. Ihr Credo: Nachgepflanzt wird nicht nur am selben Standort, sondern immer mit derselben Art. „Pückler hätte auch keine Esskastanien gepflanzt.“
Feldforschung im historischen Park
Reichelt hat deshalb zwei Versuchsfelder angelegt und einheimische Arten aus dem Park – etwa Winterlinde, Feldahorn, Kornelkirsche – angepflanzt, um zu überprüfen: „Welche Pflanzen schaffen es ohne Wasser?“ Und tatsächlich: In den mit reichlich Algen aus Pücklers Zierteich „Schwarzes Meer“ gemulchten Furchen sprießen einige durchaus robust aussehende Sträucher. Es ist buchstäblich Feldforschung – mit dem Ziel, eine eigene Baumschule im Park einzurichten.
Eine Maßnahme, die auch der Agrarwissenschaftler rät. Den Buchen gibt Norbert Kühn übrigens durchaus Chancen, weniger aber den Lärchen oder Fichten. Unter den borealen Nadelgehölzen gebe es Arten, die nicht mehr funktionieren. Aber Gartendenkmalschützer könnten Bäume ähnlichen Charakters finden, zum Beispiel aus dem mediterranen Raum. „Diese Fragen wird man sich stellen müssen, um eine größere Klimaresilienz zu erreichen“, sagt Kühn: „Kann ich die Lärche durch eine Zeder ersetzen?“
Es sei wichtig, einen Schlosspark nicht nur vor dem kunsthistorischen Hintergrund zu sehen, sondern auch als Teil eines biologischen Systems. „Wir werden gewohnte Parkbilder verlieren, weil sich der Park natürlich verjüngt“, weiß auch Reichelt. „Aber wir wollen jene historischen Bilder erhalten, die Pückler gemalt hat.“ Bei der Erhaltung eines lebendigen Guts wie einem Park müsse man flexibel bleiben. „Problematisch wird es dann“, so Reichelt, „wenn die Solitärbäume wegfallen, die diesen Bildern ihren Rahmen geben.“
Die „abgängige Blutbuche“ – ein für das sogenannte Bowlinggreen vor Schloss Babelsberg wichtiger Kulissenbaum in der Blickachse zur Havel –, die den Klimaveränderungen nicht gewachsen war, hat Reichelt also wieder durch Fagus sylvatica purpurea ersetzt. Das empfindliche Bäumchen mit dem dunkelroten Laub wird nun einige Jahrzehnte von Dürre und Hitze getestet werden, bis es den bekannten Blick aufs Wasser wieder so pittoresk verdecken kann wie einst. Immerhin: Es ist ein echter Pückler-Muskau, der Blutbuchensetzling kommt aus dem Landschaftspark Branitz.