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  3. Das älteste ABC lag in einem Grab. Der Deutsche Thomas Schneider hat es entziffert

Kultur 3500 Jahre alt

Ein Deutscher hat das älteste ABC entziffert

Feuilletonredakteur
Das Kalksteinfragment, auf dem Thomas Schneider die uralte Alphabet-Sequenz entdeckt hat Das Kalksteinfragment, auf dem Thomas Schneider die uralte Alphabet-Sequenz entdeckt hat
Das Kalksteinfragment, auf dem Thomas Schneider die uralte Alphabet-Sequenz entdeckt hat
Quelle: Nigel Strudwick/http://www.fitzmuseum.cam.ac.uk/tt99/
Wer A sagt, muss auch B sagen – und das schon seit 3500 Jahren. Ein Forscher hat auf einem ägyptischen Stein die älteste Buchstabenfolge ABCD entdeckt. Das Alphabet ist älter, als man dachte.

Die Erfindung des Alphabets hängt mit der Sklaverei zusammen. Man geht heute davon aus, dass die älteste Buchstabenschrift in Norden der Sinaihalbinsel geschaffen wurde, um mit kanaanitischen Steinbrucharbeitern zu kommunizieren. Dafür ordnete man bestimmte ägyptische Hieroglyphen den Lauten der alten semitischen Sprache zu, die dort gesprochen wurde.

Mithilfe dieser ersten Buchstaben ließen sich, wie mit unserem heutigen Alphabet, unendlich viele Wörter darstellen, und man musste wesentlich weniger Zeichen lernen als bei den vorhergehenden Bilder- und Silbenschriften. Zum Vergleich: Es gab etwa 7000 ägyptische Hieroglyphen.

Sicher ist: Schon in der Frühzeit begannen semitische Alphabete mit der Buchstabenfolge ABCD oder zumindest so ähnlich – Wissenschaftler sprechen von der Abjad-Sequenz nach der Aussprache der ersten vier Buchstaben. Allerdings stand das A damals noch für einen anderen Laut: Die frühen semitischen Schriften waren reine Konsonantenschriften.

Das Innnere des Grabes des ägyptischen Beamten Sennefer in Theben. Hier wurde der Kalkstein gefunden
Das Innnere des Grabes des ägyptischen Beamten Sennefer in Theben. Hier wurde der Kalkstein gefunden
Quelle: picture alliance / Heritage Imag

Die ältesten Fundstücke solcher alphabetartiger Sequenzen wurden bisher auf 3200 v. Chr. datiert. Nun glaubt ein Wissenschaftler, eine Inschrift auf einem Stück Kalkstein aus der ägyptischen Metropole Theben entdeckt zu haben, die noch 300 Jahre älter ist. Thomas Schneider, Professor für Ägyptologie an der Universität of British Columbia in Kanada, will auf dem Ostrakon eine Art Merksatz für Fremdsprachenlerner identifiziert haben, in dem drei Wörter mit den alten Äquivalenten unserer Buchstaben B, C und D beginnen.

Ostraka sind Scherben aus Ton, manchmal auch Muscheln, Eierschalen oder Kalksteinsteinfragmente, die man in der Antike anstelle des teuren Papyrus als billiges Schreibmaterial für Notizen, Schulaufgaben, Abrechnungen, Quittungen und kurze Briefe verwendete. Texte wurden mit Tinte geschrieben oder eingeritzt. Beim sprichwörtlich gewordenen Scherbengericht im klassischen Athen wurde auf solchen Ostraka über die Verbannung von Mitbürgern abgestimmt.

Wie der in Göttingen geborene Schneider im „Bulletin of the American Schools of Oriental Research“ schreibt, stünden auf einer Seite des Kalksteins hieroglyphische Symbole, die die semitischen Wörter bibiya-ta („Schnecke“), garu („Taube“) und da’at („Papierdrachen“) repräsentieren. Vor mehr als 3000 Jahren sei das G das Äquivalent zum heutigen C gewesen. Das heißt, die Anfangsbuchstaben der Wörter stehen für BCD.

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Vor den drei Wörtern stehen Symbole, die schwerer zu interpretieren sind. Aber es könnten die Buchstaben des Wortes elta’at („Gecko“ oder „Eidechse“) sein. Es sei möglich, dass die Zeichen den Satz „und die Eidechse und die Schnecke und die Taube und der Drachen“ bilden und dass dieser Merksatz dem Schreiber helfen sollte, sich die korrekte Reihenfolge des Vorläufers unseres heutigen Alphabets zu merken. Wenn das stimme, so zitiert die Webseite „Live Science“ den Ägyptologen, wäre es „der erste historische Nachweis für ,unsere‘ Alphabetsequenz“.

Der sensationelle Ostrakon wurde bereits 1995 im Grab des Beamten Sennefer von einem Ärchaologen-Team der Universität Cambridge unter Leitung von Nigel Strudwick in Theben ausgegraben, aber erst jetzt von Thomas Schneider entziffert. Obwohl die Schrift hieratisch ist, eine Schreibschriftvariante der ägyptischen Hieroglyphenschrift, scheinen alle Wörter nichtägyptischer Herkunft zu sein, schreibt Schneider, die meisten davon semitischen Ursprungs. Das Altägyptische selbst gehörte nicht zur semitischen Sprachfamilie, sondern war eine afroasiatische Sprache.

Der Schatzmeister des Pharaos konnte Fremdsprachen

Sennefer, der Schatzmeister des Pharaos Thutmosis III., war auch für außenpolitische Angelegenheiten zuständig. Es ist wahrscheinlich, dass er die semitischen Sprachen verstand, die damals im Ostmittelmeerraum gebraucht wurden. Entweder er oder jemand aus seinem Umfeld könnte Merktafeln zum Üben niedergeschrieben haben.

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Für die Hypothese, das es sich bei dem Ostrakon um eine Art Sprachlehrbuch handelt, spricht auch die andere Seite des Kalksteins. Dort hatte Ägyptologe und Papyrologe Ben Haring von der holländischen Universität Leiden 2015 die älteste nach Buchstaben geordnete Wortliste der Welt entdeckt. Die Wörter auf dem Ostrakon sind nach den Lauten geordnet, mit denen sie anfangen.

Ein uralter ABC-Schütze? Sennefer, wie er in seinem Grab dargestellt ist
Ein uralter ABC-Schütze? Sennefer, wie er in seinem Grab dargestellt ist
Quelle: Getty Images/DeAgostini

Allerdings entspricht die Anordnung der Wörter auf der von Haring entzifferten Kalkstein-Seite nicht unserem modernen ABC und auch nicht dessen Vorläufern bei den Griechen beziehungsweise den Phöniziern, die lange als Erfinder des Alphabets galten. Sie folgt vielmehr dem System Halahama, das man aus ägyptischen, altarabischen und klassischen äthiopischen Texten kennt.

Dieses Halahama-Alphabet war ebenfalls semitischen Ursprungs und, wie man bisher wusste, im 13. und 14. Jahrhundert vor Christus im Vorderen Orient im Gebrauch. Es heißt auch Vogel-Alphabet, nach einem für den Schulbetrieb bestimmten Papyrus mit alphabetisch angeordneten Listen von Vögeln, Bäumen und Ortsnamen aus dem 4. Jahrhundert vor Christus.

Die Griechen übernahmen das Alphabet von den Phöniziern

Vom Sinai gelangte die neue erfundene Alphabetschrift wahrscheinlich in den Stadtstaat Ugarit, ein bedeutendes bronzezeitliches Zentrum im Norden des heutigen Syrien. Tafeln aus der kanaanitischen Stadt aus dem 13. Jahrhundert v. Chr. zeigen sowohl ABC als auch Halahama-Sequenzen. Von Ugarit lernten die benachbarten Phönizier möglicherweise das Alphabet. Allerdings war der Vorläufer unseres modernen ABC damals noch ein Aleph-Beth-Gimel. So hießen die ersten Laute des phönizischen Alphabets.

Vom semitischen Händlervolk der Phönizier übernahmen es schließlich die Griechen, wobei sie von ihnen nicht benötigten phönizischen Buchstaben Vokale zuordneten – das erste echte Alphabet im heutigen Sinne, mit dem man Selbstlaute und Mitlaute schreiben konnte. Auf dieser Basis haben die Römer das lateinische Alphabet entwickelt, das wir heute noch benutzen.

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